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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Arminius der Cherusker - Che Guevara im Nebelland



Hesse
17.03.04, 23:08
Im Spiegel vom 08.03.2004 stand ein Artikel der von neuen Erkenntnissen der Archälogie sprach. Dabei stand im Mittelpunkt die Forschung um die "Varus-Schlacht" 9 n. Chr.:

Früher galt ja der Teutoburgerwald als Austragungsort der Schlacht zwischen den Römern unter Varus und den Germanen unter der Frührung von Arminius bzw. Hermann der Cherusker. Seit 1989 gilt Kalkriese bei Osnabrück als das wahre Schlachtfeld auf dem 18.000 Legionäre in einen Hinterhalt des ehemaligen Legionärs Arminius gerieten.

Der Artikel im Spiegel berichtet nun von einigen neuen Erkenntnissen. So habe die Schlacht nicht in Kalkriese stattgefunden, wie einige Forscher neuerdings behaupten. Dabei werden wieder einmal die Münzen herangezogen, die man in Kalkriese fand. Angeführt werden die Kritiker Numismatiker Reinhard Wolters, der die These aufstellt, daß in Kalkriese erst 16 n. Chr. ebenfalls eine verherrende Schlacht stattfand. Die eigentliche Varus-Schlacht hätte in einem viel sumpfigeren und bewaldeteren Gelände stattgefunden, wie historische Quellen es beschrieben. Die Legionen in Kalkriese marschierten aber auf einem breiten Heerweg (" A2 der Antike"). Auch würden die gefundenen Lugdunum-Asse (eine Münze) womöglich erst 12 oder 14 n.Chr. geprägt. Kalkriese habe eine Auseinandersetzung der Froschung durch die zu rasche Bezuschussung von Fördergeldern in millionenhöhe und einem neuen Museum unterbunden.

Weiter wird in dem Artikel beschrieben, daß die Römer nach der Varus-Schlacht einen großangelegten Vernichtungskrieg gegen die germanischen Stämme geführt hätten. Ein plötzlicher Abzug nach der Niederlage des Varus habe nie stattgefunden. So sollen noch im Jahr 16 n. Chr. an die 100.000 Legionäre im rechtsrheinischen Gebiet stationiert gewesen sein. Auch habe neue Funde gezeigt, daß zwischen 11 und 16 n. Chr. an der Emsmündung eine Flottenbasis der Römer mit nahezu 1300 Kriegsschiffen, die auf Ems, Elbe und Weser fuhren, existiert hat. In Nimwegen wurde zu dieser Zeit eine Offiziersschule eröffnet. In Waldgrimes (Hessen) grabe man derzeit die älteste Stadt (Prachtbauten, Steinhäuser, Standbilder etc.) auf deutschem Boden aus, ein Zeugnis dafür, daß die Römer ihre Pläne bezüglich "Germanien" erst später aufgaben. Auch wurden in dieser Zeit noch zahlreiche Kastelle und Heerwege angelegt.

Von hier aus soll Germanicus ab 14 n.Chr. zahlreiche Angriffe tief in die germanischen Stammesgebiete geführt haben. So soll er mit 12.000 Legionäre in einer Nacht-un-Nebelaktion über den Rhein gesetzt haben und die Marser bei einer Kultfeier überfallen haben. Dabei soll er Tausende Marser umgekommen sein. Im Jahr 15. n. Chr. habe er in einem Feldzug gegen die Chatten unter anderem deren Hauptort "Mattium" vernichtet.
Ein Sommerfeldzug gegen die Bukterer, wobei er mit der Flotte vom Rhein aus und mit einem Landheer von Xanten aus die Bukterer einkesseln wollte, schlug fehl. Die Bukterer büxten aus. Germanicus verwüstete die Siedlungsgebiete.Dabei sei er auch an dem Schlachtfeld von Varus vorbeigekommen und man habe dort die Überreste bestattet, so Tacitus. In diesem Gelände sei dann auch Arminius wieder gegen die Römer einige Erfolge gelungen.

