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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : KoH: Ein umfangreiches Review



arcain
01.10.04, 06:13
Werte Regenten,

Ich werde in diesem Thread versuchen ein umfangreiches und objektives Review zu KoH zu schreiben, vor allem aus der Sicht eines Spielers, der sehr viel Gefallen an Hardcorestrategiespielen wie Victoria
oder Europa Universalis gefunden hat. Prinzipiell will ich mit diesem Review jeden Strategiespieler die Kaufentscheidung zu KoH erleichtern und etwas tiefgehender von dem Spiel berichten, als dies über diverse Zeitschriften oder Onlinemagazine möglich wäre.

Zunächst einmal sollte sich jeder Spieler darüber im Klaren sein, welche Richtung eines Strategie-spiels er präferiert. KoH bietet keinerlei historischen Tiefgang, trotzdem behaupte ich, dass es vor allem im Vergleich zu Referenztiteln wie CK oder Lords of the Realm deutlich tiefgreifender und komplexer ist. Ein Spieler, der vor allem historisch eine getreue Nachbildung des mittelalterlichen Europas erwartet, wird von KoH enttäuscht sein. Sowohl das Dynastiesystem, als auch die geographische Nachbildung des europäischen Mittelalters ist im Vergleich zu Paradxos CK eine echte Katastrophe. Sowohl die Provinzen, als auch die Herrscherhäuser an sich entbähren trotz Einleitungstext im Auswahlmenu jeglicher historisch fundierter Grundlage. KoH versucht nicht, wie CK dies tut, ein realitisches Feudalsystem aufzubauen, sondern ist vor allem ein Strategiespiel, dass sich durch Eroberung und Action auszeichnet. Ich will nun zunächst einmal aufführen, was aus Sicht eines geschichtsverliebten Mittelalterstrategen die größten Argumente sein dürften, um sich gegen eine Kaufentscheidung von KoH zu entscheiden.

Zunächst einmal wäre dort neben der grob vereinfachten Europakarte, das expansionslastige Spielprinzip zu nennen. Die Eroberung Europas stellt eines der festgesetzten Ziele des Spiels dar. Bereits nach wenigen Minuten, wird dies im Spiel deutlich. Sowohl die KI, als auch der Spieler sind gezwungen massive Expansion zu betreiben. Nicht selten stellt sich nach nur wenigen Minuten ein vollständig verändertes Bild der europäischen Machtverhältnisse dar. Vor allem für kleinere Herzogtümer (die im Spiel unrealistischerweise
ebenfalls häufig als Königreiche bezeichnet werden) ist eine Expansion im frühen Stadium des Spiels überraschend einfach angelegt. Die KI von größeren Königreichen ist auch im höchsten Schwierigkeitsgrad nicht in der Lage einen koordinierten Feldzug von 1 bis 3 Marshalls abzuwehren. Sind erst die ersten
Gebäude für einen Truppenausbau gebaut und ist genügend Geld vorhanden, um Truppen zu rekrutieren, ist eine schnelle Expansion auch im höchsten Schwierigkeitsgrad kein Problem. Ein Herzogtum oder Königreich, dass zu Beginn nur 1 oder 2 Provinzen besitzt, ist nach höchstens einer halben Stunde auf die doppelte bis dreifache Größe angewachsen. Hier ist das Eroberungssystem des Spiels vor allem in der frühen Phase des Spiels zu erkennen - mir persönlich wäre ein realistischeres und langwierigeres System lieber gewesen; vor allem gegen größere Königreiche ist ein gut geplanter Feldzug zu einfach und zu schnell erfolgreich durchzuführen.

