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23.07.04, 08:18
Edle Herren!

Wie in dem Beitragstitel vielleicht ersichtlich, suchen wir "Relikte" die sich vom Kaiserreich, der Weimarer Republik oder dem Dritten Reich in Gesetzes- bzw. Steuertexte o.ä. der BRD "gerettet" haben.

Dinge die "kurios" bzw. damals sinnvoll erschienen, jedoch heutzutage immer noch gültig und eigentlich "überflüssig" sind.

Ein Beispiel um meine Frage etwas zu verdeutlichen liefern wir natürlich gerne:

- Sektsteuer: Wilhelm II führte die Sektsteuer 1902 ein, um den Bau der Hochseeflotte zu finanzieren.

Oliver Guinnes
23.07.04, 09:19
Nun ja, was jeder zu hören bekommt wenn er Jura für nicht Juristen hören muss.

BGB-Regelung zu Bienenschwärmen
Kranzgeld bei Auflösung eines Verlöbnisses

:gluck:

Ruprecht I.
23.07.04, 12:52
Verzeiht, werter Landschaftsbegrüner, aber diese Regelungen haben die letzten Jahre nicht mehr überstanden.

Aber generell kann man bei den meisten 'großen' Gesetzen fündig werden, da sie aus der Kaiserzeit stammen. Sehr vieles ist noch Orginaltext von damals, liest sich manchmal komisch, ist aber nicht überholt.
Ein Überbleibsel in der Systematik ist ganz interessant, wenn auch nicht vom Gesetzgeber. Der 'Schönfelder' ist bekannt? Das ist die wichtigste Gesetzessammlung, die Erstausgabe datiert irgendwann aus den 30ern.
Heute ist die Nr.1 das GG. Nr.20 das BGB.
Jetzt ratet mal, warum keine Nummern 2-19 drin sind?
Richtig, die alte Nr.1 war die Weimarer Reichsverfassung, die Nr.20 damals schon das BGB. Und dazwischen die ganze braune Soße...
Weil der Schönfelder eine Blattsammlung ist, deren Update durch Blätteraus- und Einsortiern stattfindet, wurde die Zählung auch nach 1945 beibehalten, nur eben unter Ausnahme der Nummern 2-19. Solcherart ist im wichtigsten Arbeitsgerät des dt Juristen immer noch ein Schatten des 3.Reiches...

Arminus
23.07.04, 13:02
Probiere's mal mit gesetzlichen Feiertagen:
Der 1. Mai als Tag der Arbeit aus dem 3. Reich.

Der Muttertag ist, glaub ich, auch ein Relikt aus NS-Zeiten.

Ruprecht I.
23.07.04, 13:06
Das mit dem 1.Mai stimmt nur zur Hälfte.
Zwar haben ihn die Nazis eingeführt, aber das war schon lange vorher eine Forderung der Arbeiter (-schaft/-vertreter). Die Nazis wollten sich bei den Arbeitern einschleimen, nachdem sie ihnen mal eben so ziemlich jedes Mitspracherecht weggenommen hatten.

Falke
23.07.04, 13:13
Die gute alte Sektsteuer zur Förderung der Marine, dem Kaiser sei Dank!

Ruprecht I.
23.07.04, 13:16
Nebenbei: heißt die so oder verbirgt sich dahinter die 'Schaumweinsteuer'?
Überflüssig ist die ganz und gar nicht, Geld braucht der Staat immer :D
Kurios aber die Erhebung: sie wird fällig auf alle Flaschen mit dem charakteristischen Verschluß, egal was drin ist :tongue:

Oliver Guinnes
23.07.04, 13:16
Verzeiht, werter Landschaftsbegrüner, aber diese Regelungen haben die letzten Jahre nicht mehr überstanden.

Arrgh! Erst vor 10 Jahren gelernt, und schon veraltet! :D

:gluck:

Arminus
23.07.04, 13:22
@Ruprecht: Das lief umgekehrt:

1. Mai: Das Regime verkündet den Tag der Arbeit.
2. Mai: Gewerkschaftsvertreter (~bosse heißen sie ja erst seit neustem) werden interniert.

Schon perfide sowas...

Ruprecht I.
23.07.04, 13:26
Ok, dann andere Reihenfolge, Punkt für Euch, aber der Hintergedanke bleibt der Gleiche.

Arminus
23.07.04, 13:31
@Ruprecht: Wollte nur mal klugscheissen :D

Zum Steuerrecht ist mir folgendes zu Ohren gekommen:
Anscheinend darf jeder Brauerei-Mitarbeiter pro Monat einen Kasten Bier steuerfrei von seinem Betrieb zusätzlich zum Lohn erhalten...