Im Herbst 15/16 n.Chr. rüstete Germanicus die Flotte eben auf 1300 Schiffe auf. Im April 16 n. Chr. hätten 90.000 Eisen-Krieger, 20.000 Pferde und Packtiere und 1000 Fuhrwerke eingeschifft. Bei einem Ort namens "Idistavisto" sei es dann zu einer langen Umgehungs- und Verfolgungsschlacht gekommen, wo viele Germanen die Flucht gelang.
Bei der "Schlacht am Angrivarierwall" seinen den Römern auch hohe Verluste zugefügt worden. Ende 16 n.Chr. schifften sich die Römer wieder ein zum Rückzug ins Winterlager. Beim Einmünden in die Nordsee sei es zu einer Springflut gekommen, die einen Teil der Flotte vernichtete. Germanicus sei in Borkum gestrandet und habe von dort aus die Rettungsaktion geleitet.

Erst 17 n. Chr. zog sich das Römische Reich zurück. Dabei sei vor allem Arminius als eine Art "Urwald Guerilla" mit verantwortlich.
Bekanntermaßen wurde Hermann/Arminius als Offizier von Rom ausgebildet und kommandierte germanische Hilfstruppen an der germanisch/römischen Grenze. Mit diesen gut ausgebildeten Truppen habe er einen "Guerilla-Krieg" mit der Varus-Schlacht 9 n. Chr. begonnen. Er soll zudem Truppen von zahlreichen anderen germanischen Stämmen vereinigt haben. Damit führte er Überfälle gegen die Römer durch und die Römer hätten den "Cherusker" nicht zu einem Kampf stellen können. Dafür seien Siedlungen der germanischen Stämme den Römern zum Opfer gefallen, da die Truppen unter Hermann meistens den Römern auswichen und die Siedlungen ungeschützt gelassen haben. Quasi gab es so einen zermürbenten Krieg, der 1/3 der römischen Armee gebunden hätte. Eine Art "Antikes Vietnam". Von den 100.000 Legionären und Hilfstruppen des Germanicus seien ca. 20-25 Prozent gestorben sein. Der neue Kaiser Tiberius soll die "Notbremse" gezogen haben und Germanicus durch den Senat zum Bezwinger des Nordens erklärt haben und ihn in den Orient weggelobt haben. Dann soll Tiberius die Truppen "zurückgepfiffen" haben.

Arminius soll den Versuch gemacht haben, die germanischen Stämme zu vereinigen. Dabei soll er 21 n.Chr. von den Häuptlingen der germanischen Stämme ermordet worden sein.


Ich habe versucht den Artikel möglichst sinngemäß wiederzugeben. Ich frage nun die Fachleute dieses Themas, ob die Aspekte des Artikels stimmen. War Arminius/Hermann wirklich ein solcher bedeutender Anführer und haben die Römer wirklich in diesem Ausmaß einen großangelegten Krieg geführt? Was sagt Ihr dazu? Als Belege werden vor allem neuere Grabungsstätten und deren Funde genannt.

Gruß Hesse

Carl the Great
18.03.04, 00:56
Nicht nur neuere Ausgrabungen, auch antike Quellen berichten von diesen Kämpfen. Nur wurde denen bislang eher wenig Bedeutung beigemessen, was ja auch im Artikel kurz angesprochen wird. Sogar Caligula, der Nachfolger des Tiberius und Sohn des Germanicus, welcher ebenfalls als Oberbefehlshaber in Germanien erwähnt wird, plante noch einmal einen riesigen Heereszug gegen die Germanen, der ihm jedoch aus verschiedensten Gründen nicht gelang.
Arminius selbst ist mitnichten eine solch schillernde Figur, wie sie im nationalistischen 19. Jahrhundert so gerne dargestellt wurde. Er war römischer Soldat und sogar Ritter, der, aus welchen Gründen auch immer, seinen Oberbefehlshaber Varus verriet und in eine Falle lockte. Für diesen Coup gelang es ihm offensichtlich in der Tat, mehrere germanische Teilstämme zu vereinen. Dies war jedoch ein äußerst fragiles Bündnis, das höchstwahrscheinlich kurze Zeit später wieder zerbrach.
Arminius taucht später noch einmal im Zusammenhang mit den Markomannen-Kriegen auf. Welche Rolle er dort genau spielte, weiß ich allerdings nicht.