Nun will ich im weiteren erläutern, warum das Spiel trotz allem eine große Herausforderung für jeden Strategen darstellt. Der frühen Expansion steht eine deutlich verlangsamte Gebietserweiterung im weitern Verlauf des Spiels gegenüber. Der Spieler kann nur eine gewisse Anzahl von Marshalls und Truppen koordinieren, die sowohl die Rebellen in den eigenen Provinzen, als auch die feindlichen Truppen in Schach halten müssen. Ein Verzicht auf freie Cout-Slots zu Gunsten von Marshalls ist, wie ich selber feststellen musste, definitiv nicht empfehlenswert - Selbst wenn der Spieler auf Baumeister, Kaufleute und Spione verzichte, so wird er mit mehr als 5 Marshalls auf Dauer keinen Spass haben. Je mehr sich das Territorium des Spielers erweitert, desto größer wird die Herausforderung des Schwierigkeitsgrades. Am wichtigsten hierbei zu nennen ist, dass eroberte Provinzen, selbst
nach dem Ausbau von Gebäuden, die die Zufriedenheit in den jeweiligen Provinzen erhöhen (Taverne etc.),
Kleriker eingesetzt werden müssen, um dauerhafte Seperatistenbewegungen und Rebellen zu unterdrücken. Bereits hier wird deutlich, wie komplex KoH angelegt ist: Ein Kleriker als Statthalter bestimmt, kann nur dann erfolgreich eine Provinz befrieden oder Irrglauben beseitigen, wenn er genug "Bücher" besitzt. Diese wiederum müssen von Kirchen, Bibliotheken und von den Klerikern selbst produziert werden. Da in jeder Provinz nur eine gewisse Anzahl von Gebäuden gebaut werden können, ist ein geplanter Ausbau drigend
von Nöten - dazu später mehr. Rebellen und Seperatisten treten vor allem in neueroberten Gebieten auf. Sie verfolgen stets den Plan das eroberte Gebiet entweder dem ursprünglichen Reich zurückzuführen, oder ein
bereits unterdrücktes Reich neu zu gründen. Wie bereits gesagt, lassen sich solche Rebellen nur dann erfolgreich unterdrücken, wenn der Spieler auf Dauer versucht die Rebellen durch Kleriker und Statthalter auszuschalten - und hier liegt ein wesentlicher strategischer Grundgedanke des Spiels. Da der Spieler
nicht in der Lage ist, unendlich viele Truppen/Marshalls aufzustellen, muss vor allem im Hinterland für Ruhe gesorgt werden. Eine Expansion in Europa wird also länger dauern, je mehr Gebiet der Spieler sein eigen nennt. Die Rebellen und Seperatisten sind dabei auf keinen Fall zu unterschätzen. Als Spieler ist es unmöglich große Gebiete mit begrenzter Marshall-Anzahl zu erobern und vor allem zu halten, wenn das Hinterland gegen Rebellen nicht gesichert ist. Vor allem Gebiete, die nicht zur eigenen Religion gehören und von Klerikern nicht bekehrt wurden, können einen hohen Risikofaktor darstellen. Bei aller Expansionslast zu Beginn des Spiels, wird das Spiel zunehmend fordernder, je
weiter es voranschreitet. Die Entwickler von KoH muss man in diesem Fall wirklich loben: stets muss der Spieler logistisch vorausplanen, selbst wenn bevorstehende Eroberungen noch so einfach zu bestreiten sein mögen.

Nun will ich auf einen weiteren Aspekt des Spiels zu sprechen kommen, der bei Konkurrenzprodukten wie LoR3 oder CK so gut wie nicht existent ist: Das Waren und Wirtschaftssystem. Prinzipiell läuft die gesamte Wirtschaftskette darauf hinaus, der Reihe nach die "königlichen Errungenschaften" zu ergattern.
Diese sind, wie z.b. "Zeitalter der Entdeckungen" Sonder"forschungen", die zusätzliche Boni im Königreich ermöglichen. Sind alle Errungenschaften ergattert, ist das Spiel unabhängig von der eigentlichen Europaeroberung gewonnen. Eine Errungenschaft wird für den Spieler dann zugänglich, wenn er alle Waren, die zu dieser Errungenschaft von Nöten sind, in seinem Königreich erhandelt oder selbst produziert. Diese Waren können beispielsweise Seide, Salz, Edelsteine, Fleisch, Leder etc. sein. Provinzen verfügen jeweils über eine bestimmte Anzahl von Ressourcen, die durch Gebäude in diese Waren umgewandelt werden können. Als einfachstes Beispiel: Salzvorkommen -> Bau einer Salzmiene -> Erlangung der Handelsware Salz. Da Provinzen nur eine Gewisse Anzahl von Gebäuden zulassen, ist einige Logistik
in der Produktionskette von Nöten, um das Spiel durch die Errungenschaften auch ohne unrealistische Europaeroberungen zu gewissen. So ist es durchaus möglich, dass manche Provinzen nur zur Produktion von Waren, und andere Provinzen nur zur Rekrutierung von Truppen dienen. Besonders interessant hierbei ist, dass ausgebaute Häfen in den Städten die Einfuhr exotischer Waren möglich macht, wie z.b. Edelsteine oder Zucker. Werden in einer bestimmten Zahl von Provinzen solche Häfen teuer ausgebaut, kann man diese
Waren auch völlig ohne Expansion in südliche/nördliche Länder durch Handel erlangen (Pro Hafen -> eine exotische Ware). Eingestellte Kaufläute ermöglichen neben dem Goldhandel (direkter Goldprofit) zusätzlich
die Einfahr nicht vorhandener Waren, die entweder wiederum direkt zu den Errungenschaften addiert werden, oder die Warenkette vereinfachen. Jeder Kaufmann, der zusätzlich durch Bücher ausgebildet werden kann, kann
jeweils nur eine einzige Ware einfühen. Das Spiel verdient von mir vor allem in dieser Hinsicht Lob, da das Wirtschaftssystem den Expansionsfaktor des Gesamtspiels wiederum etwas reduziert und es dem Spieler
auch möglich macht, auf alternativem Wege das Spiel zu gewinnen. Natürlich setzt ein funktionierender Warenstrom auch eine gewisse Expansion voraus, da nicht in jeder Provinz genügend Ressourcen vorhanden sind und eine alleinige Beschränkung auf Einfuhr von Waren nicht möglich ist. Die Warenkette selbst ist verhältnißmäßig komplex und erinnert ein wenig an die Anno-Reihe. Des öfteren habe ich mir trotz Pop-UP erklärungen die Frage gestellt, welche Waren ich für welche Gebäude benötige.
Zusätzlich erschwert wird das ganze dadurch, dass gewisse Ressourcen für das gesamte Reich, und andere nur für jeweils eine Provinz verfügbar sind. Der Ausbau der Städte erfolgt relativ simpelt. Gebäude können gebaut, dann jeweils durch große finanzielle Aufwändungen direkt erstellt, oder abgerissen werden - jeweils nach den Bedürfnissen, die der Spieler gerade hat (Waren/Truppen).



