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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Weihnachten - ein Rückblick



Sir H. Dowding
19.12.04, 13:39
Habt ihr Euch schon einmal gefragt, wie Weihnachten vom NS-Regime instrumentalisiert, ja sogar pervertiert wurde? Nun, hier ein paar Aspekte:


http://www.return2style.de/duesenberg/postamt/xmas/schmuck.gif
"Richtiger" Weihnachtsschmuck

Für das NS-Regime war der Ursprung des Weihnachstfestes die Wintersonnwende und so galt es diesen "schönen, alten Brauch" von den christlichen Auswüchsen zu reinigen und wieder zu den alten Werten zurückzukehren.

Als erstes wurden die Lieder durch kleine Textänderungen "umkonzipiert", so etwa „Es ist ein Ros entsprungen“ mit der zweiten Strophe „Das Röslein, das ich meine / davon Jesaja sagt / hat uns gebracht alleine / Marie, die reine Magd.“. Nun wurde es zu „Das Röslein, das ich meine / davon meine Herze singt, / das ist in süßer Reine / mein allerliebstes Kind.“

„Leise rieselt der Schnee“ musste noch schlimmere Textänderungen hinnehmen, statt „Bald ist heilige Nacht, / Chor der Engel erwacht, / hört nur, wie lieblich es schallt, / freue Dich, Christkind kommt bald!“ hieß es nun „Sonne steiget empor / Kraft und Einheit drängt vor / Glauben an Deutschland erwacht, / bricht durch die dunkele Nacht.“

Nicht zuletzt sollte das Rollenbild auch über neue Weihnachstlieder gefestigt werden, etwa: „Die Weihnacht steigt ins Tal im klaren Wind, / die Mutter beuget sich zu ihrem Kind. / Der Vater steht im Feld und hält die Wacht / viel Sterne schauen durch die große Nacht“

Bis Kriegsbeginn etablierte man das "Deutsche Weihnachtsfest", das oberflächlich dem altbekannten glich, bei genauerem Betrachten jedoch ein paar Unterschiede aufwies. Der Christbaum hieß nicht mehr Christbaum, sondern Tannenbaum, Lichterbaum oder gar Julbaum und galt nun als Lebensbaum und mit den Ahnen, der "Sippe", in Verbindung gebracht. Dazu gab es auch ein neues Lied: „Stell auf den Baum, steck an das Licht / nach heilgem Brauch der Ahnen / und laß zu solchem Werke nicht / mein Volk, dich lange mahnen.“

Statt der Krippe unter dem Weihnachstbaum, empfahl man einen Märchengarten unter dem Julbaum, mit Frau Holle als Göttin Freya und statt des Evangeliums sollte die Geschichte der Brüder Grimm über Frau Holle gelesen werden. Die Hirten wurden zur germanischen Volkstumsgruppe, die „zur Wintersonnwende blasend durch die Fluren zog“ und „den Beschluss des Weidegangs auf diese Weise feierte“. Geändert wurde dafür auch das Lied "Ihr Kinderlein kommet"

1. „Ihr Kinderlein kommet, o kommet doch her / vernehmet zur Weihnacht die uralte Mär / und seht, welch ein Baum trotz der eiskalten Zeit / geschmückt ist mit grünem, lebendigen Kleid.

2. Die Lichterlein blitzen und blinken soviel / und leuchten zu Jubel und kindlichem Spiel / und jedes hat seinen hellflimmernden Schein / und ladet zu Heimkehr und Andacht uns ein.

3. Das deutet auf uralte Zeiten zurück / und lenkt auf die Sitte der Ahnen den Blick / und lehrt, daß dies Erbe bis heutigem Tag / und weiter in Zukunft bewahrt bleiben mag.“

Nach "alter Tradition" entfachte man am 21. Wintersonnfeuer und rollte brennende "Sonnenräder" ins Tal, um dem Weihnachstfest drei Tage später das Wasser abzugraben. Man hoffte auf den Generationswechsel, wenn die Kinder von damals als Erwachsene nichts anderes mehr kannten. Vorschläge gab es genug, etwa diesen: „In der Klassengemeinschaft sollte zur Bereicherung der Volkstumkunde und des völkischen Brauchtums in den letzten Wochen des „Julmondes“ eine Deutsch- oder Musikstunde den germanischen Bräuchen der Wintersonnenwende gewidmet werden, dessen tiefer und heiliger Glaube auf das Weihnachtsfest überging und es mit dem ganzen deutschen Gemüt erfasste und erfüllte.“

Gegen Kriegsende dann drängte sich eine neue Bewegung in die Gestaltung des "Julfestes". Nun entstanden Lieder, die Hitler als neuen Erlöser und Messias feierten, etwa das „Lichtbaumweihe“-Lied. Allesamt karikierten sie sich selbst und waren in der Bevölkerung nie beliebt oder gefestigt, sondern wurden wenn, dann nur in abgewandelter Form als Flüsterwitz gesungen.

