Helios
07.01.04, 08:21
Hallo zusammen. Wie man sieht bin ich noch absoluter Anfänger, weshalb ich mich entschlossen hab erstmal klein anzufangen. Also einen passenden Atlas genommen (Erscheinungsjahr 1937, Copyright 1935, passt genau), ein wenig Ziellos drin rumgeblättert, dann stand das Land fest: Venezuela. Auch wenn das 'Action' im Namen eher unpassend ist und aus diesem Grunde auch die Länge begrenzt bleibt, so hoffe ich doch dass jemand gefallen an meinem ersten AAR finden wird. Aber bevor ich das ganze noch tot quatsche, soll es lieber losgehen. Auch wenn es dann doch noch nicht richtig losgeht. Seht selber...
http://www.modellflotte.de/Privat/HoI/Vene.jpg
Jetzt darf nichts schiefgehen. Er schaute in den wolkenlosen Nachthimmel, ziellos sprang sein Auge von einem Stern zum nächsten. In Gedanken ging er nochmal seine Checkliste durch, hatte er auch sicher nichts vergessen? Er spürte die Hand auf seiner Schulter und schaute sich um. "Jetzt darf nichts schiefgehen, Marc", antwortete der Besitzer der Hand, "Bist du soweit?" "Ja, ich hab nichts vergessen, hoffe ich." Die beiden gingen den kurzen Weg bis zum alten Bunker ohne einen Ton zu sagen. Marc schloss die Stahltür auf und sie traten ein. Sie schalteten die Geräte ein, erst die Sicherheitsschaltungen, dann das große Hauptschaltpult. "Seid ihr soweit?" Krächzte es aus einem Lautsprecher an der Wand. Marc ging zu einer kleinen Konsole, drückte einen Knopf und meinte dann: "Ja, wir sind hier bereit. Nur die Uhren müssen noch kalibriert werden." "Okay, trifft sich gut. Wir können gleich auf zehn gehen" Marc drehte an einem kleinen Knopf. "Verstanden," antwortete er, "fertig." "0 Minus 10 in 5, 4, 3, 2, 1, jetzt" kam die prompte antwort. Bei 'jetzt' hatte Marc auf den Knopf gedrückt, an dem er vorher noch gedreht hatte. Jetzt konnte man erkennen, worum es sich dabei gehandelt hat. Er hielt eine Uhr in der Hand, die einer Schachuhr sehr ähnlich sah. Auch sie hatte zwei Zifferblätter, das linke ganz normal, das rechte jedoch war anders aufgeteilt. Es hatte eine 30 Minuten Skala und lief anscheinend falsch herum. Marc hatte die Uhr auf 10 Minuten eingestellt, und sie dann aktiviert. Nun tickte sie langsam hinunter. "Ich hab noch eine Sicherung ausgetauscht, scheint als wäre sie gerade beim einschalten durchgebrannt. War wohl zuviel Saft in den Leitungen." hörte man eine Stimme aus dem Dunkel. Kurz darauf trat ein grinsendes Gesicht ins Licht. "Schaffst du das hier allein, oder soll ich nicht doch lieber hier bleiben?" "Nein," antwortete Marc, "geh nur zu den anderen." Es hatte keinen Sinn etwas dagegen zu sagen, Marc war ein Sturrkopf, und noch dazu der Chef des ganzen.
