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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Phantomzeit These



Agrippa
26.05.04, 12:13
Werte Herren,

Gerade lese ich in einer NG über eine Publikation eines Herrn Heribert Illig über die von Ihm getaufte "Phantomzeit These" nach der wir uns erst im Jahr 1703 nach Chr. befinden, da es 300 Jahre Mittelalterliche Geschichtsschreibung (angefangen bei Karl dem Großen) seiner Meinung nach nie gab bzw. Sie "nachträglich" eingefügt wurden...

Heribert Illig: Das Erfundene Mittelalter
ISBN: 3-548-36429-2

Nagut... ein Spinner, dachte ich... doch anscheindend sind es nicht nur Sensationshascher, die diese These aufgreifen und "verbreiten", sondern er soll wohl auch eine Reihe hochkarätiger Unterstützer haben. Bzw. es gibt andere Historiker, die dieselbe "Theorie" auf andere Zeiträume der Geschihcte anwenden.
z.B. schreibt Peter Schreiner in "Die byzantinische Geisteswelt vom 9. bis zum 11. Jahrhundert" folgendes:

"Tatsache ist, daß im Laufe eines halben Jahrhunderts fast sämtliche in Majuskel abgefaßten Texte in die Minuskel umgeschrieben wurden. .... Bereits um 900 entsteht - abgesehen von liturgischen Texten - kaum mehr ein Codex in der alten Schriftform.
Über die Durchführung dieser Arbeit besitzen wir keine einzige Information, sichtbar ist alleine das Resultat. Hypothetisch geht man davon aus, daß nur jeweils eine einzige Vorlage abgeschrieben und dann meist vernichtet wurde. dies erfordert allerdings eine Planung, Leitung und Zentralisierung, die schwer denkbar ist. Mit Sicherheit war eine große Menge an Kopisten tätig die (wie viele der exakt geschriebenen Codices zeigen) auch gute Kenntnisse in der klassischen Sprache hatten oder von gebildeten Spezialisten unterwiesen wurden. diese Tätigkeit geht, wie immer, still vor sich.
Seit diesem krassen Traditionsbruch sehen wir alles durch diesen Filter des 9. Jahrhunderts"

Was ist davon zu halten?
Ist es tatsächlich möglich, das die Geschichtsschreibung der Westlichen Welt und sogar bis Vorderasien 300 Jahre "erfunden" hat, bzw. Sie falsch interpretiert wurden?
Wie konnte diese These wissenschaftlichen Altersbestimmungen von Zeitzeugnissen standhalten?
Welchen Zweck könnte es für die mittelalterlichen Histoiriker gehabt haben einen großen Ahnen wie Karl den Großen zu erfinden?

Hier noch ein Essay zum Thema (http://www.lelarge.de/gegenwart.html)

Ich bin mir sicher, dass hier jemand mehr darüber weiss als ich. :D :D

Jorrig
26.05.04, 12:58
Bah, Verschwörungstheorien!
Wie erklärst du dann Datierungen mit der C14-Methode, die Artefakte aus den Jahren (oder älter) datieren? Einem physikalischem Gesetz glaube ich mehr als menschlicher Geschichtsschreibung.
Und ich persönlich kann mir einfach nicht vorstellen, dass sich ein ganzes Sortiment an Schreibern verschwört und ein paar Jahrhunderte dazuerfindet. Das gehört für mich ins Reich des Moon Hoax - und damit ins Reich der Phantasie!

Ruprecht I.
26.05.04, 13:15
Ist die C14-Methode denn bei so relativ knapp zurückliegenden Daten zuverlässig genug?
Soweit Wir Uns an frühere Diskussionen zu diesem Thema erinnern, wird immer die Schlacht am Talas (751, Araber gg Chinesen) als Argument gegen Illig geführt. Diese taucht nämlich in arabischen Chroniken (die man aufgrund der zahlreichen Verflechtungen mit Europa mit europ. Daten abgleichen kann), wie auch in chin. auf. Und letztere sind einerseits mehr oder weniger lückenlos und andererseits auch nicht von 'kirchlichen Verschwörern' geschrieben...
Da bleiben nicht viele Möglichkeiten, mal eben 300 Jahre einzuflechten ;)

Elias
26.05.04, 13:22
Das Geschichte auch immer ganz stark von der Zeit abhängt, in der sie betrachtet wird, ist denke ich unstrittig. Insofern verändert sich Geschichte auch ständig und häufig ist sicher nicht mehr ganz einfach später hinzu Gedichtetes von tatsächlich Geschehenem zu unterscheiden.
Aber das ganze Zeitalter im warsten Sinn des Wortes "erfunden" worden seien, halte ich für einen reißerischen Aufmacher zur Verkaufsförderung irgendwelcher Druckerzeugnisse.

Im Gegenteil, vieles was geschehen ist werden wir nie erfahren weil es nie niedergeschrieben wurde, oder verloren ging. Und vieles, was wir als Legende, Sage oder Märchen kennen, wird ursprünglich auf eine wahre Begebenheit zurück gehen.

Darum meine Gegenthese: Wir befinden uns bereits im Jahre 2.204, weil wir zwei Jahruhunderte einfach "vergessen" haben. :^^:

Von Krüscher
26.05.04, 13:24
Bah, erwähnt bitte nicht die Moon Hoax-Thematik, da stehen mir immer die Haare zu berge...