Quelle (http://www.nmz.de/nmz/nmz1997/nmz12-1/dossier/weihnac.htm)

Cerberus
20.12.04, 11:29
Als Einstieg zu rechter und vor allem brauner Mystik und Esoterik und deren Bezüge zur germanischen Mythologie kann man m.E. das Buch "Schwarze Sonne" von Rüdiger Sünner empfehlen. Setzt sich mit dem Thema kritisch-sachlich auseinander, ohne die ganze Zeit mit dem sprichwörtlichen erhobenen Zeigefinger zu nerven.

von Holstein
20.12.04, 11:43
Allesamt karikierten sie sich selbst und waren in der Bevölkerung nie beliebt oder gefestigt, sondern wurden wenn, dann nur in abgewandelter Form als Flüsterwitz gesungen.

Das kann ich aus den Überlieferungen meiner Eltern und Großeltern nur bestätigen.
Ein durch die Jahrhunderte gewachsenes Brauchtum lässt sich nicht einfach durch Anordnung von „oben“ einstellen oder umdeuten.

Ähnliches mussten auch schon die französischen Revolutionäre feststellen.

In Russland und China scheint es mir, auch wenn die dortigen „Experimente“ länger liefen als in Deutschland oder Frankreich, ebenfalls nicht gelungen zu sein die alten Brauchtümer zu beseitigen.

Da wirkt die subtile Verführung durch den Kapitalismus schon entschieden nachhaltiger. :(

Arminus
20.12.04, 12:00
Kapitalismus? Doch nicht in China oder Russland. Eher wieder erstarkender Nationalismus, sebst in Japan holt man ja wieder die alte Kaiserhymne raus. :flop:

Edit: Entschuldigt das definitive OT... :rolleyes:

Wahnfried
20.12.04, 12:01
Naja, die Kommunisten /Sozialisten haben Weihnachten auch umgestaltet. Der Weihnachtsmann wurde zum Beispiel Jahresendfigur genannt und die Kommunisten /Sozialisten haben was die Abschaffung des Christentums angeht doch recht erfolgreich agiert. In der ehemaligen DDR gibt es einen sehr hohen anteil an Atheisten und in der ehemaligen Soviet-Union ist Weihnachten kein großes Fest mehr. Es wird dort vor allem Neujahr gefeiert und Weihnachten wurde als Familienfest an den Rand gedrängt. Ich habe nichts gegen Atheisten oder was auch immer, ich sage jeder kann glauben was er will. :D Aber sich nur darüber zu echauffieren das die Nazis Weihnachten missbraucht haben ist nur die eine Wahrheit. Auch andere Idiologien missbrauchen die Religion. Heutzutage kann man das an den Islamisten sehen.

Sir H. Dowding
20.12.04, 12:12
Dieser Thread war aber auch kein Versuch sämtliche Umdeutungen von Weihnachten publik zu machen, sondern das, was hierzulande passiert ist. Über Weihnachstumdeutung in Russland ist es relativ schwer etwas zu finden ;)

von Holstein
20.12.04, 12:17
Kapitalismus? Doch nicht in China oder Russland.

Hab ich nicht deutlich genug gemacht.
Ich wollte ausdrücken, dass der Kapitalismus in Deutschland mehr alte Traditionen zerstört hat als die lächerlichen, aufgepfropften Versuche der Nazis.

Arminus
20.12.04, 12:20
Gehören die Londoner Wachsfiguren mit den Beckhams als Maria und Josef sowie Tony Blair und George W. Bush als Weise aus dem Morgenland auch schon zu einer Umdeutung Weihnachtens?
Oder noch schlimmer, calvinistische Regime wie unsere Nachbarn, die Niederländer, die Weihnachten nicht feiern, sondern nur Nikolaus? :D

Achtung, bin heute etwas ironisch... Trotzdem danke für den Thread, werter Dowdi, ich hätte nicht gedacht, dass man soviel in eine Brezel interpretieren kann. :wirr:

edit: Werter von Holstein, dem kann ich so nicht zustimmen, dazu müßte ich dann doch genauer wissen, was Ihr genau mit Kapitalismus meint (wenn man schon das 15., 16. Jahrh. als frühkapitalistisch bezeichnet). Zugegeben, habe mich ja auch diesem Begriff bedient ohne genau zu sagen, was ich meine... Wie auch immer, dies ist nicht der richtige Thread für dieses Thema...