Carl the Great
23.03.04, 01:01
Warum schreibt hier eigentlich kein anderer was? Keine Meinungen, Infos oder gar kein Interesse? :rolleyes:

arcain
23.03.04, 05:58
*stöbert ein wenig durch das Forum und gibt seinen Senf hinzu*

Über die Germanienfeldzüge des Germanicus berichten eine Vielzahl von römischen Autoren, unter denen die wohl bekanntesten Tacitus und Sueton sein dürften. Es gab soweit ich mich erinnere, wohl noch eine andere antike Schrift, die detailliert über die Germanienfeldzüge berichtet. Diese wird von u.a von Tacitus erwähnt, blieb über die Jahrhunderte aber nicht erhalten. Bei Caligula will ich anfügen, dass dieser gar nicht erst versuchte einen Germanienfeldzug zu unternehmen. Er war, gelinde ausgedrückt, geistig ein wenig umnachtet und inszenierte den Germanienfeldzug, da er sich wohl offensichtlich vor offenen Feldschlachten mit den germanischen Stämmen fürchtete. Tacitus und Sueton haben in ihren Schriften wenig gutes im Zusammenhang mit Caligula, dem Sohn des Germanicus, zu sagen. Den Versuch in Germanien einzufallen hat er jedenfalls nie unternommen. Statt dessen nutzte er eine mit Statisten inszenierte Schlacht, um den Senat von einem Feldzug zu überzeugen - für den er sich sogar einen Triumphzug hat ausrichten lassen.

Bei Arminius ist anzunehmen, dass er nach seiner Rückkehr aus Rom in die römisch-germanischen Provinzen von der Unterdrückung seines eigenen Volkes schockiert war. Vor allem Varus muss in Germanien ein ziemlich regides Verhalten an den Tag gelegt haben - anders ist es wohl nicht zu erklären, dass Arminius die Seiten wechselte und die in römischen Kriegen gelernten Taktiken nun gegen Rom selber wandte. Ich halte ihn schon für eine sehr schillernde Figur unserer deutschen Vergangenheit. Wären die deutschen Stämme, allen vorran die Markomannen unter Marbod, nicht derart uneins und zerstritten gewesen, Arminius hätte ein bedenklicher Feind für Rom werden können. Immerhin ist es zu einem nicht unwesentlichen Teil Arminius zu verdanken, dass die römisierung Germaniens unter Augustus nach der Varusschlacht ein jehes Ende fand. Es gab zwar diverse Feldzüge gegen Germanien, alle jedoch blieben im wesentlichen erfolglos betrachtet man das Endergebnis.

Über das Ende von Arminius bin ich auch nicht so genau informiert. Soweit ich weiss, wurde er aber durch Verrat der eigenen Seite (ich glaube, dass auch hier die Markomannen wesentlich waren) an die römische Seite ausgeliefert, nachdem seine Frau von den Römern gefangen genommen wurde. Arminius und seine Frau wurden dann, auch auf die Gefahr hin dass ich etwas falsches sage, in Rom vorgeführt und hingerichtet.


edit:
Wenn hier schon mein Lieblingsthema angesprochen wird, empfehle ich auch gleich ein wenig sehr interessante Literatur. Vom oben angesprochenen Tacitus empfehle ich jedem die kleine Abhandlung über Germanien aus römischer Sicht: die Germania.
Wer es noch nicht kennt - es ist ein Beschreibung germanischer Sitten, Gebräuche und Stämme aus der Sicht eines römischen Senators und Geschichtsschreibers. Das Ganze ist recht klein und sehr interessant zu lesen. Bei Reclam ist es meines Wissens nach für unter 5 Euro zu bekommen.


gruss
arc

Carl the Great
23.03.04, 17:46
Ich erlaube mir, euch in einigen Punkten zu widersprechen. ;)


Über die Germanienfeldzüge des Germanicus berichten eine Vielzahl von römischen Autoren, unter denen die wohl bekanntesten Tacitus und Sueton sein dürften. Es gab soweit ich mich erinnere, wohl noch eine andere antike Schrift, die detailliert über die Germanienfeldzüge berichtet. Diese wird von u.a von Tacitus erwähnt, blieb über die Jahrhunderte aber nicht erhalten.
Unter anderem berichtete auch Velleius Paterculus von Feldzügen, die Tiberius selbst durchführte. Er war ein Offizier der römischen Reiterei (evtl gar praefectus praetorii in Tiberius' Heer). Seine berichte stammen also aus erster Hand aber sind natürlich römisch "gefärbt".



