Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Die Ostsee
Käpt'n Kralle stand am Heck seiner kleinen "Emma" und betrachtete mit wohlwollen wie der mässige Nordoster das kleine Lateinersegel am einzigen Mast des kleinen Bootes aufblähte.
Er mochte Sie. Sie war klein, wendig und in guten Händen durchaus in der Lage Ihre 10 bis 11 Knoten zu loggen.
Hansen hatte den Lotgasten nachdem sie die Hafenausfahrt von Rostock an Backbord achteraus gelassen hatten in die Last zum umpacken geschickt.
Diese Gewässer kannte er wie seine Westentasche und kam darin völlig ohne Lotungen aus.
Je weiter Sie auf die Ostsee, nach Westen zuhielten desto mächtiger wurde die kabbelige Dünung und desto stärker das Rollen und Krängen des Schiffes.
Seine Crew, alles erfahrene Vollmatrosen, darunter einige Deserteure die mit Ihm gegangen waren nachdem er seinen Posten bei der Kriegsmarine verloren hatte, war jedoch an wesentlich mehr gewöhnt.
Als schliesslich die Staberhuk auf Fehmarn an Steuerbord voraus über die Kimm kam, reichten zwei kurze Befehle und das Lateinersegel schwang mitsamt dem Heck der "Emma" herum, den Wind nun genau von querab einfangend. Sie machte einen kleinen Satz und legte spürbar ein zwei Knoten zu.
Henning Hansen und sein 1. Maat Jan Soderbergh warfen sich ein kurzes lächeln zu, Lübeck stand nun genau voraus, keine 3 Stunden mehr südöstlich von ihnen...
Die "Teutonic" eine Schnigge pflügte mit ihren gut 10 Knoten durch die Ostsee.
Es war ein wunderschöner Tag für einen Monat wie Februar, die Ostsee lag vor der Besatzung wie ein silberner Teppich und die Besatzung war voller Tatendrang, wo sie doch jetzt endlich wieder auf See waren.
Auch der Kapitän ein gewisser Hans Plex war glücklich wieder auf See zu sein. Er liebte die See, ihre Rauhe Schale und auch ihr weiches Herz, welches anTagen wie diesem zum Vorschein kam.
"Steuermann setzen sie Kurs auf Rostock, wir haben dort unsere Fracht abzuliefern!"
"Ai,ai Kapitän, ich setze Kurs auf Rostock!"
Plex lächelte, er war sich sicher das dies eine großartige Reise werden würde.
Eine halbe Stunde nachdem die Suse von Kopenhagen ausgelaufen war, schiss eine Möwe Matt auf die Mütze.
"Scheisse!"
brüllte Matt, worauf der erste Maat grinsend antwortete
"Jo, so riecht's".
"Potztausend, ich habs gewusst!" platzte es krachend aus Käpt'n Kralle heraus, nachdem Sie in Rekordtempo die Emma in Kopenhagen seeklar gemacht hatten, und er lächelte zufrieden.
Der Eilkurier hatte Ihm frohe Botschaft gebracht, es wartete Kundschaft auf Ihn in Rostock.
Dass er dafür seine Mannschaft hatte schinden müssen und Ihnen auch in Rostock keinen Tag Landurlaub geben würde war für Ihn zweitrangig, obwohl sein 1. Maat und der Zahlmeister Bragge Brandsen bereits scheele Blicke wechselten.
Hansen bestellte Jan Soderbergh beim Wachwechsel in seine Kajüte, nachdem das Schiff bei leichter Brise aus West an den 1. Steuermannsmaat übergeben war.
"Jan hör' zu. Seit der Eröffnung ging es drunter und drüber ich weiss, aber du willst doch auch wieder ein richtiges Schiff segeln und kein einmastiges Boot, oder nicht? Willst du nicht auch wieder das Singen im Rigg eines Rahgetakelten Schiffes hören? Den Zug spüren, den der Wind in Bram- und Grossegeln bläst? Eine eigene Offiziersmesse für dich, Bragge und Nils den Steuermann?
Wieder Jagd machen auf dunkle Gestalten und nicht bloss durch die Gegend fahren und Tran ausliefern?
Wir brauchen wieder ein richtiges Schiff, obwohl ich diese kleine Schnigge tatsächlich lieb gewonnen habe, sehne ich mich doch nach einem richtigen Achterdeck und nach Pulverqualm und Kanonendrill.
Dazu brauchen wir aber in erster Linie Geld, Jan. Wir brauchen das Geld der Landratten - und dem fahren wir nun entgegen, hahaha!" lachte Hansen und fing plötzlich an zu husten.