[Fortsetzung folgt: Spionage, Kreuzzüge, Diplomatie, Dynastie, Fazit]

arcain
01.10.04, 06:38
Ein nicht gerade entscheidender, aber troztdem nicht zu unterschätzender Fakor im Spiel, stellt die Spionage dar. Während bei LoR3 erst gar keine Spionage vorhanden ist und bei CK solche nur darin besteht einen
anderen Herrscher bei einem Attentat zu töten, stellt KoH eine Vielzahl von Möglichkeiten der Spionagenutzung bereit. Ein Spion kostet, wird er angeheuert, wie auch alle anderen Höflinge 1000 Gold. Auch wenn die
Nutzung von Spionen für das Spiel nicht dringend erforderlich ist und sich jeder selbst überlegen muss, ob er einen Spion oder lieber einen Marshall nutzt, kann ich allein für den Spassfaktor einen Spion nur dringend empfehlen. Was tut ein Spion nun direkt ? Zunächst einmal wird ein solcher auf ein anderes Königreich angesetzt, dabei ist völlig egal ob freundlich oder feindlich gesinnt. Infiltriert ein Spion ein anderes Reich, ergeben sich eine Vielzahl von unterschiedlichen Entwicklungen. Ein Spion kann entweder vom anderen Reich als Marshall, Kaufmann oder Statthalter eingesetzt werden. In ganz besonders seltenen Umständen kann es sich beim Bruch der Erbfolge sogar ergeben, dass ein Spion zum König aufsteigt (wir wollen an dieser Stelle einmal mehr
von fragwürdigem Realismus sprechen) und ihr einen Teil seines Landes von ihm einfordern könnt. Nun ergeben sich je nach Anstellung des Spions im infiltrierten Königreich unterschiedliche Optionen. Von der Aufwiegelung
einer feindlichen Stadt, bis hin zur Desertierung einer ganzen Armee ist vieles möglich. Vor allem in Kombination mit Feldzügen ist der kluge Einsatz eines Spions eine amüsante Sache - So ist mir beispielsweise ein Feldzug
nur deswegen geglückt (Nahrung der Truppe und damit die Moral waren auf ein bodenloses gesunken), dass ich eine Feindesarmee durch einen Spion zum Desertierung bewegte und damit widerstandslos die feindliche Stadt
belagern könnte. Spione haben die folgenden Möglichkeiten dem Spieler bei seiner Planung hilfreich zu sein:
Böses Geschwätz, Kreuzzug ablenken (bzw. gegen jemanden seiner Wahl richten), Friedensüberredung, Krone übergeben
(wie bereits erwähnt), Armeeaufstand anzetteln, Einmarschieren (falls euer Spion ein Rebellenanführer ist), Exkommunizieren (falls euer Spion ein Kleriker ist), Kreuzzug ausrufen (falls euer Spion den Papst infiltriert),
Krieg erklären (euer Spion erklärt einem anderen Reich den Krieg). Gebt ihr einem Spion keinen speziellen Infiltrierungsauftrag, so schützt er euch vor feindlichen Spionen. Wie bereits gesagt, sind Spione für das
Gewinnen eines Spiels nicht zwingend notwendig, aber sie sind hilfreich und machen das Spiel noch komplexer und vielseitiger. Ihre verwendung hängt ganz vom Spieler ab - ich jedenfalls nutze sie mit voller Inbrunst.
Wird ein Spion gefangen genommen, so habt ihr die Möglichkeit diesen zu foltern und damit seinen Auftraggeber herauszufinden (inklusive folgenloser Kriegserklärung auf Machtstellung und Beziehungen), ihn wie auch gefangene
Marshalls gegen Lösegeld freizulassen oder zu exekutieren (was sich nur empfiehlt, wenn ihr dringend den jeweilg belegten Höflings-Slot benötigt). Vor allem in Bezug auf die Kreuzzüge und im Vatikan sorgt der Einsatz von
Spionen für häufig hämisches Grinsen - Ein großer Pluspunkt im Vergleich zu CK oder anderen Mittelalterspielen, die solche Möglichkeiten erst gar nicht eröffnen.