Bei Caligula will ich anfügen, dass dieser gar nicht erst versuchte einen Germanienfeldzug zu unternehmen. Er war, gelinde ausgedrückt, geistig ein wenig umnachtet und inszenierte den Germanienfeldzug, da er sich wohl offensichtlich vor offenen Feldschlachten mit den germanischen Stämmen fürchtete. Tacitus und Sueton haben in ihren Schriften wenig gutes im Zusammenhang mit Caligula, dem Sohn des Germanicus, zu sagen. Den Versuch in Germanien einzufallen hat er jedenfalls nie unternommen. Statt dessen nutzte er eine mit Statisten inszenierte Schlacht, um den Senat von einem Feldzug zu überzeugen - für den er sich sogar einen Triumphzug hat ausrichten lassen.
Hierzu erschien letztes Jahr (?) eine interessante Biographie über Caligula von Aloys Winterling, die auch so heißt: "Caligula. Eine Biographie". Darin stellt der Author einige interessante Thesen bezüglich Caligula auf. Tacitus und Sueton gehörten beide Senatsfamilien Roms an, welche die natürlichen Feinde des Kaisers waren. Die Sieger schreiben die Geschichte und dass Caligula im Endeffekt den Machtkampf gegen den Senat (oder besser seine eigene Familie und die Praetorianer) verlor, ist bekannt. Kann die Lektüre dieses interessanten Buches nur wärmstens empfehlen. :)



Ich halte ihn schon für eine sehr schillernde Figur unserer deutschen Vergangenheit. Wären die deutschen Stämme, allen vorran die Markomannen unter Marbod, nicht derart uneins und zerstritten gewesen, Arminius hätte ein bedenklicher Feind für Rom werden können. Immerhin ist es zu einem nicht unwesentlichen Teil Arminius zu verdanken, dass die römisierung Germaniens unter Augustus nach der Varusschlacht ein jehes Ende fand.
"Verdanken" würde ich aus heutiger Sicht keinesfalls sagen. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die allseits bekannte Szene aus "Life of Brian", in der die Widerständler sich fragen, was ihnen die Römer schon gebracht haben: Abwassersysteme, Infrastruktur, das Rechtssystem, etc. (den Wein lasse ich mal weg... ;) ).



Über das Ende von Arminius bin ich auch nicht so genau informiert. Soweit ich weiss, wurde er aber durch Verrat der eigenen Seite (ich glaube, dass auch hier die Markomannen wesentlich waren) an die römische Seite ausgeliefert, nachdem seine Frau von den Römern gefangen genommen wurde. Arminius und seine Frau wurden dann, auch auf die Gefahr hin dass ich etwas falsches sage, in Rom vorgeführt und hingerichtet.
Ich habe gerade mal nachgeschlagen. Im Jahre 17 n. Chr. besiegte Arminius den Markomannen Marbod und dieser musste nach Ravenna fliehen. 19 oder 21 n. Chr. wurde Arminius dann, offensichtlich weil er nach einer/der Königswürde strebte, von einem Verwandten ermordet, da seine Sippe dies offenbar nicht tolerieren wollte.
In Rom vorgeführt und hingerichtet wurde Vercingetorix, vielleicht verwechselt ihr da was.

P.S.: Aber schön, dass sich bei diesem interessanten Thema nun was tut. ;)

Ruprecht I.
23.03.04, 17:59
In Rom vorgeführt und hingerichtet wurde Vercingetorix, vielleicht verwechselt ihr da was.

Nicht ganz. Des Arminius Frau Thusnelda und der gemeinsame Sohn wurden im Triumph des Germanicus 17n.Chr. mitgeführt. Zuvor waren sie von ihrem Vater Segestes ausgeliefert worden.


"Verdanken" würde ich aus heutiger Sicht keinesfalls sagen. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die allseits bekannte Szene aus "Life of Brian", in der die Widerständler sich fragen, was ihnen die Römer schon gebracht haben: Abwassersysteme, Infrastruktur, das Rechtssystem, etc. (den Wein lasse ich mal weg... ).

Da geben Wir Euch völlig recht. Unsere Vorfahren haben sich selbst die besten Aussichten verbaut. Und den Wein würden Wir nicht weglassen :D

arcain
23.03.04, 19:38
Die Schriften des Velleius Paterculus habe ich auch gelesen. Ich führte lediglich Tacitus und Sueton an, da diese die wohl namhaftesten sein dürften.

Dass Arminius in Rom hingerichtet wurde, muss ich dann in der Tat mit dem Sohn verwechselt haben *grins* Dank Ruprecht erinnere ich mich dann auch wieder an den Sachverhalt mit dem Vater Segestes. Ist schon etwas her, seit ich das letzte mal darüber gelesen habe..