Aber zum Thema:
Ist die C14-Methode so genau? Ich hatte immer gedacht, man kann mit ihr nur auf das Jahrtausend genau schätzen oder noch gröber und wird eher von Paläontologen verwendet.

Das Jahrhunderte dazuerfunden werden, halte ich auch für schwachsinnig. Was sollte das den Erfindern bringen? Oh, vielleicht haben ja die Illuminaten ihre Gichtgriffel im Spiel... ;)

Das einige Dinge falsch interpretiert werden, halte ich dagegen schon für wahrscheinlicher. Wir wissen doch noch so wenig über unsere Vergangenheit.

EDIT: War mal wieder zu lahm. Meine Antwort bezieht sich weitgehend auf Jorrigs Aussagen. Daher auch die Redundanzen zu den beiden obigen Posts.

Ruprecht I.
26.05.04, 13:26
Völlig richtig, werte Heren.
Vielleicht kann Illig es einfach nicht verwinden, daß die wilden Horden, welche dafür sorgten, daß die Zivilisation erstmal in ein dunkles Loch plumpste, zT unsere Vorfahren waren :D . Da behauptet man lieber, daß es kontinuerlich weiterging, ohne Bruch.

the general
26.05.04, 14:00
Meines Erachtens nach völliger Blödsinn!

300 Jahrhunderte dazu erfinden! Warum sollte das jemand tun?? Und was für eine Arbeit das wäre da müßte ja die halbe Welt mitgemacht haben an der Verschwörung.

Einfach nur Schwachsinn....

Ruprecht I.
26.05.04, 14:05
Warum, wollt Ihr wissen? Cui bono, wer hat einen Vorteil davon. Denn irgendjemand hat immer einen solchen an Fälschungen. Die Kirche hat sich mit der 'Konstantinischen Schenkung' schließlich auch einen großen Kelch einschenken wollen. Und in 300 erfundenen Jahren könnte man wunderbar dutzende Herrscher einbauen, die nichts lieber taten, als die Kirche zu beschenken.
Und was die Reichweite angeht: europ. Quellen aus der Zeit sind sehr selten und nicht direkt an arabischen oder anderen damit verflochtenen zu messen. So schwer ist es also nicht.

Aber eben drum verwendet man in der Forschung auch chinesische Quellen, die in dieser Hinsicht unverdächtig sind.
Und entlarvt die Ideen des Illig als das, was sie sind: Hirngespinste.
Aber trotzdem sicherlich gut zu lesen. Wir vergnügen Uns auch immer mal wieder an Däniken und v.Butlar. Bisweilen einfach köstlich :D Man darf halt nur nicht vergessen, daß etwa soviel Wahrheit drinsteckt wie im Silmarillion :tongue:

Ruprecht I.
26.05.04, 14:49
Eine Frage, werter Westflügel. NG steht doch für National Geographic? In welcher Ausgabe ist denn dieser Artikel?

Imperativ
26.05.04, 15:00
Ein wirklich sehr schönes Thema und ich habe hier auch irgendwo einen sehr interessanten Artikel dazu rumliegen und werde ihn mal versuchen die Tage zu finden. Derweil müsst ihr mit meiner eigenen Meinung hierzu vorlieb nehmen und sie wird einigen hier vorgebrachten Thesen widersprechen.

Ich persönlich halte so eine Manipulation der "Zeit" (aus welchen Gründen auch immer) nicht nur für möglich, sondern vielmehr ist eben dies schon mehr als einmal durchgeführt worden. Wir haben ja bekanntlich das Jahr 2004, aber haben wir das auch wirklich?

Laut buddistischem Kalender sind wir bereits im Jahr 2547, im Islam schreiben wir hingegen erst das Jahr 1382. Ja und selbst die alten Römer würden unserem heutigen Jahr 2004 entgegen - "die Spinnen doch die Germanen, jeder weiß das wir das Jahr 2.758 haben." Aber wieso kann eine Zeitlinie alleine hierdurch schon drei Interpretationen erlangen? Ganz einfach, in diesem Falle setzten die drei Weltreligionen des Christentums, des Islam und des Buddismus einfach elementare Ereignisse ihrer Theologie als Beginn ihrer Zeitrechnung an. Im Fall der Buddisten den Tode Budas im Jahre 543 v.Chr., im Islam die Übersiedlung Mohammeds von Mekkah nach Medinna im Jahre 622 und das Christentum wich von der römischen Zeitrechnung ab urbe condita (Gründung Roms im Jahre 754 v.Chr.) und begann die Zeitrechnung einfach mit der Geburt Christi bei Null. Im Hinduismus gibt es sogar drei Zeitrechnungen und diese Beispiele lassen sich noch beliebig fortsetzen.

Also wer sagt das diese These von den erfundenen 300 Jahren nicht wahr sein könnte? Schließlich haben wir mit unserer heutigen Zeitrechnung ja auch einfach 754 Jahre "unterschlagen".

Und zur Bestimmung mit der C-14 Methode.