arcain
01.10.04, 07:02
Nun will ich den Aspekt der Kreuzzüge etwas näher beleuchten und KoH hier vor allem direkt in Vergleich zu CK setzen. Die Kreuzzüge werden auf christlicher Seite, wie bei CK beim Vatikan bzw Papst ausgerufen. Da bei KoH zusätzlich islamische Länder spielbar sind, ersetzt der Djihad dort den Kreuzzug. Nun, wie läuft ein Kreuzzug bei KoH im Vergleich zur Konkurrenz CK ab ? Einfache Antwort: viel direkter. Ein Kreuzzug bei KoH besitzt stets ein direktes Angriffsziel und einen direkten Kreuzzugsanführer - also keine
allgemein ausgerufene Kreuzzugsära, wie bei CK. Kreuzzüge können direkt beeinflusst werden, indem man dem Vatikan Geldgeschenke macht und zusätzliche Kirchen baut oder die Errungenschaft "Kathedrale" freischaltet. In einem solchen Falle, wendet sich der Papst mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit an Euch, sollte es zum Ausruf eines Kreuzzugs kommen. Lehnt der Spieler einen Kreuzzug ab, so hat dies im Gegensatz zu CK fatale Folgen:sowohl die Machtstabilität im Königreich (die mit steigender Reichsgröße schwerer zu "erkaufen" ist) nimmt ab, als auch die Beziehung zu anderen christlichen Königreichen - zudem wird der König aus der Kirche exkommuniziert. Nimmt der Spieler den Kreuzzugsvorschlag an, so geschieht folgendes: Einer der Marshalls, mitunter auch der König selber, gehen nun mit einem Kreuzfahrerheer auf Kreuzfahrt. Dieser ist nicht steuerbar und verläuft vollkommen automatisch - lediglich die Kämpfe und Belagerungen kann der Spieler selber ausspielen. Kreuzzüge können je nach Ziel in einem völligen Desaster und im Aufreiben der Armee enden (bis hin zum Tod des Marshalls), oder darin, dass das Kreuzfahrerheer eine oder mehr Provinzen erobert. Fand der Kreuzzug direkt unter Leitung des Königs statt, gliedert sich das eroberte Land in euer Reichsgebiet ein. Falls nicht, und hier wiederum empfinde ich KoH durchaus als realistisch, okkupiert der führende Marshall das Land für sich. In diesem Fall kann sich der Spieler dazu entscheiden, das eroberte Land als Vasallenstaat mit hervorragender Beziehung einzusetzen. Ein Vasallenstaat bringt dem Spieler jedoch lediglich den Vorteil zusätzlicher Goldeinnahmen und eventuell, aber nicht zwingend, einen zusätzlichen diplomatischen Verbündeten. Im Vergleich zu CK sind die Kreuzzüge deutlich spannender und, man möge mich stragen, realistischer. Während der König in CK zumeist höchstselbst auf Kreuzfahrt geht, trifft es bei KoH meist einen der Heerführer, der dann völlig selbstständig den Zug ins gelobte Land antritt und dort seine Schlachten schlägt. Immer wieder ist es spannend zu verolgen, welchen Weg das Heer durch Europa nimmt und auf welche Widrigkeiten es trifft. Während beim Spielen von Crusader Kings Kreuzzüge meist lediglich ein notwendiges Übel zum Erlangen von Piety und kirchlichem Ansehen sind, betrachte ich bei KoH die Kreuzzüge durchaus als spassiges und spannendes Spielelement. Es ist nicht gerade häufig, dass Kreuzzüge mit hohem Gewinn verbunden sind - aber das waren sie in der Geschichte in den wenigsten Fällen. Für mich hätte KoH eher den Titel Crusader Kings verdient, als CK selbst. Man mag darüber streiten - ich persönlich empfinde es so.