Was Caligula betrifft, ist mir das von dir erwähnte Buch bekannt - ich habe es allerdings noch nicht gelesen. Dass Caligula ein ziemlicher Despot und Wahnsinniger gewesen sein muss, halte ich aber für glaubwürdig. Du hast recht, wenn du sagst, dass Geschichte von den Siegern geschrieben wird und gerade Tacitus und Sueton a) wegen ihrer volkszugänglichen Schreibweise und ihrem Unterhaltungswert für die römische Oberschicht und b) wegen ihrer Stellung als Senatoren an vielen Stellen zweifelhaft sind. Die Gesamttendenz ist aber nicht zu verachten und viele von den Ereignissen die Tacitus, Sueton und Cassius Dio beschreiben sind tatsächlich bewiesen. Im Übrigen ist ja auch nicht zu verachten, dass Caligula von seinen eigenen Prätorianern ermordet wurde. Seine Ermordung war meines Wissens nach weniger senatorischen Ursprungs.

Die Diskussion, wer wem die Zivilisation hätte bringen können ist meines Erachtens nach müßig. Europa hätte heute sicher ein völlig anderes Gesicht, wären die Germanen für Rom nicht ein deratiges Gegengewicht gewesen und zu einem nicht unwesentlichen Teil am Untergang des Weltreiches beteiligt. "Die besten Aussichten verbaut" ist aber ein Kommentar den wir so nicht stehen lassen wollen. Die Germanen waren ein sehr freiheitsliebendes Volk, in ihrer Mythologie und der Weltauffassung sehr naturbezogen und was gesellschaftliche Normen und das Gesellschaftssystem im allgemeinen betrifft wahrscheinlich sogar fortschrittlicher, als die Feudalherrschaften des Mittelalters. Heute würde die Mehrheit der Menschen ebenso laut Aufschreien, wenn ein Volk dem anderen versucht seine Kultur und Marke aufzudrücken. Ähnliches nehme ich für die Germanen in Anspruch. Arminius ist für meine Begriffe in der Art und Weise ein Held, weil er seinem Volk dazu verhalt die Freiheit und Eigenständigkeit zu bewahren. Na ja, wie auch immer..die Diskussion ist abwegig :)



gruss
arc

Ruprecht I.
23.03.04, 22:06
Natürlich ist die Diskussion müßig, da lange her und längst vorbei.
Aber etwas müssen Wir doch noch nachschieben.

Auch andere Völker waren freiheitsliebend und hatten gänzlich andere kulturelle Wurzeln als die Römer. Trotzdem arrangierten sie sich, insbesondere dadurch, daß Rom (meistens) die örtliche Kultur unangetastet ließ. Marke: zahlt Eure Steuern und macht sonst, was ihr wollt. Letztlich haben beide Seiten davon profitiert. Wir vermuten einfach mal, daß unsere Vorfahren da keine Ausnahme gemacht hätten.
Feudalsystem: war der direkte Nachfolger der meisten germanischen Führungsmodelle (König oä mit persönlichem Gefolge). Insoweit war das Gesellschaftsmodell (wenn man es überhaupt so nennen möchte, in vielem wäre Anarchie vielleicht angemessener :D ) nicht unbedingt fortschrittlicher als sein Abkömmling.
Die Motive des Arminius lassen sich kaum noch nachvollziehen, aber als Altruist und Kämpfer für sein Volk vermögen Wir ihn Uns kaum vorzustellen. Eher persönliche Motive wie blanke Machtgier. Zumal von 'Volk' kaum die Rede sein kann, da die Bevölkerung Germaniens in unzählige, untereinander aufs heftigste verfeindete Stämme unterteilt war.

Aber egal, Ihr habt Eure Meinung, Wir haben Unsere, ändern können Wir beide nichts, also Schwamm drüber und laßt Uns einen heben :prost:

Eine Frage hätten Wir noch: geben Eure Quellen tatsächlich an, der Sohn des Arminius sei hingerichtet worden? Wir fanden nichts weiter zu seinem Schicksal, glauben nur mal aus dubioser Quelle gehört zu haben, er sei zum Gladiator ausgebildet worden.