Dieses Argument greift nicht im Geringsten da man mit der C-14 Methode zwar das Alter eines Gegenstandes bestimmen kann, dessen Datierung aber von der aktuellen Zeitrechnung abhängt. Sprich, ein 1.000 Jahre alter Gegenstand wäre nach unserer Zeitrechnung also aus dem Jahre 1004, nach dem Islam aber bereits aus dem Jahre 382 und im Buddismus wäre er erst aus dem Jarhe 1547. Einem tausendjährigen Artefakt wäre es auch egal ob es nun aus dem Jahre 1004 oder dem Jahre 704 stammt, es wäre nach wie vor 1.000 Jahre alt, nur wir würden es eben anders interpretieren.

Ruprecht I.
26.05.04, 15:10
Die verschiedenen Ansätze für Zeitrechnungen sind aber auch den Forschern hinlänglich bekannt. Und Dokumente aus verschiedenen Kulturen werden eben entsprechend 'umgerechnet'.
Gerade deshalb ja (mal wieder) die chinesische Quelle zur Schlacht am Talas. Wir wissen aus ihr: Jahr x. Wir schauen nach, wann es die arabischen Chronisten verzeichnen: Jahr y. Die arab. Chroniken und die europäischen sind vielfach verwoben, also kann man weiterrechnen: christliche Zeitrechnung Jahr 751. Und dann schaut man weiter: lückenlose Chronik soundsoviele Jahre nach vorne wie hinten. Die arab. Chronisten hätten einen event. Betrug der kirchl. Schreiberlinge wohl kaum mitgetragen, also kann man diese (natürlich immer mit dem nötigen Vorbehalt) als wahr unterstellen. Dann vergleicht man wieder mit europ. Quellen und sieht: aha, da und da und da Übereinstimmungen, mit den Jahren kommt das alles hin, wo sollen da denn ganze Jahrhunderte 'eingeschmuggelt' worden sein?
Daß bei Umrechnungen, Kalenderreformen etc immer mal wieder Fehler vorkommen, ist klar. Aber gleich 300 Jahre? Halten Wir für eher unwahrscheinlich.

Agrippa
26.05.04, 15:13
Eine Frage, werter Westflügel. NG steht doch für National Geographic? In welcher Ausgabe ist denn dieser Artikel? Nein Herr, NG steht für NewsGroup :D :D
In meinem Fall de.alt.sci.geschichte.

Ruprecht I.
26.05.04, 15:23
Ach, schade :D
Nuja, Komphuter-Dummie, der Wir sind, dachten Wir an Altmodischeres ;)

Carl the Great
26.05.04, 15:49
Die C14-Methode ist bis auf ca 16 Jahre genau durchzuführen, je nachdem woraus der Gegenstand besteht und wo er lagerte auch genauer.
Eine andere Methode, die jedoch in diesem Zusammenhang einleuchtender ist, ist die Dendrochronologie, bei der man die Jahresringe von Bäumen untersucht. Diese dendrochronologischen Tafeln sind inzwischen lückenlos mehrere tausend Jahre zurückzuverfolgen und das auch über Kontinental-Grenzen hinweg.
Die Querverbindung zwischen den Geschichtsschreibungen verschiedener Kulturkreise sind ebenfalls kaum von der Hand zu weisen.
Unterschiedliche Datierungsansätze (Christen, Buddhisten, Moslems, etc.) haben mit der von Illig aufgestellten These allerdings so gut wie nichts zu tun, da jeder Startpunkt einer Weltchronik mehr oder weniger willkürlich ist.

Imperativ
26.05.04, 16:19
Da stimme ich Karl dem Großen (womit seine Existenz ja bewiesen ist da er ja eben gepostet hat :D ) vollkommen zu.

Ich behauptete nie das ich ein Anhänger dieser These von Herrn Illig war, denn ich persönlich empfinde das seine Äußerungen eine geeignete Alternative schuldig bleiben. Allerdings gehöre ich zu den Menschen die nichts einfach als unmöglich oder schwachsinnig verwerfen, denn gerade das Unmöglichste ist meist das Logischste. ;) Auch wollte ich mit meinen Datierungsansätzen nicht im Geringsten die These des Herrn Illig untermauern, sondern lediglich die Zeit als von Menschen nur allzugerne manipuliertes Opfer darstellen. Die Zeit ist ein Namens- und Definitionsloses "Gebilde", erst wir Menschen drängen es in einen Käfig den wir dann Zeitrechnung, Chronologie oder sonstwie nennen.

Wenn es interessiert, hier mal etwas Lesestoff.

Link (http://www.jesus1053.com/l2-wahl/l2-autoren/l3-Uwe-Topper/Topper-Inhalt.html#4)

Ob und welche Schlüsse der Einzelne daraus zieht ist natürlich dem Einzelnen überlassen.

Sir H. Dowding
26.05.04, 16:20
Die verschiedenen Zeitrechnungen gehen ja jedesmal nur von einem bestimmten anderen Datum aus, unterschlagen aber keineswegs einfach Jahrhunderte. Auch die chirstliche Zeitrechnung, die ja die jüngste ist, unterschlägt nicht die Gründung Roms, sondern setzt einfach ein "vor Christus" dahinter und kommt damit auf den selben zeitlichen Abstand wie die römische Zeitrechnung.

Wem nützt es, ja das ist die frage: mal abgesehen von der, meiner Meinung nach Undurchführbarkeit des 300 Jahre Klaus, bleibt die frage nach dem wieso bestehen. Ein Ansatz war, dass die katholische Kirche hier ihre Finger im Spiel hatte, um sich irgendwelche Vorteile zu erschreiben. Welche großen Vorteile sind denn in diesen Jahren für die katholische Kirche entstanden?