Das sind die Subventionen, die unserem Land wirklich schaden :tongue:

Ruprecht I.
23.07.04, 13:43
Völlig in Ordnung, werter Arminus, dieser Fehler unterläuft Uns so bald nicht mehr :D
Um Euren letzten Satz ein wenig die Ironie zu nehmen: es sind derartige Ausnahmeregelungen, die das Steuerrecht zu einem Dschungel haben verkommen lassen, und das schadet dem Staat wirklich.

Arminus
23.07.04, 14:08
Ich weiß, wenn schon die Vereinigung der Steuerberater (genaue Bezeichnung ist mir entfallen) über die Abstrusitäten des deutschen Steuerrechts jammern...

Und die verdienen ihr Geld damit!!! :wirr:

Naja ja, wie war das noch? 45% aller Gesetzestexte weltweit sind in deutscher Sprache verfasst. :rolleyes:

Ruprecht I.
23.07.04, 14:15
Die Zahl haben Wir vergessen, aber wenn man alle Gesetze, Verordnungen und Satzungen zusammenzählt, kommt schon eine stattliche Zahl dabei heraus.

Das ist aber nicht unbedingt negativ zu sehen.
Im angelsächsischen Recht gibt es vergleichsweise wenige gesetzte Rechtsnormen. Statt sich, wie bei uns, auf Paragraphen zu berufen, beruft man sich auf Präzedenzfälle. Daher hat man drüben mit einem teuren Anwalt tatsächlich mehr Chancen auf einen Sieg vor Gericht als bei uns. Jeder Depp kann ein Gesetz lesen, aber nur die teuren US-Anwälte können es sich leisten, Heerscharen von Helfern in die Bibliotheken zu entsenden, um einen passenden Präzedenzfall zu finden.
Unser Rechtssystem ist, ähm, ein wenig überbordend, aber dafür genießt man hier erheblich mehr Rechtssicherheit (in dem Sinne, daß Ergebnisse besser absehbar sind und nicht die Gerichte gegensätzlich entscheiden).

Verzeiht, das paßt nicht zum Thema, war Uns aber ein Bedürfnis.

Arminus
23.07.04, 15:06
Angelsächsisches Recht :frech:
Und kein einziges Zentrales Register haben die. Kein Handelsregister, kein Meldeamt, kein EC-System...

Ich weiß, was Ihr meint...

Hesse
23.07.04, 19:03
Ich glaube beim Branntwein gibt es auch noch so etwas aus der "alten Zeit". Entweder die Besteuerung oder die Vergabe der Genehmigung. Irgendwie habe ich da etwas im Hinterkopf, daß ich in Verbindung mit der Sektsteuer bringe....

Sir H. Dowding
23.07.04, 19:11
Ich könnte nur ein lustiges Relikt aus der Doppelmonarchie anführen:

Der Bundespräsident ist befugt uneheliche Kinder als eheliche Kinder anzuerkennen.

:lach: :D Totes recht, das wurde, wenn überhaupt, von Franz Josef I. angewendet.

Ruprecht I.
23.07.04, 19:19
Das ist keineswegs eine dumme oder unnötige Regelung. Zumindest solange uneheliche Kinder im Erbrecht benachteiligt werden (in Dtld erst seit einigen Jahren nicht mehr) hat das seinen Grund. Vermutlich sollte damit Vätern, die ihre unehelichen Kinder nicht anerkennen wollten, in den Allerwertesten getreten werden, um die Sprößlinge am Erbe teilhaben zu lassen.
Sind in Österreich heute uneheliche Kinder erbrechtlich gleichgestellt?

Sir H. Dowding
23.07.04, 19:24
Das ist keineswegs eine dumme oder unnötige Regelung. Zumindest solange uneheliche Kinder im Erbrecht benachteiligt werden (in Dtld erst seit einigen Jahren nicht mehr) hat das seinen Grund. Vermutlich sollte damit Vätern, die ihre unehelichen Kinder nicht anerkennen wollten, in den Allerwertesten getreten werden, um die Sprößlinge am Erbe teilhaben zu lassen.
Sind in Österreich heute uneheliche Kinder erbrechtlich gleichgestellt?
Also prinzipiell sind sie das schon dazu bitte dieses zu lesen: http://www.parlament.gv.at/pls/portal/docs/page/PG/DE/XXII/A/A_00152/FNAMEORIG_004632.HTML

Faktisch scheinbar nicht, wenn man der Seite trauen kann.

Ruprecht I.
23.07.04, 19:26
Nun, solange es nicht funktioniert, ist eine Anfrage beim Oberhäuptling für derartig Benachteiligte die letzte Hoffnung auf Gerechtigkeit.

Ruprecht I.
23.07.04, 19:30
Da fällt Uns allerdings eine rechtliche Absonderlichkeit der Eidgenossen ein. Die Schweiz dürfte wohl das einzige Land der Welt sein, das Absinth für derartig gefährlich hält, daß es das Verbot sogar in der Verfassung verankert hat.