Noch zwei Minuten, und obwohl es nicht sehr warm war, schwitzte Marc wie selten zuvor. Hitze war er gewohnt, aber diese Anspannung nicht. Alles hatte zu schnell gehen müssen, was sonst Wochen braucht mußte in wenigen Tagen erledigt werden. Und wenn etwas schief geht, wie reagiert der Präsident? Dabei war er schon froh, dass nicht noch das Regime aus früheren Zeiten an der Macht war. Fehler wurden da nie toleriert, nun bestand wenigstens Hoffnung. Noch eine Minute, ein kurzer Blick übers Schaltpult, dann knipste er die Schalter der Sicherungen aus. Nun reichte ein Knopfdruck, um alles in gang zu bringen. Er schaute nochmal hinaus durch den engen Sehschlitz, und betrachtete die Rakete auf ihrer Startrampe. 'Viva Venezuela' stand in gelben Buchstaben auf dem Flugkörper, auch wenn es vom Bunker aus nicht zu erkennen war. '30 Sekunden' krächzte es aus dem Lautsprecher, und Marc sah wieder auf das Schaltpult. Er öffnete die Schutzklappe des Hauptschalters. Die Uhr tickte genau darüber, er brauchte den Blick nicht abwenden. 20 Sekunden, die Nerven in seinem Körper schienen absichtlich Störsignale zu senden. Ein Gefühl der Anspannung, des Schmerzes aber auch der Taubheit mischten sich und verwirrten ihn mehr als alles andere. Hätte man ihn jetzt nach seinem Namen gefragt, er hätte nichts antworten können. 15 Sekunden, er glaubte mitzuzählen, doch er schwieg, 14, 13, 12, 11, 10, er drückte den Knopf. Ein Last viel von seinem Körper, obwohl die Situation noch nicht überwunden war. Er blickte zum Sehschlitz auf die Rakete. 9, 8, das Triebwerk zündete, 7, sie zischte in den Abendhimmel, 6, 5, 4, er konnte sie nicht mehr ausmachen, vernahm aber weitere Lichtblitze. Das mussten die anderen sein, 3, 2, 1. Es wurde hell...
Der Präsident stand mit seinen Gästen auf der großen Terasse seines Palastes. Wie auch der Bunker war der Palast ein Relikt aus der nahen Vergangenheit Venezuelas. Juan Vicente Gómez, der das Land 25 Jahre lang fest in seinen brutalen Händen hielt, war Tod. Das Militär versuchte zwar die Macht an sich zu reißen, aber vergebens. Der Wille des Volkes hatte gesiegt, seit wenigen Wochen war Venezuela eine Demokratie. Bei den direkten Präsidentschaftswahlen hatte der ehemalige Journalist Manuel Ramirez, der unter Gómez einige Jahre im Gefängnis verbracht hatte, einen glorreichen Sieg erringen können. Schon beim ersten Wahlgang hatte er die nötige Mehrheit überdeutlich gewinnen können. Vor zwei Tagen war er vereidigt worden, seine eigentlichen Geschäfte will und kann er aber erst in einigen Tagen aufnehmen. Zuviel muss vorher noch geregelt werden. Denn das Parlament ist noch nicht gewählt, das wird erst in einigen Wochen der Fall sein. Zwei Jahre ist die Probezeit, danach, so jedenfalls die Meinung der Politiktheoretiker, sollte sich die Parteienlandschaft soweit gelichtet haben, die Verhältnisse soweit geordnet und das normale Leben zurück gekehrt sein, dass sich richtige Wahlen realisieren ließen. In der Zwischenzeit hing alles vom Präsidenten, und dem Demokratierat ab, der den Präsidenten überwachen soll. Dieser Rat hatte schon vor der Amtsübernahme einige Dinge geregelt, das Militär in den bisherigen Strukturen aufgelöst, die staatlichen Organisationen überprüft und Anhänger von Gómez ausgesondert. Dem Präsidenten blieb nun die Aufgabe, das ganze wieder neu zu formieren. Das braucht Zeit, viel Zeit. Aber auch andere Dinge mußten erledigt werden. Bisher gab es kaum Bilder vom Präsidenten, und wenn dann meistens solche aus der Haft. Die Welt war interessiert an dem kleinen Land, und jeden Tag gab es Besuchsanfragen. Aber für ein paar Stunden wollte Manuel es vergessen, und einfach nur den Abend genießen. Ein Windzug ließ einige Besucher spüren, dass sie wohl zu leicht bekleidet waren. Es hatte aber auch niemand mit so niedrigen Temperaturen gerechnet. Niceto Diaz, ein Berater und enger Freund von Manuel zog das Tuch über eine große Uhr weg. Es blieb nicht mehr viel Zeit, nur noch wenige Augenblicke. Die Masse bemerkte das recht schnell, und sie blickten alle auf das Feld, welches sich von der Terasse weg Richtung Meer erstreckte. Die Sekunden zogen dahin, man sah einen kurzen Blitz, dann eine Feuerspur. Die Rakete war gestartet, von unzähligen Augen verfolgt zog sie ihre Bahn in den Himmel. Dann wurde es hell...