Der größte Zeitraum, der bei einer Kalenderreform jemals verschwunden ist, ist meiner Erinnerung nach 14 Tage oder maximal ein Monat (Umstieg julianischer auf gregorianischen Kalender).

Ansonsten halte ich das eigentlich für eine reißerische Aufmachung, die ziemlich unhaltbar ist. Es würde doch voraussetzen, dass sämtliche chronisten dazu schweigen und dies auf Weisung des Papstes oder irgendeines Kapos machen. Halte ich für unwahrscheinlich bis abwegig.

Imperativ
26.05.04, 16:29
Nun der Nutzen, da gibt Herr Illig unter anderem Folgendes an.

"Ist es ein Zufall das im heiligen Jahr 2000 (2.000 Geburtstag von Jesus) auch das 1.200 Krönungsjubiläum von Karl dem Großen ist?"

Diese Unterschlagung der 300 Jahre versucht er dann recht erfindungsreich mit Unstimmgkeiten in Chroniken, bei Bauwerken usw. zu "belegen". Allerdings frage ich mich auch, wie wohl einige andere ebenso, wie eine solche Fälschung durchzuführen sei.

Diese Abstimmung mit dem Islam halte ich da schon für zu hochgeschlossen, denn diese Fälschung wäre schon auf "kleinere Ebene" gescheitert. Man hätte ja nicht nur sämtliche Herrscherlisten umschreiben, sondern auch sämtliche Urkunden usw. fälschen müssen. Ja selbst die Münzen hätte man "herstellen" lassen müssen.

Kurz, mir würde wirklich niemand einfallen der zu dieser Zeit die Macht und die Mittel gehabt hätte um eine Schwindel dieses Ausmaßes in die Tat umzusetzen.

Basileios II
26.05.04, 16:38
300 Jahre erfundene Geschichtsschreibung? Wie soll dies denn zu bewerkstelligen sein; da müßten ja alle Geschichtsschreiber von Cordoba bis Isfahan unter einer Decke gesteckt haben und eine riesige Verschwörung in Gang gesetzt haben.

Allerdings, warum sollte Ostrom bei dieser Kabale mitgewirkt haben und seine Blütezeit erfunden haben, jedoch auch Katastrophen wie das Große Schisma von 1054 und die verheerende Niederlage von Manzikert 1071?
Oder war der Vierte Kreuzzug gar eine von der Katholischen Kirche angeleierte Vertuschungsaktion, gingen doch in der Plünderung Konstantinopels unermesslich viele Dokumente der Antike, sowie die wohl "akkuraten" Aufzeichnungen der Byzantiner verloren.

Fest steht nur, daß ich mir wohl einen neuen Nickname suchen muß, denn laut diesem Scharlatan Illig (übrigens nur ein Hobby-Historiker) kann es den hochverehrten Basileios II. auch nicht gegeben haben.

Ruprecht I.
26.05.04, 16:40
Die Frage wäre weniger, hätte man es so machen können, daß die heutige Welt es glaubt, sondern eher die damalige.
Vergesst nicht, fast niemand konnte lesen oder schreiben oder war auch nur über Vorgänge in 50km Entfernung informiert. Wenn da einer kommt und einen Wisch hochhält 'der gnädige König hat im Jahre des Herrn xxx dem Orden des heiligen Benedictus zu yyy folgendes ... übereignet', dann will ich den sehen, der sagt: 'hallo, so 'nen Keenisch hawwe mir nie ghabt'. Und jetzt muß es nur zufällig dieser Zettel sein, der die Jahrhunderte überdauert...
So können schon relativ 'kleine' Lügen bis heute überdauern. Und da gerade über diesen Zeitraum extrem wenig schriftliches erhalten ist, erst recht.
Eine 'Abstimmung' mit dem Islam ist nicht nötig. Für die damaligen schon gar nicht, als 'Beweisführung für heute auch nicht, da man immer behaupten kann, das man eben aufgrund der anderen Zeitrechnung jeweils 300 Jahre abziehen muß, dann paßt schon alles wieder. Wenn in einer arab. Chronik ein bestimmtes Jahr steht, ist es für die europ. Chronik reichlich wurscht, ob jetzt 300 Jahre mehr oder weniger draufzuschlagen wären. Der Rest ist perfekt stimmig.
Gerade deshalb ist es so wichtig, eine Quelle zu haben, die man problemlos datieren kann, unverdächtig ist und auch nicht mit mannigfaltiger Verflechtung sozusagen mit in den Sumpf gerissen wird.
Wir wollen damit nur sagen, daß prinzipiell eine solche Fälschung möglich gewesen wäre. Daß es aber hierbei keine gab, wurde, wie Carl schön zeigt, auf diverse Arten schon belegt.

Sir H. Dowding
26.05.04, 16:52
"Ist es ein Zufall das im heiligen Jahr 2000 (2.000 Geburtstag von Jesus) auch das 1.200 Krönungsjubiläum von Karl dem Großen ist?"