Sir H. Dowding
20.12.04, 12:28
Aber bitte, diskuttiert ruhig drüber weiter.

In der DDR hat sich also erfolgreich eine atheistische Tradition eingebürgert. Gut, dafür hat das in Polen nicht wirklich geklappt, dort sind die Leute erzreligiös, vor allem gen Osten und am Land. Nun ist halt die Frage, die wir ergründen können, wieso es dort geklappt hat und in einem anderen Regime nicht?

Peraldo
20.12.04, 16:29
I.m.o. ganz einfach deshalb, weil die Grundvoraussetzungen ganz anders waren. In der DDR konnten die neuen Machthaber schließlich an eine breite Masse herantreten, deren Gehirne schon den Vorwaschgang hinter sich hatten. In gewissem Sinne übernahm man einfach das Gewesene, hängte ihm ein neues Kleidchen um und ließ den Totalitarismus unter einem anderen Liedchen weiterzwitschern. So wurde die DDR die Fortsetzung des NS-Staates mit anderen Mitteln und gerade indem sie sich immer ach so sehr von den Faschisten abzugrenzen suchte, offenbarte sie auf fatale Art und Weise gewisse unverkennbare Artverwandtschaft.

Jaycee
20.12.04, 16:43
Denk ich auch. Dazu muss man noch sagen dass Deutschland auch vor den Nazis (also anfang des jahrhunderts) lange nicht so "religiös" war wie eben die Polen. Bei denen hatte es aber Gründe die noch früher liegen (v.a. als Polen aufgeteilt war "hielt der Katholizismus die Polen zusammen"), aber auch die spätere Nazi-Besatzung.
Ich schätze mal auch die irische Religiösität hat mit der langen Vorherrschaft der anglikanischen Engländer zu tun.

Joachim Murat
20.12.04, 19:37
Dazu muss man noch sagen dass Deutschland auch vor den Nazis (also anfang des jahrhunderts) lange nicht so "religiös" war wie eben die Polen

Völlig richtig. Das spirituelle Verhalten der deutschen ist mit dem Begriff "Traditionsreligiös" bestens bezeichnet. Hab eine Theorie gelesen, das Länder in welchen die Aufklärung auf breiter Front alle gesellschaftlichen Schichten erfasst hat einen deutlich distanzierteres Verhältnis zu religiösen Themen zeigen. Der Katholizismus Irland, Polens udn auch (Süd-) Italiens ist aber eindeutig vormodern. Hier kann man noch Volksglauben in reinkultur erleben. Gerade in Deutschland hat die moderne auch die "einfache" Bevölkerung der Religion entfremdet, sonntägliche Messen sind nur konservative Pflichtübungen.

Jaycee
20.12.04, 20:11
Das mit der Aufklärung stimmt, kenn ich auch irgendwo her.

Zu den "Pflichtübungen": In Polen ist das nicht unbedingt sehr viel anders. Viele (v.a. in Dörfern und Kleinstädten) werden dort sehr kritisch beäugt wenn sie sonntags mal nicht in die Kirche gegangen sind; in Deutschland ins das fast genau andersrum.

Arminus
20.12.04, 20:19
Ist eine Definition über die Aufklärung nicht etwas zu eurozentrisch, werter Murat?

Ehrlich gesagt wüßt ich noch nicht einmal, wie ich die USA da einsortieren soll. Und das vom werten von Hollstein angesprochene China erst recht nicht...

von Holstein
20.12.04, 21:09
Und das vom werten von Holstein angesprochene China erst recht nicht...

Bester Arminus,

China erwähnten Wir lediglich aufgrund des Phänomens des wiedererstarkenden Konfuzianismus nach den Schandtaten der sogenannten Kulturrevolution.

Verbindung zum Thema: Wiedererstarken fest im Kulturbewusstsein eines Volkes verankerter Werte auch nach einer Zeit der Unterdrückung durch ein diktatorisches System, siehe Nazi Deutschland, das Frankreich Robespierres oder der kommunistischen Regime.

Dies hat dann natürlich keine Verbindung zur europäischen Aufklärung.

Um auf den Pfad des werten Sir Dowding zurückzukehren: Versuche von Diktaturen in Volk verankerte Traditionen umzudeuten / auszuschalten sind zum Scheitern verurteilt !