arcain
01.10.04, 07:37
KoH zeigt sich als Strategiespiel dem Massengeschmack eher zugeneigt, als dies bei den bei uns so geliebten Paradox-Produkten der Fall ist. Die Folge ist, wie schon erwähnt, der große Expansionsfaktor im Spiel. Während bei Paradox-Produkten mit nachgelieferten Patches eine Welteroberung für den Otto-Normalspieler unmöglich bzw. sehr schwer gemacht wird (für einen Nebu natürlich kein Problem ;) ), setzt KoH ganz klar auf die Welteroberung-Karte.
Der Spieler muss für sich selbst entscheiden, ob die großen Vorteile des Spiels dieses "Defizit" ausgleichen oder nicht. Betrachtet der Spieler die historische Korrektheit als wichtiger, als alles andere, so wird er mit KoH definitiv kein Spiel für sich finden. Auch die Diplomatie ist der Welteroberung unterworfen: Jedes Königreich verfolgt lediglich ein Ziel: Die Eroberung Europas. Die Diplomatie ist dabei nur ein Mittel zum Zweck und muss als solches betrachtet werden. Stets ist es möglich, dass ein freundlich gesinntes Köngichreich im Verlauf einer guten viertel Stunde zum Erzfeind mutiert - je nachdem, ob man ihm gerade im Wege steht oder nicht. Trotz alle dem, besitzt KoH ein größeres
Diplomatiespektrum, als Lords of the Realm oder CK. Während letzteres sich vor allem auf das Vasallensystem stützt, fällt die Diplomatie zwischen Königreichen bei KoH vielseitiger aus. Möglich sind Ehebündnisse, Handelsabkommen, Nichtangriffspakte, Tribute, Landabtretungen und ähnliches. Zudem gibt ein Beziehungsbalken Aufschluss über das Verhältnis zwischen 2 Reichen bzw. ihren Königen. Auch wenn das Diplo-System der Welteroberung unterliegt, sind Bündnisbrüche etc. immer erklärbar. Beispielsweise bei Angriffen auf Bündnispartner oder ähnliches. Bisher ist es bei mir nicht vorgekommen, dass mir ein Königreich aus völlig unerklärbaren Gründen den Krieg erklärt hat. Es hatte immer einen Grund - auch wenn er im ersten Moment nicht sofort ersichtlich war. Beziehungen zu anderen
Reichen, kann man aktiv durch Geldgeschenke, aber vor allem passiv durch Kriege gegen andere Reiche verbessern. So bekommt man sehr häufig, Glückwünsche oder Warnungen, wenn man einen Feldzug gegen ein anderes Reich führt: Den Beziehungsbalken beeinflussen Kriege gegen bestimmte Könige positiv bzw. negativ mehr, als jede andere diplomatische Handlung. Sehr schnell kann man von allen Seiten aus angegriffen werden, erklärt man dem falschen Gegner den Krieg. Anders als bei CK sind Bündnisse oder gute Beziehungen zu anderen Reichen, die einen anderen Glauben haben, häufig - Ja, man kann sogar (leider) Ehepartner beim jeweiligen Ungläubigen Nachbarn finden. Auch dazu noch später mehr. Je nach Lage in Europa scheint es einfacher oder schwerer zu sein, gute Beziehungen zum Nachbar aufzubauen. So war es mir mit Burgund in kurzer Zeit möglich, das halbe christliche Europa auf meine Seite zu bringen, während ich mit den Wikingern in Norwegen und Schweden trotz massiver Geldgeschenke keinen Fuß auf diplomatischen Boden setzen konnte. Ich weiss nicht, ob dies wirklich einen Zusammenhang hat - es erschien mir jedenfalls höchst seltsam. Wiederum anders als bei CK (hiermit meine ich die per Patch nachgelieferten Allianzen), sind Bündnisse im Kriegsfall höchst nützlich. Auch wenn die KI teils massive Schwachpunkte hat (mehr dazu im Fazit), greift sie im Bündnisfall stets schnell ein. Positiv hierbei ist mir aufgefallen, dass man Bündnispartnern bei Belagerungen und sogar bei Feldschlachten beistehen kann und gemeinsam gegen den Feind zu Felde zieht. Aber auch hier zeigt sich die Eroberungslastigkeit des Spiels wieder massiv: Vereinigt man nur genügend Bündnispartner, um die feindlichen Marshalls abzulenken, ist man mit 2 oder 3 Heeren gleich durch das halbe Feindesland gestolpert und kann locker das gesamte Reichsgebiet in seinen Besitz bringen. Da das Spielprinzip wohl seitens der Entwickler nicht angetastet wird, hilft wohl nur Hausregeln aufzustellen - Ich persönlich erobere im Krieg stets nur eine Provinz des Gegners. Ansonsten hemmt der unrealistische Durchmarsch den Spielspass doch sehr. Negativ zu bewerten ist auch die teils sehr eigenartig reagierende Diplo-KI. So ist es kein Problem mit einem schwächeren Feind, gleich nach dessen bündnisbedingter Kriegserklärung, wieder Frieden zu schließen. Und dies im Abstand von einer halben Minute. Schade, dass, wie auch im eigentlichen Kampf, die KI in der Diplomatie diesbezüglich nicht mehr als solche bezeichnet
werden kann.