Ist das der einzige Grund, den er anführt? Das ist doch ein Witz! Es ist ja nicht einmal sicher, dass Christus nicht vier vor Christus (so blöd das klingt) geboren wurde, demnach wäre das Krönungsjubileum also 1204 Jahre nach Jesu Geburt und der Zahlenzauber beim Teufel. Karl der Große war sicher auch froh darüber in einem geraden Jahr gekrönt zu werden und hat auch nicht daran gedacht ein Jahr zu warten, nur damit in 1201 Jahren ein Hobby-Historiker kein Buch über ihn schreibt, in dem seine existenz angezweifelt wird.



Vergesst nicht, fast niemand konnte lesen oder schreiben oder war auch nur über Vorgänge in 50km Entfernung informiert.

Die Leute waren doch aber auch keine Dorftrottel und städtische beamte oder Mönche wären sehr schnell draufgekommen, dass der König XY nie existiert hat. Und es waren auch nicht alle nur im 50km-Radius informiert. König Richard Löwenherz wurde bei auf der Durchreise vom Heiligen Land nach England in Wien gefangen genommen, als er eine Kneipe besuchte. (Da hat Österreich sich ordentlich Lösegeld erpresst, hehehe) Er wurde also sehr wohl erkannt.
Basileios hat da auch einen sehr wichtigen Aspekt angesprochen. Die auseinandergehenden Interessen hätten es nicht zugelassen, dass einfach 300 Jahre erfunden worden wären. Und so wenige Aufzeichnungen gibt es auch nicht. Die meisten Städte hatten Chroniken, verschiedene Kanzleien, Klöster, etc.

Ruprecht I.
26.05.04, 16:56
Wir möchten es mal mit einem Bild versuchen.
Die islamische Zeitrechnung nehmen wir als ein Lineal.
Die christliche auch.
Nun befestigen wir das islamische an einigen Stellen am christlichen (das sind die Ereignisse, die in Chroniken auf beiden Seiten stehen).
Für das christliche haben wir in der Zeit wenig schriftliches, also können wir das Lineal heben oder senken, wie wir wollen (um mehr oder weniger Jahre verstreichen zu lassen).
Für das islamische Lineal macht das keinen Unterschied, es bleibt in sich völlig schlüssig. Nur das christliche ändert einige Zahlen.
Die Verschieberei (also Zahlendreherei) muß nicht mal eine 'große Verschwörung' sein, es reichen viele kleine lokale Lügen, wie oben genannte, die dann ungeprüft von anderen Mönchen wieder in ihre Chroniken eingebaut werden. Und insgesamt schaukelt es sich auf.
So könnte es passieren, daß das christliche Lineal also woanders liegt, als es sollte, während andere, die damit verbunden sind, in sich keine Änderungen haben.
Aber jetzt nimmt man ein weiteres Lineal, das nur mit dem islamischen verbunden ist, und dessen korrekte Lage wir definitiv kennen. Dann sieht man, ob am christlichen 'gewackelt' wurde.
Was nicht der Fall ist, wie man weiß.
Die byzantinische Geschichtsschreibung ist allerdings ein starker Einwand. Diese geht ununterbrochen weit zurück. Da müßte man, wenn man wollte, schon ziemlich biegen.

Edit: SirD, für das Hochmittelalter habt Ihr recht, aber der fragliche Zeitraum ist das frühe Mittelalter. Da findet Ihr außerhalb des byzantinischen und moslemischen Gebietes nicht mehr viele Leute, die man auch nur einigermaßen als gebildet bezeichnen könnte, und Städte fast gar keine. Für das fränkische Reich zB wird man wohl nur wenige Tausend schreibkundige Mönche finden, und das war's auch schon.

Carl the Great
26.05.04, 16:58
Die Gregorianische Kalenderreform führte zu einer Auslassung des 5.-14. Oktober 1582, es waren also 10 Tage, die einfach wegfielen. Auf den 4.10. folgte der 15.10.1582. :)

Sir H. Dowding
26.05.04, 17:04
Euer Bild macht es verständlich, was ihr meint, aber wie gesagt konnte man die christliche Geshichtsschreibung nicht einfach herumheben oder nicht. Es gab eben nicht wenige schriftliche Aufzeichungen. Allein die Kreuzzüge sind von allen drei Seiten gedeckt, und wie ich schon sagte sind die Chroniken keineswegs unvollständig oder Einzelerscheinungen.
Wenn chronist A in stadt X ein ereignis ins Jahr 903 verlegt, so würde der Vergleich mit chronisten B und C aus den Nachbarstädten Y und Z zeigen, dass es im Jahr 888 stattfand. Und auch wenn die chronisten B und C sich an diesem Komplott beteiligen würden, so wären da jeweils vier städte oder Klosterchroniken, die anderes behaupten würden. Fehler wären also regional begrenzt, auch wenn sie unabsichtlich passiert wären.

Sir H. Dowding
26.05.04, 17:05
Die Gregorianische Kalenderreform führte zu einer Auslassung des 5.-14. Oktober 1582, es waren also 10 Tage, die einfach wegfielen. Auf den 4.10. folgte der 15.10.1582. :)

Na sogar noch weniger, allerdings fielen in Russland 1917 doch mehr Tage aus. (Oktoberrevolution fand doch im November statt) Wisst ihr da genaueres?