Mit einer Explosion aus Licht und Farben zerbrach die Raketen in zig Einzelteile, die glühend über den Himmel zogen. Ein raunen ging durch die Menge, dann war die gewalte Detonation durch einen lauten Knall zu vernehmen. Unzählige kleinere Raketen stiegen nun auf, mal höher, mal niedriger. Doch sie alle verzauberten die Menschen, die von der Terasse aus zuschauten. Niceto kam zu Manuel herüber: "Ein frohes neues Jahr wünsche ich dir" "Das wünsche ich dir auch, mein Freund. Möge es so schön werden wie dieses Feuerwerk." Er holte kurz Luft, und erhob dann sein Glas "Auf Venezuela!" "Auf die Zukunft!" antwortete Niceto, der nun ebenfalls sein Glas erhoben hat. Noch ein paar andere Gäste hatten ebenfalls ihre Gläser erhoben und stießen nun zum neuen Jahr an. Niemand wußte, was auf sie zukam, in diesem Jahr, und in den nächsten Jahren...
---
Manuel Ramirez saß, mit der Zigarre im Mund, der Sonnenbrille im Gesicht und dem Glas Whiskey in der Hand in dem großen, schwarzen Ledersessel und schaute aus dem Fenster als Niceto in das Zimmer kam. Ein Lichblitz, dann eine Stimme von der anderen Seite des Raumes: "Danke, das wars erstmal." "Endlich", antwortete Manuel. Er nahm die Zigarre aus dem Mund, nahm die Sonnenbrille ab und stellte das Glas hin. Dann wandte er sich zu Niceto: "Ich komme mir immer total Lächerlich vor, aber die Leute wollen es so. Vor allem die im Ausland, in den USA und in Europa, für die muss ein Präsident immer so aussehen. Ich hab ihnen gesagt, warum nicht mal ein paar Aufnahmen wie ich arbeite..." er warf einen bösen Blick zu den beiden Photographen, die gerade ihre Sachen zusammenpackten, "... aber nein, Arbeit, das hätte mir Südamerika nichts zu tun. Als ob es hier anders laufen würde als in anderen Teilen der Welt." Die Photographen hatten alles beisammen und verließen jetzt ohne Gruß den Raum. "Endlich sind die Weg, danke dass du gestört hast, Niceto."
"Kein Problem, aber ich weiß nicht ob du mir gleich auch noch danken wirst."
"Wieso, was gibt es denn?"
"Ich habe hier die Listen über unsere Ressourcen, und hier die Berichte vom Militär."
"Immerhin ehrliche Arbeit, und nicht so ein Theater. Militär? Viel kann das ja nicht mehr sein, der Rat hat doch nicht übrig gelassen."
"Viel ist es auch nicht, ein paar Einheiten nur, aber alle ohne Kommandeur. Und eine Zukunftsplanung gibt es auch noch nicht."
"Gut gut, eines nach dem anderen. Fangen wir erstmal bei den Ressourcen an. Setz' dich, mach es dir bequem..."
Niceto unterbrach ihn "Willst du es dir nicht in Ruhe, ich meine allein, durchlesen?"
"Nein nein, ich hab es lieber wenn du das mit mir durchgehst." Er nahm die Sonnenbrille und setzte sie sich auf, dann trank er den Whiskey leer und nahm die Zigarre. Niceto schaute ihn ungläubig an, worauf Manuel sich veranlasst sah etwas zu sagen: "Wir sind hier in Südamerika, da arbeitet man nicht wenn man Präsident ist." Er lehnte sich zurück und legte die Füße auf den Schreibtisch. Dann blickte er zu Niceto herüber und grinste breit.
"Also gut, fangen wir an bei den Ressourcen:
Venezuela - Ressourcen
Lagerbestände:
Kohle - 5.000 ts
Stahl - 5.000 ts
Gummi - 2.000 ts
Öl - 20.000 ts
Produktionsbilant
Kohle - negativ, 50 ts pro Tag zu wenig
Stahl - negativ, 30 ts pro Tag zu wenig
Gummi - positiv, 10 ts pro Tag zu viel
Öl - positiv, 180 ts pro Tag zu viel
Weltmarktangebot
Sowohl Kohle als auch Stahl sind auf dem Weltmarkt leicht zu beschaffen, ein Tausch gegen Öl stellt kein Problem dar. Bisherige Handelsvereinbarungen zielen darauf ab, den Bedarf an Kohle und Stahl zu decken. Zwecks Lageraufstockung ist die Erhöhung des Handelsvolumens anzuraten."
