PDA

Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Maginotlinie und französische Strategien



Sir H. Dowding
13.11.04, 19:20
Ich habe die letzten paar Tage in Büchern über den Zweiten Weltkrieg gestöbert und zu einer wichtigen Frage doch keine Antwort gefunden. Vielleicht kann mir jemand helfen?

Folgendes: Die Maginotlinie wurde ab 1929 errichtet und zwar, um deutsche Angriffe zu stoppen und abzuwehren. Soweit ja nachvollziehbar. Doch wenn man schon die Lehren aus dem Großen Krieg zog, wieso in aller Welt "vergaß" man dann auf die belgische Grenze? Bereits 1914 verletzte Deutschland die belgische Neutralität und marschierte durch Belgien und Luxemburg durch.

Kann mir irgendjemand verraten, wieso Frankreich daraus nicht lernte und sich noch einmal den selben Fehler erlaubte? Gibt es dafür irgendeinen Grund? Wurde der Bau einfach nicht fertig, setzte sich der Festungsgürtel in Belgien fort? Oder warum?

Wenn da jemand eine Antwort weiß, wäre ich sehr froh.
Vielen Dank,
SirD

Jaycee
13.11.04, 19:33
Der einfache Grund:

Nachdem das ganzes Geld ausgegeben war, gab es keine Mittel mehr für die Verteidigungslinien entlang der belgischen Grenze, und die französischen militärischen Führer hielten den Wald der Ardennen für undurchdringlich.
Quelle:
http://www.saunalahti.fi/~hurmavi/maginot4.html

Hesse
13.11.04, 20:58
Außerdem wäre bei einem gewaltsamen Durchmarsch durch Belgien erneut die Konstellation des ersten Weltkrieges (Teilnahme Großbritanniens) gegeben. Vielleicht haben sich die Franzosen daher auch gedacht, daß Deutschland es nicht erneut bei einem Konflikt riskieren würde durch Belgien zu marschieren, um einen Konflikt zu beschränken.

Cerberus
15.11.04, 09:49
Kann von hier aus auch nur spekulieren, da Nachschlagewerke hier nicht greifbar.
Die finanzielle Begründung erscheint mir plausibel, gerade wenn man bedenkt, daß die 3. Republik ein marodes Kartenhaus war. Hinzu kommt die ebenfalls angesprochene Ardennenbarriere und nicht zu vergessen, die Belgier hatten einen eigenen Festungsgürtel, insbesondere mit dem Sperrfort Eben Emael bei Lüttich am Albertkanal.
Möglicherweise hat man auch darauf vertraut.

Falke
15.11.04, 10:31
Ich denke mir, dass die belgischen Forts eher ausschlaggebend waren. Durch diese wurde ja die Maginotlinie forgesetzt,außerdem dann danach noch, sozusagen als zweite Verteidigungslinie die Ardennen.
Und an schnelle Panzerdoktrinen hat halt noch kein Mensch gedacht. Hätten die Deutschen die belgischen Forts nicht so schnell ausschalten können, hätte der ganze Blitz wahrschenilich auch nicht geklappt

Sir H. Dowding
15.11.04, 12:16
Hatten die Belgier nicht auch schon im ersten Weltkrieg die Festung Lüttich u.ä.?

Also fassen wir zusammen:

-Frankreich geht das Geld für weitere Festungsbauten aus

-Man vertraut einerseits darauf, dass Hitler nicht wieder die Neutralität Belgiens verletzten wird und aus den Fehlern Kaiser Wilhelms lernen wird

-und falls er Belgien doch angreift, dann vertraut man auf die belgischen Festungsgürtel vor und in den Ardennen

Elvis
15.11.04, 12:37
Das Sperrforts Eben Emael bei Lüttich wurde wohl zumindest von den Belgiern für uneinnehmbar gehalten. Es galt als stärkstes Fort der Welt. Es hatte eine Besatzung von 1200 Mann, 42 Geschützen und zahllose MGs.
Allerdings gab es ja die neue Truppengattung "Fallschirmjäger".
78 Fallschirmjäger landeten mitten in der Festung und nahmen sie später mit zusätzlicher Unterstützung im Handstreich.
Am 10.05.1940 wurden die Beneluxländer angegriffen und am 11.05. war mittags das Fort schon erobert.