Hesse
23.03.04, 22:37
Also in dem Spiegel Artikel wurde nur erwähnt, daß die schwangere Thusnelda (daher wohl der Begriff "Tussi" :D) 15 n.Chr. in die Hände der Römer fiel, da Arminius und seine Krieger im Zuge des Guerilla-Kampfes die Dörfer schutzlos zurücklassen mußten.
Arminius hätte daraufhin noch feuriger zum Widerstand gegen die "Zwingherren" aufgerufen.Es sollen ja ziemlich harte Kämpfe stattgefunden haben mit der großen "amphibischen Operation" von Germanicus 16 n.Chr.


Ich denke gerade neuere Funde beweisen ja, daß wir über die Zeit vor der "Romanisierung" unserer Region relativ wenig wissen und wenn dann nur aus mit Vorurteilen belasteten Quellen. Es ist spannend hier immer wieder neues zu erfahren.
Eine Bewertung, welche Kultur "besser" ist, würde ich nur äußerst ungern abgeben. Am Ende ist wohl die Symbiose aus allem, quasi der Multikultimischmasch der Antike und des Mittelalters das, was bis heute die Grundwerte des Abendlandes geprägt haben. Alles gehört da irgendwie dazu.

Gruß Hesse

Hesse
23.03.04, 22:55
Übrigens für diejenigen, die das Leben des "Hermann" mal als lustiges Online-Textadventure nachspielen wollen Hermann der Cherusker Adventure (http://www.kaczenski.de/hermann/) :D.

Gruß Hesse

Ruprecht I.
23.03.04, 22:57
Also in dem Spiegel Artikel wurde nur erwähnt, daß die schwangere Thusnelda (daher wohl der Begriff "Tussi" :D)

Genau daher :D

Niemand wollte eine Kultur über die andere stellen. Aber der Kulturenmischmasch, der das heutige Europa ausmacht, wäre früher gekommen. Deutschland wurde durch die Rezeption römischen Rechts im 16.Jh nachträglich 'romanisiert', während viele weitere Aspekte antiker römischer Kultur schon früher auf anderem Wege kamen, hauptsächlich durch den Klerus. Der Gedanke, wie anders die Geschichte verlaufen wäre, wäre eine provincia germania fester Bestandteil des imperium romanum gewesen, ist schon faszinierend.
Was Uns daran erinnert, als kleiner Bub mal einen Roman aus einer Reihe gelesen zu haben, in der das Reich bis heute existiert, mit vielen kleinen Anspielungen, was in der Vergangenheit anders lief (zB 9nChr. :D). Wir wissen leider gar nichts mehr sonst, weder Titel noch Autor, aber vielleicht hat jemand Vorschläge?

Die meisten Informationen über den römisch 'besetzten' (oder 'beglückten', je nach Auslegung :D ) Teil des heutigen Deutschlands haben wir heute Lebenden aber gerade nicht aus vorbelasteten Quellen, sondern aus Bodenfunden. Diese lügen nicht, allenfalls kann man sie falsch interpretieren.

Edit: verzeiht, haben falsch gelesen, Ihr meintet VOR den Römern. Wir persönlich finden es sehr interessant, was alles an keltischem gefunden wird. Wobei manche Altertumsforscher ja sogar soweit gehen, gar keinen Unterschied mehr zwischen Kelten und Germanen zu machen...

von Holstein
23.03.04, 23:59
Was Uns daran erinnert, als kleiner Bub mal einen Roman aus einer Reihe gelesen zu haben, in der das Reich bis heute existiert, mit vielen kleinen Anspielungen, was in der Vergangenheit anders lief (zB 9nChr. :D). Wir wissen leider gar nichts mehr sonst, weder Titel noch Autor, aber vielleicht hat jemand Vorschläge?

Kirk Mitchell: Procurator und Liberator hießen die beiden Bände.

Hier der Klappentext:
"Zweitausend Jahre, nachdem Pilatus einen gewissen Jesus von Nazareth begnadigte, beherrschen die Römer noch immer die Welt. Mit den modernen Waffen des 20. Jahrhunderts hat Imperator Germanicus alle Feinde Roms besiegt, und doch steht seine Herrschaft auf tönernen Füssen. Denn der Kaiser selbst plant den Umsturz: Er will das römische Reich in eine Republik verwandeln. Seine Feinde sind grausam und gefährlich. Und als sie von seinen Plänen erfahren holen sie zum Gegenschlag aus – der Herrscher von Rom muss fliehen."