horgel
01.10.04, 10:29
Vielen Dank für diesen umfangreichen und tiefgehenden Review aus der Sicht eines 'Paradox-Spielers'.
Viele der von euch genannten negativen Aspekte liess schon die Demo erahnen. Schön finde ich, das Ihr auch eine Menge postiver Aspekte festmachen konntet. (Die Demo hatte ich ziemlich schnell leicht entsetzt von der Platte gelöscht).

Aber in der Summe scheint das Spiel wirklich eher für den schnellen Massenmarkt gemacht und wird wohl keine lange Fanbasis entwicklen zu können.
(Das von mir zum Schluss doch favorisierte Rome ist zwar auch Massenware, bietet aber einieges bisher ungesehenes und stellt seine Fähigkeiten so üppig zur Schau, das man eher bereit ist auf Hardcore-Historie ala EU zu verzichten

arcain
03.10.04, 00:14
Dynastie:

Der wohl schwächste Versuch eines Features im Spiel KoH im Vergleich zu CK dürfte das Dynastiesystem sein. Eine "Dynastie" für ein Königreich setzt sich aus dem Herrscher, seiner Frau und jeweils bis zu 3 Söhnen und 3 Töchtern zusammen. Stirbt der Herrscher durch Alter oder in einer Schlacht, so kann man mit einem männlichen Erben weiterspielen, den man zuvor im Diplomatiebildschirm ausgewählt hat. Ein komplexes Erbsystem a la CK gibt es bei KoH nicht, ganz zu schweigen von Stammbäumen oder ähnlichem. Einen partiellen Sinn macht das Dynastiesystem nur im Hinblick auf die Diplomatie - und auch hier nur unzureichend, wie ich finde. Söhne und Töchter können mit anderen Herrschern und deren Söhnen oder Töchtern verheiratet werden. Ob ein solcher Vorschlag gelingt, hängt allein von der Beziehung zu dem anderen König ab, nicht von der Reichsgröße, der Machtstellung oder der Religion(!). Nachkommen bringen zunächst kaum ersichtliche und sehr dürftig gehaltene Vorteile:
1. Ein Sohn kann innerhalb des Hofstaates eine Aufgabe übernehmen. Einziger Vorteil: Es muss niemand für Geld angeworben werden -> Geldeinsparung.
2. Verheiratet man den Sohn in ein anderes Königshaus, so kann man nach dem Tod des Herrschers einen Anspruch auf dessen Land erheben. Dies kann das Reich dann entweder ablehnen (schlechte Beziehungen und Krieg) oder annehmen. In letzterem Fall erhält man einen Teil des Landes. Welcher Teil genau, darauf kann man nicht einwirken.
3. Heiratet man in einen anderen Hof ein, so ist man an diesem Hof laut Handbuch "präsenter", was schlichtweg bedeutet, dass die Spione an diesem Hof ein wenig erfolgreicher agieren können und eine nicht ersichtliche Boni erhalten.
4. Verheiratet der Spieler seine Töchter, so erhält man ebenfalls Spionageboni und eine verbesserte Beziehung zu dem anderen Land. Das wars aber auch schon. Zudem verschwinden nach dem eigenen Tod die Verwanschaft im Äter des Spielsystems, denn wie gesagt kann man keinen Stammbaum oder die Verhältnisse anderer Könige und deren Verwandte abrufen.
Jede Persönlichkeit besitzt in KoH zudem spezielle Fertigkeiten, die mehr oder minder stark ausgeprägt sind (Diplomatie, Kriegsfähigkeit, Spionage, Handel). Dies kann man beachten, wenn man den Verwandten Aufgaben zuteilt, muss man aber nicht, denn eine beachtliche Auswirkung konnte ich nicht feststellen. Auch diese Dreingabe, die sich ganz offensichtlich CK zum Vorbild genommen hat, ist in KoH mehr als überflüssig und kann meiner Einsicht nach ausser Acht gelassen werden. Das gesamte Dynastiesystem fällt in die Kategorie: Nett, aber unnötig! Ein Vergleich zu CK ist also ebenso müßig. Beide Spiele können in der Hinsicht nicht wesentlich punkten, wie ich finde. Läuft es bei CK darauf hinaus, dass man wild in der Gegend herumklickt und teilweise Personen vom anderen Ende der Welt heiratet, nur um "gute" Nachkommen zu züchten (und dies überaus umständlich obendrein ist! Von wegen Mikromanagment) und hat das zwar überaus komplexe, aber völlig überladene Dynastiesystem so gut wie gar keine Auswirkung auf Diplomatie oder Beziehungen, ist das Dynastieprinzip in KoH wiederum viel zu simpel, um überhaupt ernst genommen werden zu können. Immerhin besitzt CK den starken Vorteil, dass es einen RPG-Faktor besitzt, der zulässt, dass man sich mit seinem Herrscher und dessen Verwandtschaft identifizieren kann. Bei KoH hat man dies offensichtlich versucht. Es bleibt aber bei einem Versuch, denn geglückt ist das keineswegs.