Ruprecht I.
26.05.04, 17:11
Wie schon oben im Edit beschrieben: Ihr habt recht, soweit Wir 4stellige Jahreszahlen haben. Aber für den Zeitraum des frühen Mittelalters, also ab dem Fall Roms 476 und, sagen Wir, die Wikingereinfälle, ist wirklich nicht viel da. Geschichtsschreibung lief so ab, daß ein Chronist am Ort etwas in eine Liste schrieb, ein fahrender Mönch diese dann kopierte und daheim mit seiner ergänzte etc. Kurz: Wir haben keine 'Weltchronik' von damals, sondern immer nur regionales Stückwerk. Kein großes Komplott, sondern uU eine ganze Reihenfolge von örtlichen Schiebereien und, ganz schlicht, Irrtümern. Bzw, wir haben sie nicht.

Irgendwie witzig, worum wir uns hier streiten, wenn wir doch absolut einer Meinung sind, daß eben KEINE Fälschung(en) stattgefunden hat/haben :D

Carl the Great
26.05.04, 17:11
Die Abweichung von Julianischem zu Gregorianischem wurde über die Jahrhunderte natürlich immer größer. So waren es im Jahre 1917 eben keine 10 sondern inzwischen 13 Tage. ;)

Sir H. Dowding
26.05.04, 17:20
Wie schon oben im Edit beschrieben: Ihr habt recht, soweit Wir 4stellige Jahreszahlen haben. Aber für den Zeitraum des frühen Mittelalters, also ab dem Fall Roms 476 und, sagen Wir, die Wikingereinfälle, ist wirklich nicht viel da. Geschichtsschreibung lief so ab, daß ein Chronist am Ort etwas in eine Liste schrieb, ein fahrender Mönch diese dann kopierte und daheim mit seiner ergänzte etc. Kurz: Wir haben keine 'Weltchronik' von damals, sondern immer nur regionales Stückwerk. Kein großes Komplott, sondern uU eine ganze Reihenfolge von örtlichen Schiebereien und, ganz schlicht, Irrtümern. Bzw, wir haben sie nicht.

Irgendwie witzig, worum wir uns hier streiten, wenn wir doch absolut einer Meinung sind, daß eben KEINE Fälschung(en) stattgefunden hat/haben :D

Aber mein lieber Herr, wir streiten doch nicht! Dies ist doch eine gepflegte Unterhaltung ;)
Ja, für die regionalen Ereignisse gilt was ihr sagt, aber Karl den Grossen unter den Tisch fallen zu lassen? Auch wenn sich jemand verschreibt? Das war immerhin der königliche Hof und da gibt es doch genug Quellen. Ob der Graf von irgendwo zwei Frauen oder eine hatte, oder wieviele uneheliche Kinder, dass liegt sicherlich im Dunkeln, wenn ein schusseliger Chronist hier seine Chroniken verschmiss.

13 Tage, also war meine erste Zahl gar nicht mal so schlecht! :D

Ruprecht I.
26.05.04, 17:26
Wenn wir bei Karl sind, könnte man freilich argumetieren, daß die, öhm,'Modifizierung' der Chronik in Rom ihren Anfang nahm. Freilich müßte sich jetzt mal jemand drüber hermachen, was Rom für Vorteile hätte... Ein (westlicher) Kaiser, der nur durch päpstliche Salbung ein solcher wird? Der damit vielleicht sogar in gewissem Rahmen willfährig sein wird? Klingt doch schon mal nicht schlecht. Solche Geschichten als Wink mit dem Zaunpfahl an die Herrscher wäre doch ein Anreiz. Daß dieser Mensch in keiner anderen Chronik auftaucht macht nix, diese kleinen Klöster haben doch immer ihre Lücken, und vielleicht war der Kaiser eben niemals dort? Diese 'Fehler' können nach und nach behoben werden, wenn wandernde Mönche dieses 'vergessene Kapitel' erzählen. Und nach schlappen 1000 Jahren steht in jeder noch so kleinen Ortschronik 'der große Karl nächtigte in diesen Mauern und vernaschte 3 Spanferkel, 10 Bierhumpen und 5 Jungfrauen in einer Nacht' oder so ähnlich :D

Hesse
26.05.04, 19:28
Ich habe das Werk des Herrn Illig auch mal als Sonderangebot erstanden. Es ist recht interressant zu lesen, was der Herr sich da ausgedacht hat.

Meiner Ansicht sollte man solche Thesen nicht von Anfang an als Schwachsinn abtun, da man ja sieht, daß es nicht ganz sooo einfach ist diese Thesen zu widerlegen.

Vielmehr fördert diese These eigentlich nicht zu Tage, ob Karl existiert hat oder nicht. Eher wird bewußt, daß es Geschichtsfälschungen gegeben hat und daß diese auch im größeren Maßstab stattgefunden haben können. Mein Augenmerk liegt bei der katholischen Kirche, aus deren Reihen viele Chronisten dieser Zeit stammen. Man bedenke, daß die Kopisten und schriftätigen Mönche eigentlich die geistliche Elite dargestellt haben. Diese sind durchaus durch die zentrale Gewalt Roms gesteuert und somit ist es für mich plausibel, wenn 50 Jahre später mal einige Urkunden abgeändert wurden, um einen Anspruch durchzusetzen. Gerade weil die meisten Menschen nicht lesen und schreiben konnten. Selbst viele Adlige waren ja nicht des Lesens und Schreibens mächtig (wird ja bezüglich Karl des Großen auch behauptet).