arcain
24.03.04, 00:20
es gibt noch ein drittes Buch dazu mit dem Titel "Imperator". Ich hatte seinerzeit, es muss schon einige Jahr her sein, alle 3 Teile in einem Buch zusammengefasst erstanden. Dieses Bündel hiess dann Germanicus.

gruss
arc

Carl the Great
24.03.04, 00:42
Was Caligula betrifft, ist mir das von dir erwähnte Buch bekannt - ich habe es allerdings noch nicht gelesen. Dass Caligula ein ziemlicher Despot und Wahnsinniger gewesen sein muss, halte ich aber für glaubwürdig. Du hast recht, wenn du sagst, dass Geschichte von den Siegern geschrieben wird und gerade Tacitus und Sueton a) wegen ihrer volkszugänglichen Schreibweise und ihrem Unterhaltungswert für die römische Oberschicht und b) wegen ihrer Stellung als Senatoren an vielen Stellen zweifelhaft sind. Die Gesamttendenz ist aber nicht zu verachten und viele von den Ereignissen die Tacitus, Sueton und Cassius Dio beschreiben sind tatsächlich bewiesen. Im Übrigen ist ja auch nicht zu verachten, dass Caligula von seinen eigenen Prätorianern ermordet wurde. Seine Ermordung war meines Wissens nach weniger senatorischen Ursprungs.

Lest es, unbedingt! Ist wirklich gut. Natürlich übertreibt Winterling in einigen Punkten aber seine Ausführungen sind teilweise wirklich einleuchtend. Als Beispiel sei hier nur angeführt, dass ja immer erzählt wird, dass Caligula sein Pferd zum Konsul ernannte. Winterling sieht dies weniger als Zeichen von Wahnsinn als vielmehr als Zeichen seines Hasses gegen den Senat. Wie könnte man diesen stärker erniedrigen als dadurch, einfach ein Pferd zum Konsul zu machen und ihnen so ihre absolute Bedeutungslosigkeit vor Augen zu führen?
Caligula hatte in seinen ersten Regierungsjahren (und er wurde, wenn ich mich recht entsinne mit Anfang 20 Kaiser) mit einigen Senats-Verschwörungen zu kämpfen. Dies hatte Tradition, sein Vorgänger Tiberius hatte sich aus diesem Grund auf die Insel Capri zurückgezogen und herrschte von dort aus. Seinen Stief-Enkel 2. Grades ( ;) ) Caligula holte er ebenfalls auf diese Insel. Jedenfalls wurde Caligula, nachdem er zunächst versuchte, den Senat milde zu stimmen, indem er ihnen vermehrt Rechte einräumte, durch die Verschwörungen mit dem Ziel ihn zu töten, schwer enttäuscht und lebte in Rom in ständiger Angst.
Dem begegnete er äußerst brutal und zynisch. Er erniedrigte den Senat dermaßen, dass sie ihn mehr hassten als jeden Kaiser zuvor, sich jedoch aufgrund seiner gnadenlosen Strafen ab einem bestimmten Zeitpunkt zu keiner Verschwörung mehr trauten. Zusätzlich erniedrigten sie sich selbst öffentlich völlig, um den Eindruck einer möglichen Verschwörung zu entgehen.
Es herrschte eine Stimmung des absoluten Misstrauens, die dazu führte, dass er nicht durch eine senatorische Verschwörung, sondern durch einen relativ spontanen Anschlag zu Tode kam. Er wurde in der Tat von seinen eigenen Prätorianern ermordet, mindestens einer seiner engsten Vertrauten war Mit-Initiator, da er selbst Angst hatte, denunziert zu werden.
Nach dem gelungenen Anschlag wurden alle Verantwortlichen und auch mehrere Unschuldige hingerichtet, niemand vom Senat wollte etwas mit der Ermordung zu tun gehabt haben (was wohl auch so war), obwohl Caligula so verhasst und gefürchtet gewesen war. Sie hatten selbst nach der Meldung von seinem Tod noch Angst, dies könnte eine Falle sein, um ihre Loyalität zu testen.