Als letzter Faktor in diesem hauptsächlichen Beiwerk-Feature ist die Antwort auf die Frage: Was passiert, wenn man keinen Nachkommen hat ? Laut Handbuch gibt es unter dem Hofstaat in einem solchen Fall zwistigkeiten, die bis zum Bürgerkrieg führen können. Bemerkt habe ich bei meinen wenigen Versuchen davon allerdings gar nichts. Es bliebt dabei, dass der König starb und plötzlich irgendjemand anders aus meinem Verwalterkreis das Krönchen aufgesetzt bekam. Ziemlich witzlos, denn es stellt das Dynastieprinzip vollkommen in Frage. Teilweise scheint es nicht einmal von Bedeutung, ob man seine Nachkommen überhaupt verheiratet: Etwas wie einen Bürgerkrieg, wie im Handbuch kurz erwähnt, habe ich nie beobachten können. Und bei der simplen Umsetzung des Dynastiefeatures kam es bei mir schon ein ums andere Mal vor, dass ich es vollkommen vernachlässigt hatte, überhaupt Heiraten zu arrangieren.

arcain
03.10.04, 00:35
Fazit:

KoH macht mir sehr viel Spass, mehr als dies CK tut. Das Spiel hat offensichtliche Schwächen und ist auch in der höchsten Schwierigkeitsstufe, trotz der zusätzlichen oben erwähnten Herausforderung, zu leicht. Ich hoffe, dass ein eingreifender Patch das Spiel etwas schwerer machen wird - Hoffnungen habe ich, denn im Sunflowers-Forum bin ich nicht der einzige, der die geringe Herausforderung bemängelt. Wie schon gesagt, ist KoH im Vergleich zu typischen Paradox-Produkten zu sehr auf Welteroberung ausgelegt. Jeder sollte sich selbst eine Meinung darüber bilden, ob dies ihn so sehr schockt, dass er die offensichtlichen Vorteile zu CK oder LoR2 und 3 nicht zumindest einmal ausprobieren will. Viele Dinge, die ich bei CK schmerzlich vermisst habe, kann mir KoH bieten: Eine vernünftigere und vor allem globalere Diplomatie, ein Handels- und Warensystem, einen besseren Ausbau von Städten, einen für mich überzeugenderen Kreuzzugsgedanken, ein umfangreicheres Kampfsystem, dass sowohl Belagerungen, unterschiedliche Truppen und Einheiten, sowie einen Taktikmodus (den ich bei CK und Paradox allerdings auch nie erwarten und gerne sehen würde). Zudem empfinde ich das Spiel als deutlich spannender, da im Vergleich zu CK keine großen Leerlaufphasen entstehen, in denen ich nur darauf warte, dass mein Prestige/Piety ansteigt, oder wieder einen Erben habe, den ich verheiraten kann.
Die Grafik ist sicher nicht auf dem neusten Stand, wie beispielsweise das nun erschienene RTW, aber ich persönlich ziehe eine schöne und schmucke 2d-Grafik, verspielte Animationen, einem 3D-Umfeld vor, bei dem ich stets das Gefühl habe in einem tristen und leeren Kühlhaus zu agieren. Sounduntermalung, Musik und Vertonung ist auf allerhöchstem Niveau und tut einen großen Teil zur Steigerung der Atmosphäre. Kritik an der Steuerung, die bei einigen Spielmagazinen geäußert wurde, ist für mich überhaupt nicht nachzuvollziehen. Wer ein gutes Strategiespiel spielen möchte, der wird nunmal einige Mausklicks mehr in Kauf nehmen müssen, als dies bei Actionshootern oder Warcraft der Fall wäre - aber hier bewerten die Magazine eben ziemlich subjektiv und unsinnig: Zielpublikum zwischen 10 und 15 Jahren.