Ich glaube daher weniger, daß man einen ganzen Karl den Großen oder ganze 300 Jahre erfunden hat. Dazu gibt es zuviele Gegenbeweise. Aber daß man die Herrschaftszeit Karls des Großen ausgeschmückt und vielleicht einige Urkunden und Berichte gefälscht hat, liegt meiner Ansicht nach im Bereich des Möglichen. So gesagt glaube ich schon, daß die katholische Kirche gerne mal die Geschichte zu ihren Gunsten verbogen hat und daß nicht alle Chronisten die reine Wahrheit geschrieben haben. Solange man keine eindeutigen 100 % Nachweise liefern kann, die etwas tatsächlich beweisen, kann man nur mehr oder weniger daran glauben. Für mich gibt es in der Geschichtsforschung kein richtig oder falsch. Dazu ist die Wissenschaft zu ungenau. Es gibt eine herrschende Meinung, und Mindermeinungen. Herr Illig geht wohl in seiner These weit über das Zeil hinaus. Aber so hat er wenigstens mal einigen Professoren vor den Karren gepullert und vielleicht hier und dort mal eine Diskussion und ein Überdenken der allgemeinen Lehrmeinung in Gang gebracht. Denn viel zu oft wird einer Urkunde oder einem Chronisten vertraut, nur weil ein Siegel daran klebt oder es nach der C-14 Methode in den groben Zeitrahmen paßt.

Man denke an die Bibel. Sie wurde Jahrzehnte nach dem Tod von Jesus geschrieben (falls er überhaupt existiert hat) und manche Glauben noch 100 % daran, daß es Tatsachen- und Augenzeugenberichte sind :D.

Ketzerische Grüße,

Hesse

PS.: Als Si-Fi Autor wäre Herr Illig wirklich Klasse: "Die erfunde Brotzeit - Die fehlende Stunde in Bayern" ;).

Ruprecht I.
26.05.04, 19:39
Wer hätte gedacht, daß ein Kurpfälzer mal einem Hessen so 100%ig zustimmen muß :D
Wie gerade die kath. Kirche auf Deibel komm' raus gefälscht hat, zeigt ja die schon angesprochene 'Konstantinische Schenkung'. Wird eigentlich die 'Pippinsche Schenkung' allenthalben anerkannt oder gibt es auch diesbezüglich Zweifel?

Carl the Great
26.05.04, 21:25
Urkunden fälschen und Jahrhunderte erfinden hat natürlich verschiedene Qualitäten.
Diesbezüglich untersuchte in letzter Zeit ein Bonner Geschichtsprofessor, Theo Kölzer, etliche merowingerzeitliche Urkunden und stellte fest, dass zwei Drittel der Urkunden gefälscht waren. Eine durchaus beachtliche Zahl, die sich, natürlich kontinuierlich sinkend, mit Sicherheit auch auf folgende Perioden anwenden lässt.

Ruprecht I.
26.05.04, 21:27
Naja, aber womit wollt Ihr erfundene Jahrhunderte glaubhaft machen, wenn nicht durch Urkunden über die angeblichen Geschehnisse in dieser 'Zeit'? ;)
Ob es später wirklich weniger gefälschte Urkunden gab? Oder ob es nur einfach schwerer zu entdecken war, weil besser gemacht? :D

Carl the Great
27.05.04, 01:20
Da habt ihr mich falsch verstanden, werter Ruprecht. Die zwei Drittel gefälschten merowingerzeitlichen Urkunden waren eben nicht merowingerzeitlich sondern von späteren Geistlichen (zumeist Mönchen) in diese Periode datiert. Und für das Hochmittelalter war das eben dann nicht mehr ganz so einfach. ;)

the general
27.05.04, 09:48
Ich habe ja nicht gesagt das keine Fälschungen betrieben wurden und gerade bei der katholischen Kirche der damaligen Zeit muss man aufpassen das man nicht nachträglich von ihr verarscht wird, wenn ich das mal so sagen darf, aber 300 Jahre dazu erfinden ist meines Erachtens nach blödsinn.

Fälschungen um Besitzansprüche durchzusetzen oder um den Adel nachweisen zu können oder sonst sowas halte ich nicht für unmöglich sondern sogar für eine häufig benutzte Methode um hm vielleicht einen Krieg heraufzubeschwören den Machthungrige Herrscher brauchen um sich zu rechtfertigen.

Das Dokumente gefälscht wurden ist ja nicht neu und gab es auch schon bei den Römern, ist ja heute noch genauso das Personalausweise oder sowas gefälscht werden oder Besitzurkunden oder sowas.

Aber 300 Jahre dazu erfinden?? Glaub ich nicht. Dann müsste ja praktisch in jedem Ort und jeder Stadt neue Dokumente entstehen. Äh öh oder auch nicht sonst gäbs ja welche, aber sie gibt es nicht oder zumind. nicht so zahlreich.

Ach das verwirrt mich noch mehr als ich sowieso von Natur aus verwirrt bin. Lassen wir das lieber :rolleyes:

Ruprecht I.
27.05.04, 11:25
Da habt ihr mich falsch verstanden, werter Ruprecht. Die zwei Drittel gefälschten merowingerzeitlichen Urkunden waren eben nicht merowingerzeitlich sondern von späteren Geistlichen (zumeist Mönchen) in diese Periode datiert. Und für das Hochmittelalter war das eben dann nicht mehr ganz so einfach. ;)
Na gut, dann packen Wir eben 300 Jahre drauf, dann paßt das wieder :D
Hättet Ihr vielleicht einen interessanten Link zu dem Thema?