Quelle: Ein dickes Buch mit dem originellem Titel "Der 2.Weltkrieg" :D

Arminus
15.11.04, 12:40
Nun ja, die Maginotlinie soll gegen Luftangriffe auch nur ungenügend geschützt gewesen sein, und dazu hat sie die Franzosen viel MP gekostet...

the general
15.11.04, 16:01
Der Hauptgrund der schwachen Maginot-Linie war, einfach der das man sich eine Angriffsposition freihalten wollte. Der deutsche Hauptangriff wurde in Belgien wie im 1.Weltkrieg erwartet und die Franzosen waren sich ziemlich sicher, dass ein deutscher Angriff hier erfolgen würde. Die Hauptangriffsverbände waren des wegen in Nordostfrankreich stationiert. Die französischen und britischen Streitkräfte sollten den deutschen Vorstoß in Belgien abfangen und ins Ruhrgebiet stoßen.

Als der deutsche Angriff begann, lief der Gegenangriff auch schon an, bloß wurde man von den deutschen Panzer- und gepanzerten Stoßtruppen niedergeworfen und eingekesselt.

Ich weiß das die Allierten eine Widerstandslinie an irgendeinem Fluss errichten wollten, ich glaube es war sogar die Maas.

Die Zusammenfassung ist also falsch. Von den belgischen Befestigungsanlagen war man nicht sehr überzeugt, hoffte jedoch darauf das sie so lange halten würden bis man in Belgien eine Verteidigungslinie aufgebaut hatte.

Quellen:
Infoheft " Die Maginotlinie"

Mist, jetzt fällt mir nimmer ein wo ich noch was darüber gelesen hab. Muss mal überlegen....hm verdammt ich weiß es nimmer...

Edit: Jetzt weiß ich es wieder, des muss im Buch von diesem polnischen Schriftsteller gewesen sein. Janusz Piekalkiewicz

von Stollberg
15.11.04, 16:55
Das ist richtig.
Ich habe auch mal gelesen, dass die Allierten die deutschen in Belgien aufhalten wollten,
um die Kämpfe möglichst nicht in Frankreich stattfinden zu lassen.
So sollte der Kampf um Frankreich im Ausland entschieden werden.

Arminus
15.11.04, 17:25
Auf belgischem Boden kämpft es sich halt besser. :teufel:

Die Maginot-Linie war ein gigantisches Projekt, und man hatte bei ihrem Bau wahrscheinlich nicht damit gerechnet, dass Deutschland so schnell wieder auf die Füße kommt. Dazu verschlang der Bau enorm halt enorm viel Resourcen und zum effektiven Betrieb der Festungsanlagen brauchte man eine Menge Festungstruppen. Die französische Armee hätte für eine Verlängerung der Linie noch mehr Truppen aufwenden müssen, und hätte so noch weiter an strategischer Flexilbilität verloren.

Anscheinend wurde der Bau der Anlage auch deswegen gestartet, um sich vor einer effektiven Modernisierung der französischen Armee zu "drücken", die wohl ein Vielfaches der Kosten der Maginotlinie betragen hätte. Zudem war Frankreich damals nicht als stabil zu bezeichnen, die Maginotlinie war vielleicht auch ein psychologisch/politischer Faktor in der französischen Innenpolitik.

Es ist also wahrscheinlich, dass es ein ganzes Bündel von Gründen für die "Inkonsequenz" beim Bau der Anlage gab, wie das meistens bei Groß-Projekten so ist:
Als die Anlage geplant wurde, sah es in Deutschland nicht gerade rosig aus (Schwarzer Freitag), man glaubte in den Jahren danach eventuell nicht an eine Wiederholung der Verletzung der belgischen Neutralität bzw. dachte dass man die Deutschen in Belgien stoppen konnte, schlußendlich wird es aber auch an fehlenden Geldern und Manpower gelegen haben...

Jaycee
15.11.04, 20:27
Die Karte für den "Dyle-Plan":

http://www.torweihe.de/40_kar.jpg


Und falls es noch jmd interessiert: Hier (http://www.chrito.users1.50megs.com/karten/frankreich40.htm) ist ein Link zu einer Seite mit exzellenten Karten zum Frankreichfeldzug.