Zusammenfassend ist KoH für mich, trotz vieler sicherlich vorhandener Schwächen, DAS Strategiespiel schlechthin, wenn es um den Zeitraum des Mittelalters geht. CK ist mir zu langweilig und zu simpel in seinen Handlungsmöglichkeiten, die Lords of the Realm-Reihe zu angestaubt und in jedweder Hinsicht unterlegen und MTotalWar war mir in Sachen Diplomatie und Wirtschaft nie hinreichend tiefgehend genug. Wer sich für Strategiespiele mit dem Fokus aufs Mittelalter im speziellen begeistern kann, der sollte KoH in jedem Fall eine Chance geben und es zumindest über die Demo hinaus einmal ausleihen und anspielen. Wenn die erste Welle der Euphorie in Sachen Rome sich wieder geglättet hat, sollte der ein oder andere dieses Forums vll. noch einen Blick auf dieses "Mainstream"-Produkt werfen ;)

gruss
arc

TheArchduke
03.10.04, 09:02
4. Verheiratet der Spieler seine Töchter, so erhält man ebenfalls Spionageboni und eine verbesserte Beziehung zu dem anderen Land. Das wars aber auch schon. Zudem verschwinden nach dem eigenen Tod die Verwanschaft im Äter des Spielsystems, denn wie gesagt kann man keinen Stammbaum oder die Verhältnisse anderer Könige und deren Verwandte abrufen.

Und das ist schlecht, weil? Entweder ganz oder garnicht, bei CK bekomme ich Kopfschmerzen von den ganzen Court.;)

arcain
04.10.04, 01:54
Nun ja, was ich am Dynastiekonzept von CK am ehesten kritisieren würde, ist nicht die Komplexität die dahintersteckt, sondern dass das System völlig überladen ist. Kopfschmerzen bereitet es mir vor allem, weil ich hunderte von Charakteren im Spiel habe, nicht mitbekomme oder verfolgen kann, wenn sich Herrschaftsstrukturen ändern oder ich mich durch dutzende von Wappen klicken muss, nur um etwas so banales wie eine ordentliche Heirat zu arangieren, die nicht einmal einen größeren Effekt auf das Verhältnis der Dynastien hat, zwischen denen die Bande geknüpft wird. KoH finde ich in der Hinsicht viel zu simpel und zu nichtssagend, CK ist unübersichtlich, überfrachtet und trotz der Überfrachtung prinzipiell für den Spielablauf in Europa nahezu bedeutungslos. Dazwischen müsste es einen Mittelweg geben ;)

gruss
arc

arcain
05.10.04, 01:08
Zugegeben, habe ich dieses Manko bei der Steuerung nicht berücksichtig. Ich muss allerdings dazu sagen, dass ich mich sehr schnell an die fehlende Zoom-Funktion gewöhnt habe, da man meistens hinreichend mit klicks auf Minimap, Portraits oder Seitenbuttons dorthin gelangt, wohin man wollte - ganz ohne zoomen :)

gruss
arc

Elvis
05.10.04, 13:16
Wenn die erste Welle der Euphorie in Sachen Rome sich wieder geglättet hat, sollte der ein oder andere dieses Forums vll. noch einen Blick auf dieses "Mainstream"-Produkt werfen ;)


Ich habe mich auch erstmal zugunsten von Rome gegen KoH entschieden (und für die Sims2, damit meine Verlobte nicht nervt, was aber ein Fehler war, weil sie das jetzt ständig an meinem neuen Rechner spielen will, wegen der besseren Grafik).

Das das Spiel zu leicht sein würde, hatte ich ja schon ausgiebig befürchtet und ich konnte mir auch nicht vorstellen, das dies im fertigen Spiel anders sein sollte. Die nicht vorhandene Pausenfunktion auf "schwer" ist eine schlechte Lösung um ein Spiel schwerer zu machen. Sie verhindert lediglich, das man Schlachten selber ausführt. KoH scheint kein schlechtes Spiel zu sein und würde es Rome nicht geben, hätte ich es mir sicherlich sofort gekauft. Vielleicht hole ich dies später noch nach, wenn mein Rome-Fieber abgeklungen ist. :)