Die Emma hatte auf Kurs Nordost zu Ost gegen den auffrischenden Ostwind anzukämpfen. Die ständigen Wechsel von Back- auf Steuerbordbug verlangten der schmalen Crew alles ab, da das Schot des einzigen Segels ständig eingeholt und neu belegt werden musste.
Käpt'n Kralle stand die ganze Zeit über am Heck der Emma und kämpfte gegen die aufkommende Müdigkeit an. Ständig suchten er und sein erster Maat den Horizont nach Schiffen ab.
Plötzlich kam der bereits erwartete Ausruf: "Segel in Sicht!"
"Welche Peilung?" schrie Hansen
"3 Strich Steuerbord querab, Käpt'n"
Kralle und Jan Soderbergh wechselten einen kurzen Blick. Beide wussten was das zu bedeuten hatte: Es befand sich in Ihrem Luv und hatte damit den Wind auf seiner Seite.
Kralle wurde unruhig. Sollte das Sparrow sein wäre jede Minute auf dem jetzigen Kurs eine weitere Minute der Gefahr des Verlustes der Ladung entgegen. Er blickte in die Gesichter seiner Mannschaft und erntete Müde Blicke.
"VerdammtVerdammt!" dachte er bei sich "Dieser elende Hund, warum auf dieser Fahrt, warum hier und jetzt?"
"Ruder hart Backbord, Kurs Nordwest zu Nord, verdammt nochmal!" rief Kralle und die Emma reagierte prompt und drehte vor den Wind.
Beinahe eine Stunde lang stand Kralle reglos auf der Luvseite des winzigen Achterdecks und richtete Blick auf den dunklen Fleck am Horizont.
"Er kommt näher Käpt'n, es ist tatsächlich Sparrow!" bemerkte Soderbergh zu seiner Linken. "Das sehe ich selbst, Himmelherrgottnochmal!". In Kralles Kopf gingen sämtliche Möglichkeiten hin und her, wie könnte er auf dem momentanen Kurs Kopenhagen erreichen? Er dürfte sich auf keinen Fall zu weit nach Westen in den Fehmarnbelt abdrängen lassen, doch eine Kursänderung auch nur einen Strich auf Nord würde die Kurse der Schiffe unweigerlich noch vor der rettenden Südspitze von Falster zum Konvergieren bringen. Zumindest bei dem jetzigen Gewicht des Schiffes.
Da fällte Kralle Hansen eine Entscheidung. Eine Entscheidung für die Ladung und gegen seinen persönlichen Stolz.
"Die Kanonen über Bord! LosLosLos! Alle Kanonen über Bord! Kursänderung 4 Strich auf Nord" dann wandte er sich an seinen ersten "Wir gehen in der schmalen Strasse zwischen Falster und Lolland durch, er folgt uns nicht so dicht unter Land. Aber wir kommen nicht vor Ihm hin mit den Sechspfündern an Bord."
Jan nickte Bedächtig. Er sah die Verbitterung in Kralles Blick und die unsägliche Enttäuschung es nicht hier und jetzt drauf ankommen lassen zu können.
"Dieser elende Trust Service" dachte Jan während er und Kralle den dunklen Fleck langsam unter dem Östlichen Horizont versinken sahen...
Matt hatte die Vorgänge aus dem Hintergrund betrachtet. Er konnte es kaum glauben, Kapitän Hansen hatte tatsächlich die Kanonen von Bord geworfen, um die Ladung zu retten. Matt's Ladung...
Obwohl er für die Dienste Hansens gut zahlte, gefiel ihm der Gedanke nicht, der Seebär würde mit Verlust aus dieser Unternehmung hervorgehen. Matt hielt die Nase in den Wind und grübelte...
Die Sonne war noch nicht ganz über den Horizont gestiegen, als Matt das Oberdeck betrat. Trotzdem vermutete er, dass Hansen ihn für einen Langschläfer halten würde, denn die Kapitänskajüte, die Hansen ihm für die Überfahrt überlassen hatte, sah nicht so aus, als würde dort oft jemand schlafen. Ja der Kartentisch sah aus zerstossen und zerkratzt aus, als wäre eine Rotte Pikeniere über ihn gezogen, das Bett hingegen wirkte unberührt, ja fast jungfräulich.
"Ach, soll er von mir glauben was er will.", knurrte Matt, "solange er nur erfährt, dass wir rechnen können."
Matt spuckte über die Reeling und schwankte mit dem Schiff im Takt der Dühnung, als er sich in Richtung Achterdeck bewegte, um den alten Seebären anszusprechen.
Die Emma war wieder auf dem Weg nach Lübeck. Die Geschäfte in Kopenhagen waren gut gelaufen für Matt, doch war dies nur möglich gewesen, weil Hansen den letzten Fetzen Tuch auf die Rahen gehisst hatte, um noch vor dem Ende der Woche Kopenhagen zu erreichen. So konnte noch zu alten Konditionen verkauft werden, ein Vorteil, der im wahrsten Sinne des Wortes "goldwert" gewesen war.