Bushi
15.11.04, 23:15
Habe ein Wehrmachts propaganda Buch über das 1. Kriegsjahr gefunden. Vom verlag der Wehrmacht Berlin Herausgegeben 1940. Gehörte meinem Opa. Warum hat er eigentlich überall versucht die Hakenkreuze unkenntlich zu machen? Aber back to topic. Da steht was zum Maginot drin. Darf ich das Posten oder darf ich das net weils ein Propaganda buch is?

Sir H. Dowding
15.11.04, 23:22
Ja sicher darfst du das posten. Du hast ja bereits dazugesagt, dass es Propaganda ist und wenn du die Quelle angibst dann ist es klar, dass man das nicht für bare Münze nehmen kann. Immer her damit.

Elvis
16.11.04, 09:21
Ich schließe mich Dowdi an und bin neugierig was in dem Buch darüber steht.
Propagandaaussagen, sofern als solche kenntlich gemacht zu posten ist kein Problem. Nur in HOI AARs wäre ich mit sowas vorsichtig. Dort ist eine RPG Verwendung von Propaganda etwas heikel.

Cerberus
16.11.04, 10:19
Wieder nur Spekulation, aber vielleicht wärs auch außenpolitisch etwas unsensibel von Frankreich gewesen, wenn es sich komplett hinter Festungen eingemauert hätte, also auch ggü. Belgien. Damit hätte man ja klar zu verstehen gegeben, daß man bereit ist Belgien preiszugeben und die Belgier (die treuen Verbündeten des 1. WK) so ins deutsche Lager getrieben. Frankreich hätte aber freiwillig eine verlängerte deutsche Position in Belgien nicht hinnehmen können. Dann mußte man also den Belgiern zeigen, daß man bereit war Ihnen zu helfen und beizustehen.

von Stollberg
16.11.04, 11:29
Auch das werter Cerberus ist ein interessanter Gedankengang.

Jaycee
16.11.04, 14:57
Wieder nur Spekulation, aber vielleicht wärs auch außenpolitisch etwas unsensibel von Frankreich gewesen, wenn es sich komplett hinter Festungen eingemauert hätte, also auch ggü. Belgien. Damit hätte man ja klar zu verstehen gegeben, daß man bereit ist Belgien preiszugeben und die Belgier (die treuen Verbündeten des 1. WK) so ins deutsche Lager getrieben. Frankreich hätte aber freiwillig eine verlängerte deutsche Position in Belgien nicht hinnehmen können. Dann mußte man also den Belgiern zeigen, daß man bereit war Ihnen zu helfen und beizustehen.

Dann hätte man aber die Maginotlinie komplett in Belgien und u.U. in Luxemburg weiterführen können. :fecht:

Arminus
16.11.04, 15:23
Werter Jaycee, wie soll man sich das denn vorstellen?

Belgien, Luxembourg und die Niederlande waren noch nicht mal im Bündniss und bestanden auch auf ihre Neutralität. Sich dann einen Schutzwall mit den Franzosen teilen, ist glaub ich nicht das, was man unter Neutralität versteht.

Sir H. Dowding
16.11.04, 15:26
Außerdem war das auch sehr unüblich bilateral solche Verteidigungskonzepte zu entwerfen, weil man ja nicht sicher sein konnte, ob der andere Staat weiterhin die selbe politische Idee beibehält und das ganze ein Unsicherheitsfaktor wäre.

Jaycee
16.11.04, 15:32
Belgien, Luxembourg und die Niederlande waren noch nicht mal im Bündniss und bestanden auch auf ihre Neutralität. Sich dann einen Schutzwall mit den Franzosen teilen, ist glaub ich nicht das, was man unter Neutralität versteht.

Ja stimmt schon wahrscheinlich haben es die Franzosen ihnen sogar vorgeschlagen aber sie wollten nich. :ditsch:

Peter der Große
16.11.04, 15:52
(..)Belgien, Luxembourg und die Niederlande waren noch nicht mal im Bündniss und bestanden auch auf ihre Neutralität. Sich dann einen Schutzwall mit den Franzosen teilen, ist glaub ich nicht das, was man unter Neutralität versteht.

Nicht ganz, Belgien war Mitglied der Entente, hat dies Bündnis aber 1936 verlassen.