Joachim Murat
20.12.04, 22:31
Ist eine Definition über die Aufklärung nicht etwas zu eurozentrisch, werter Murat?
Geschätzter Arminus,
Ist die Aufklärung nicht ein speziell europäisches Phänomen, vielleicht sogar das speziell europäische Phänomen?
Sogar dem (Mittel-) europäischen Kulturkreis artverwandte Kulturen (USA) zeichnen sich durch einige signifikante Unterschiede aus, welche zu nicht unwesentlichen Teilen durch das fehlen einer breiten Aufklärungsströmung erklärbar sind (Religiösität, gesellschaftlich anerkannte Moralvorstellungen etc.)
http://www.smiley-channel.de/grafiken/smiley/schilder/smiley-channel.de_schilder182.gif

Wahnfried
21.12.04, 06:22
Geschätzter Arminus,
Ist die Aufklärung nicht ein speziell europäisches Phänomen, vielleicht sogar das speziell europäische Phänomen?
Sogar dem (Mittel-) europäischen Kulturkreis artverwandte Kulturen (USA) zeichnen sich durch einige signifikante Unterschiede aus, welche zu nicht unwesentlichen Teilen durch das fehlen einer breiten Aufklärungsströmung erklärbar sind (Religiösität, gesellschaftlich anerkannte Moralvorstellungen etc.)

Sehe ich auch so. Die Amerikaner sind zwar gewiss auch von der Aufklärung beeinflußt worden. Schließlich wurden die Moden von Europa, auch mit Verzögerung von den USA übernommen. Aber seit mitte des 19 Jahrhundert gab es in den USA eine Tradition sich von der Mutter Europa zu emanzipieren. Deshalb sind in den USA christliche Tradition noch stärker ausgeprägt und wie den Patriotismus eine Klammer die dieses Land zusammen hält. Seit Bush nimmt die Religiösität in den USA sogar wieder zu.


Um auf den Pfad des werten Sir Dowding zurückzukehren: Versuche von Diktaturen in Volk verankerte Traditionen umzudeuten / auszuschalten sind zum Scheitern verurteilt !

Sehe ich nicht so. Ein Regime muß nur lange genug im "Amt" sein dann klappt das auch mit der Umdeutung von Traditionen. In Russland hatte der Kommunismus 70 Jahre Zeit die Traditionen umzudeuten und wer schon mal über Weihnachten in Russland war, sieht das Weihnachten kaum noch eine Rolle spielt. Es wurde fast komplett von Neujahr abgeleitet.
In Polen war das anders, da dort die Kirche, die Organisation war welche den Wiederstand gegen fremde Besatzer geschürt hat. Denke das hat damit zu tun, dass es nach der Teilung Polens für die Katholische Kirche darum ging den katholischen Glauben im Volk verankern zu lassen. Im Russisch besetzten Teil mußte sie gegen die orthodoxe Kirche wiederstand leisten und im Preußisch besetzten Teil gegen die Protestantische Kirche. Nur im Österreichischen Teil hatten auch die neuen Machthaber den katholischen Glauben.
In der DDR war man nach dem Total verlorenen Krieg und nachdem man die Deutschen Verbrechen vorgeführt wurde natürlich schon gebrochen und hatte wohl keine Energie mehr sich gegen Umdeutung von Traditionen zu wehren. Deshalb denke ich war es für die Machthaber leicht das Volk in ihrem Sinne zu formen. Ach ja und die ganzen die nicht auf Parteiline waren konnten ja relativ leicht in den Westen auswandern. Jedenfalls bis die Mauer gebaut wurde.

Jaycee
21.12.04, 13:44
In Russland hatte der Kommunismus 70 Jahre Zeit die Traditionen umzudeuten und wer schon mal über Weihnachten in Russland war, sieht das Weihnachten kaum noch eine Rolle spielt.

Weihnachten hat dort aber noch nie eine große Rolle gespielt da man nach russisch-orthodoxen Brauchtum den 6. Januar feiert (ich glaube auch dass man dann die Geburt Jesu feiert (oder??)).

General Guisan
21.12.04, 21:32
Gerade aktuell(seit 20.15) auf ZDF: Weihnachten '44 im 3. Reich

Wahnfried
22.12.04, 15:52
Weihnachten hat dort aber noch nie eine große Rolle gespielt da man nach russisch-orthodoxen Brauchtum den 6. Januar feiert (ich glaube auch dass man dann die Geburt Jesu feiert (oder??)).

Ja in Russland feiert man am 6 oder 7 Januar. Aber Weihnachten ist doch die Geburt Jesu, oder? Naja, die Russen feiern Weihnachten oder eben Jesus Geburt später wegen dem Julianischen Kalender. Oder war es der Gregoriansiche? Jedenfalls hatte die Ostkirche einen anderen kalender als die Westkirche.
Im Osten feiert man auch eher Ostern als Weihnachten, aber selbst Ostern wird dort nicht mehr sehr stark gefeiert. Die Leute in Russland sind nicht mehr so religiös.