Viel grösser als der monetäre Gewinn, war jedoch der menschliche auf dieser Reise gewesen. Matt hatte Stunden auf dem Achterdeck der Emma verbracht und mit Hansen über den Handel sinniert. Wenn Hansen auf dem ersten Blick zwar nur Wasser, Wind und Schoten im Sinn hatte, war unter dieser salzverkrusteten Schale doch ein Mann mit einem Auge für das Geschäftliche. Immer wenn Matt vor Hansen Pläne zukünftiger Unternehmungen ausbreitete, war es der alte Seebär, der mit einem verschmitzten Lächeln auf ein kleines Detail verwies, dessen Vernachlässigung ein Vermögen hätte kosten können. Und immer wenn Matt resignierend den Blick über den Horizont schweifen liess, war es Hansen, der einer schon verworfenen Idee unter einer neue Perspektive eine zweite Chance verschaffte. Nun waren es noch zwei Tage bis Lübeck und sie waren sich noch nicht einig geworden, hatten noch keine gemeinsamen Pläne für die Zukunft. Verdammt! Der Alte musste doch zu überzeugen sein!
Käpt'n Kralle übernahm die Emma zur Morgenwache. Noch funkelten die Sterne über Ihm, doch am östlichen Horizont liess sich bereits ein erstes Glühen ausmachen.
Er schaute nach oben und sah die Venus einige Strich steuerbord achteraus funkeln. Der Kurs stimmte.
Er ging zum Logbrett und las die Nachtlotungen ab bevor er sich leise summend die Stirn rieb.
Er und sein Gast hatten am Vorabend endlich die Rohfassung eines Vertrages zur dauerhaften Zusammenarbeit ausgearbeitet, was Ihm innerlich ein wohliges Gefühl bescherte.
Esau Matt stellte sich bei weitem nicht so ungeschickt an Deck an, wie so manch anderer den er in früheren Zeiten schon als Gast an Bord hatte und auch die Mannschaft sah in Ihm mittlerweile nicht mehr die übliche Landratte.
Hansen hoffte auf einen Tag mit ruhigem und unbeschwerlichem segeln und freute sich bereits auf ein kühles Helles in Lübeck. Noch mehr freute Ihn allerdings die Aussicht auf eine goldene Zukunft und vielleicht sogar ein richtiges Schiff. Der Gedanke trieb ein unwillkürliches Lächeln auf sein Gesicht als er zum Rudergänger trat um die Emma für eine Weile selbst zu übernehmen...
Von Krankheit gezeichnet betrat der Kapitän der Emma beim ersten Taeslicht eines trüben Februarmorgens nach langer Abwesenheit mal wieder sein Achterdeck.
Es freute Ihn zu sehen, dass er sich voll auf seine Führungsleute und seine Crew verlassen konnte, die in den Tagen seines fiebrigen Deliriumszustandes die Emma Topp in Schuss gehalten hatte...
In Ermangelung eines Schiffsarztes hatte er sich selbst mit einem Gemisch aus Nieswurz behandelt und hoffte nun inständig in Ripen einen Arzt zu finden, der Ihm nicht riet auf Dauer den Freuden des Landganges zu entsagen.
"Diese elenden, seuchschleudernden Schlampen!" dachte Kralle ehe er sich wieder auf sein Lager warf.
Wenigstens liefen die Geschäfte auch wenn er selbst nur die Hälfte wert war einigermassen gut weiter.
Nach einigen Tagen Aufenthalt fühlte er wie das Fieber sank und die Kraft in seine Glieder, und viel wichtiger in seine Stimme zurückkehrte.
"Klar bei den Muringsleinen!" schallte es nun also wieder vom Achterdeck über das gesamte Boot und sichtlich zufrieden, dass man seinen dröhnenden Bass anscheinend sogar am gegnüberliegenden Pier vernahm, wo die Matrosen einer kleinen Pinasse plötzlich in wilder Aufruhr zum Gangspill stürtzen und danach völlig verdutzt auf die lachenden Emmas schielten, die breit grinsend und sichtlich erfreut, dass Ihr Kapitän wieder der alte war den Anker lichteten.
"Ankergasten klar!" bestätigte ein breit grinsender Jan Soderbergh.
"Loswerfen!" donnerte Kralle und seinem ersten zugewandt mit leiserer Stimme: "Ich glaube wir können heute mal wieder zu Musterung antreten lassen!".
Soderbergh tippte sich lächelnd an die Stirn.
Er war wieder der alte...
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