Soweit nur ein kurzer Abriss von Winterlings Darstellung, die ein neues Licht auf diesen Kaiser werfen, dass allerdings natürlich auch in Teilen kritisch betrachtet werden muss.

arcain
24.03.04, 01:04
Nun ja, dann würden mich einige Punkte mehr allerdings schon interessieren. Wie erklärt denn Winterling zum Beispiel die Gotterhebung Caligulas. Dieser betrachtete sich ja nach einem Fieberanfall als Stellvertreter oder Inkarnation Jupiters und ließ überall im Reich, auch auf dem römischen Palatium glaube ich Götterbildnisse von sich aufstellen. Auch dass Caligula seine eigene Schwester heiratete und nach ägyptischer Tradition eine Geschwisterdynastie aufbauen wollte, kann wohl nicht auf einen klaren Geisteszustand schließen lassen. Sicher sind einige Beschreibungen der antiken Autoren übertrieben, wie es ja beispielsweise auch bei Tiberius, Commodus und Domitian geschah. Ich glaube aber weiterhin, dass das traditionelle Caligula-Bild eher der Wahrheit entsprach. Das Buch werde ich mir aber wohl dennoch einmal anschaffen..

gruss
arc

Carl the Great
24.03.04, 01:23
Zur göttlichen Verehrung schreibt Winterling so einiges. Vor allem, dass dies keine Idee von Caligula war, sondern schon früher in Ansätzen vom Senat versucht wurde und Caligula dies nur als erster wirklich zuließ. Dieser Punkt scheint auch in der Forschung nicht mehr als Indiz für Caligulas Wahnsinn zu gelten. Seine Schwester lieben sollte doch jeder oder? ;) Im Ernst, im antiken Rom war dies mit Sicherheit nicht gar so verpönt wie heutzutage und Caligula traute einfach niemandem mehr.
Ich will damit keinesfalls abstreiten, dass Caligula keinen psychischen Schaden hatte. Ich glaube nicht, dass viele Menschen das, was er offenbar erleben musste, unbeschadet überstehen. Nur ganz so wahnsinnig, wie von Sueton und anderen berichtet, war er nicht, zumindest hat mich da Winterling in einigen Punkten überzeugt.

arcain
24.03.04, 01:47
nochmal ein paar letzte Worte dazu von mir *grinst*

Nun ja, das klingt fast so, als hätte der Senat die Vergöttlichung schon beinahe aufgezwungen. Im Gegenteil waren die Folgen in weiten Teilen, vor allem im jüdischen Teil des Imperium Romanum, Aufstände, die blutig niedergeschlagen wurden. Die einzigen Beispiele in der julisch-claudischen-Dynastie wären wohl noch Augustus und eventuell Caesar, der eigentlich kein Kaiser war. Letzterer wurde nur nach seinem Tode vergöttlicht und Augustus ließ meines Wissens nach eine Vergöttlichung seiner Person nicht zu. Ich meine mich zu erinnern, dass Augustus auch nur in den abgelegenen Teilen des römischen Reiches als Gott galt und keinesfalles vom Senat jemals als solcher zu Lebzeiten proklamiert wurde. Wenn man sich dann noch die römische Antipathie gegen König und Alleinherrscher anschaut, so dürfte doch die Selbstdarstellung als Gott ein erheblicher Bruch zu seiner Zeit gewesen sein, zumal er nach der Heirat mit seiner Schwester ja auch diese als Göttin darstellen ließ. Domitian versuchte es einige Jahrzehnte später erneut, aber auch er scheiterte..

arc

Carl the Great
24.03.04, 02:02
Lest das Buch! :D

Zu Caligulas Germanien-Feldzug noch: nach Winterling ging dort ein Manöver von statten und keine vorgetäuschte Schlacht. Dann entschied sich Caligula aber, warum auch immer (eventuell geisteskrank? :tongue: ), dazu, doch lieber in Britannien einzufallen und versammelte sein Heer am Kanal. Dort kam es dann scheinbar zu einer Meuterei und Caligula befahl den Soldaten, Muscheln als Kriegsbeute zu sammeln und zog im Triumph in Rom ein. Eine Schmach für die Meuterer, die nun statt mit reicher Kriegsbeute und Sklaven nur mit Muscheln in Rom ankamen. Caligula selbst war beim Volk beliebt und dies sah denn wohl auch die Schuld bei den Meuterern.
Dies nur, um wieder etwas mehr zum Thema zurück zu kommen. ;)

Ruprecht I.
24.03.04, 14:02
@ v.Holstein und arcain

werte Herren, Wir danken Euch untertänigst!
Der Klappentext weckte Erinnerungen, das ist die Reihe.
Die Trilogie ist bei amazon für lau zu haben, und wenn auch die Rezensionen weit auseinandergehen, werden Wir nocheinmal darin schwelgen wie zu Kinderzeiten :)