Bushi
16.11.04, 17:23
warum hießen die allierten plötzlich net mehr entente??? Waren ja im großen und ganzen die gleichen Verbündteen

Sir H. Dowding
16.11.04, 19:36
Entente bedeutet Zusammenarbeit und schon während des 1. Weltkrieges nannten sie sich nebenher Alliierten. Und nachdem Frankreich nach 1940 eigentlich nur noch ein zerschlagener Haufen von Guerillatruppen war, musste man sich auf die USA konzentrieren und mal ehrlich, wie klingt Entente wohl auf englisch ausgesprochen? Äntänt ?

Hesse
16.11.04, 20:05
Entente (franz. Einverständnis) bezeichnet das am 8. April 1904 zwischen Großbritannien und Frankreich geschlossene Abkommen, die so genannte Entente cordiale (franz. herzliches Einverständnis), das die kolonialen Fragen regelte. Meistens wird unter Entente das 1907 um Russland erweiterte Dreierbündnis bezeichnet, die so genannte Triple entente (Dreierverband).

Diese Triple entente bildeten die drei großen Gegner der Mittelmächte im 1. Weltkrieg.

Im Jahre 1920 bildete sich eine Kleine Entente zwischen der Tschechoslowakei, Jugoslawien und Rumänien.

Quelle: Artikel Wikipedia (http://de.wikipedia.org/wiki/Entente)

Demnach war die "Entente" eigentlich gar kein "richtiges" Bündnis, sondern eher die Bezeichnung für das Abkommen der Regelung kolonialer Fragen besagter Staaten. Quasi wollte man territoriale Streitigkeiten eher am Konferenztisch als auf dem Schlachtfeld entscheiden. Diese Zusammenarbeit brachte eine Annäherung mit sich. Aber der Kriegseintritt der "Entente"- Mächte war ja nicht aufgrund eines Verteidigungsbündnisses untereinander, sondern aus unterschiedlichen Gründen. Rußland protestierte wegen Serbien, Frankreich wurde vom Deutschen Reich der Krieg erklärt und Großbritannien trat letzlich aufgrund der Grenzverletzungen in Belgien ein.

Bushi
08.12.04, 19:02
Die Maginotlinie zeichnete sich nicht nur durch Bunkeranlagen aus, sondern auch durch massive Schiffsartillerie in ihrer Struktur. Diese waren durch die Luft nicht zu erreichen, da auch die Flakstellungen der Maginotlinie ausgezeichnet bestückt waren.

Offensivtruppen können durch einen Gegenangriff zurück geschlagen werden, historisch belegt und Lehrstoff jeder vernünftigen Akademie.
Zudem gibt es schon seit dem 1. Weltkrieg nur noch selten "offene Feldschlachten". Grabenkämpfe, Stadtkämpfe, Hinterhalt.... wären also die Truppen auf derartiges nicht vorbereitet wären die Lehren von etwa 110 Jahren Kriegsführung nicht beachtet worden.

G°tti
30.12.04, 02:14
Die Belgier haben auf Ihre Neutralität gepocht und haben es den Franzosen nicht erlaubt, einfach militärische Festungswerke auf ihrem Boden zu bauen.

Belgien hat halt gehofft, durch die Neutralität könne es Schwierigkeiten vermeiden (zu der Zeit hat man wohl allgemein besser hoffen als denken können) Dänemark, Holland und Norwegen haben das gleiche versucht(auch die Schweiz, aber die hat Glück gehabt, so abgelegen zu sein)

Soviel ich weiss haben die Engländer(die Abschnitt an der belgischen gernze übernahmen) während der Sitzkriegzeit etwas Befestigungswerk dort errichtet(nichts grosses) aber das war sinnlos, denn als die Deutschen in Belgien einmarschiert sind musste man sowieso auf die belgischen Linien vorrücken (bzw. mit den Belgiern zusammenkommen)

Wenigstens waren sich die Franzosen sicher, dass Deutschland nicht dort wo die Maginot-Linie ist angreifen wird. Das lässt schonmal viel Spielraum wegfallen und die ganze Sache mit den Neutralen nationen die im Weg waren verkomplizierte die Angelegenheit. Man war wahrscheinlich auch von der Rücksichtslosigkeit des Deutschen Vorgehens überrascht und hat nicht erwartet, dass Deutschland die Neutralen einfach so überrennen wird.