Elvis
27.05.04, 14:46
Erinnert mich irgendwie alles ein bischen an das Buch "1984" von George Orwell.

Ruprecht I.
27.05.04, 14:47
Pscht, Freunde, Big Elvis is watching us! :D

A. Lincoln
27.05.04, 16:28
Erinnert mich irgendwie alles ein bischen an das Buch "1984" von George Orwell.

Ihr meint wohl "1694" :wirr:

Der Eldermann
27.05.04, 17:37
Zur "Theorie der Verschwörungstheorien" sollte es einige Publikationen geben, die dann auch solche interessanten Dinge abdecken dürften. Aber es könnte auch eine ganz einfache Erklärung geben, weshalb jemand meint, daß Geschichtsfälschung betrieben wurde: Profilierungssucht, Langeweile, Geldnot, Labilität. ;)

Timme
28.05.04, 02:41
Hm, ich erinner mich daran vor einigen Jahren dieses (http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3548364764/qid=1085700526/sr=2-1/ref=sr_aps_prod_1_1/028-3236704-5776549) Buch gelesen zu haben, welches offensichtlich die hier genannten Thesen behandelt.
Dabei muss ich zugeben, dass ich dereinst durchaus von den dargestellten Thesen angetan war, da der Auto (Illig) auf den ersten Blick recht schlüssige Beweise hervorbrachte, so dass z.B. keine Primärquellen mehr vorhanden seinen, die entscheidenden Dokumenten der Geschichtsschreibung wären nur später datierte Kopien. Desweitern behauptete er, dass es kaum archäologische Beweise gäbe, so ließen sich architektonische Baudenkmäler stiltechnisch beliebig auf die Jahrhunderte davor und danach datieren, außerdem würden sich kaum/keine Überreste der betroffenen Kulturen (z.B. Wikingerinvasionen) finden, so dass deren Auftreten allein durch Schriften belegt seien.
Desweitern fand er Gründe für die Geschichtsfälschung im Erklärungsnotstand der christlichen Kirchen, welche für den behandelten Zeitraum eigentlich das Jüngste Gericht erwarteten, welches offenkundlich nicht stattfand, so dass hier im nachinein gefälscht und uminterpretiert wurde. Auf byzantinischer Seite ging es angeblich dabei um eine Fälschung bezüglich des Kreuzes von Golgatha, welches sich eigentlich in Konstantinopel befinden sollte, aber natürlich nicht war; die Araber hatten ihre eigenen Probleme und erfanden den Kalifen Harun al Raschid, etc.
Leider besitze ich dieses Buch nicht mehr, und kann demnach nur mein alkoholverhunztes Gedächtnis bemühen, aber es war zumindest interessant zu lesen und die Thesen ließen sich nicht mit einem Schulterzucken von der Hand weisen, was noch lange nicht heißen soll, dass ich diese Behauptungen schlucken würde ...
Es ist jedenfalls eine durchaus lesenswerte Lektüre.

Carl the Great
28.05.04, 04:44
Grundsätzlich sind neue und unkonventionelle Ideen in der Forschung immer gerne gesehen und werden dort kritisch diskutiert. Nur Illigs Ideen sind eben nicht mehr neu und inzwischen eindeutig widerlegt, was der Forschung jedoch durchaus gut tat, da es das Augenmerk verstärkt auf diesen Zeitraum lenkte.

Edler Ruprecht, leider habe ich keinen Link, der sich mit diesen Forschungen des Prof. Theo Kölzer befasst. Ich kenne diesen Professor und es würde mich wundern, wenn er dem Internet gegenüber so aufgeschlossen wäre wie wir oder wenigstens wie einige wenige seiner Kollegen. ;)

Peter der Große
28.05.04, 11:54
Vielleicht sollte man mal hinterfragen, was der guter Herr Illig mit seinen Thesen erreichen möchte. Wie diese angeregte Disskussion vermuten lässt, ist es ein Thema, was viele interessiert weil es polarisiert.
Möglicher Weise will er ja auch genau das erreichen, die Leute sollen nachdenken und sich mit Geschichte beschäftigen. Zugegebenermaßen glaube ich selber nicht daran, aber man sollte einfach das Positive sehen: Man fängt an, nachzudenken.

Es ist doch schon interessant, sich beim Lesen des Buches selber zu beobachten. Folgt man der Beweisführung, schwankt man doch erstmal zwischen Glaube und Unglaube. Alleine deswegen schon lesenswert.

Ruprecht I.
28.05.04, 13:53
Nun, polarisieren möchte Illig sicherlich. Aber vermutlich hat, wie schon verschiedentlich angesprochen, die Verkaufsabsicht das letzte Sagen gehabt. Eine kühne Idee verkauft sich eben besser im Massenmarkt als eine Abhandlung über geschichtliche Detailfragen, die nur Experten überhaupt verstehen.

Das ist bedauerlich, bester Carl, aber begnügen Wir Uns eben damit, zumindest eines Unserer Vorurteile bzgl der kath. Kirche bestätigt zu sehen :D