Manuel unterbrach ihn. "Gut gut, ich denke auch wir sollten das Volumen erhöhen. Gummi und Öl haben wir auch in Krisenzeiten genug, aber Kohle und Stahl machen uns noch Problem." Er blickte auf. Auch Niceto sah ihn an: "Noch, Herr Präsident?" "Noch eine ganze Weile, wollte ich sagen, bis wir Methoden finden wie wir die Produktion erhöhen können. Oder bis wir neue Ressourcen erschließen können." Niceto wurde misstrauisch, ließ sich jedoch nichts anmerken. Eine Diskussion konnte er jetzt nicht gebrauchen, eigentlich wollte er gar nicht mehr hier sein. Seine Frau würde bestimmt schon auf ihn warten, und das gibt wieder Probleme. Diese ewigen rummeckerei, dabei sind sie jetzt gerade einmal ein paar Monate verheiratet. Gleich nachdem das alte Regime gestürzt war, hatten sie sich das Ja-Wort gegeben. Ein wenig übereilt vielleicht, jetzt im Nachhinein ist ihm das klar geworden. Aber damals war es die Euphorie, die Verliebtheit, endlich durften sie Heiraten. Unter Gómez war es verboten, schließlich kam Amanda nicht aus Venezuela. Offiziell sollte man zwar eine Genehmigung bekommen, jedoch bekam man sie in der Realität entweder gar nicht, oder es dauerte Jahre. Als dann Gómez weg war, verbuchten die vielen Kapellen Rekordzahlen, was das heiraten anging. "Wieviele geheiratet hatten, darüber gibt es Statistiken, aber wieviele dieser Ehen wieder geschieden wurden, darüber gibt es keine" dachte er vor sich hin. Erst jetzt merkte er, dass der Präsident ihn anstarrte, in der Erwartung ein Ton von ihm zu hören. "Oh, Entschuldigung, ich bin nicht ganz bei der Sache. Mein Frau, du weiß schon..." Manuel unterbrach ihn "Kein Problem. Lass mir die Listen hier, du kannst dann gehen." "Danke, hoffentlich schaff ich es noch." sagte er vor sich hin, als er den Raum verließ. Manuel viel ein Stein vom Herzen, dieses mal hatte er Glück gehabt. Doch lange wird er seine Plänen nicht mehr hinterm Berg halten können. Im Grunde brannte er darauf, es jemandem zu erzählen. Und niemand anders als Niceto kam in betracht. Doch noch ist die Zeit nicht reif. Noch gab es wichtigere Dinge. Er legte die umfangreiche Ressourcenliste bei Seite und konzentrierte sich auf die wesentlich kürzere Militärliste. "Fangen wir beim Heer an", sagte er zu sich selbst.
Heer:
3 Divisionen in Caracas
- Erste Infantriedivision
- Erste Kavalleriedivision
- Zweite Infantriedivision (aus Milizen)
Er dachte kurz nach, dann stieß er ein "Ja, so wirds gemacht" heraus und notierte sich die neue Aufstellung auf einem Zettel:
Oberkommandierender des Heeres wird General Lopez Contreras. Vorläufig als Leiter und Organisator ohne eigene Einheiten. Die drei Divisionen werden als Heimatverteidigungsmilizen umorganisiert und unter gemeinsamen Kommando von Generalleutnant Reyes Chamorra gestellt. Sie sollen unabhängig von weiteren Einheiten ständig in Caracas stationiert bleiben und auch innerhalb der Grenzen eingesetzt werden dürfen. "So, nun das nächste."
Marine:
Eine Flottille
- Erste Zerstörerflottille
Wieder mußte er kurz nachdenken. "Die Marine..." murmelte er. Die militärische, aber vor allem die Zivile Schifffahrt hatte unter dem Umbruch und dem Regimewechsel zu leiden. Einige Einheiten wurden von Plünderern und Aufständischen teilweise Beschädigt, teilweise auch Zerstört. Dazu versenkten ein paar Marinesoldaten, als sie sahen dass ihr Putsch scheitern würde, einen Teil der Flotte auf offener See. "Unwiederbringlich..." sagte er wieder mal zu sich selbst. "Da muss sofort etwas geschehen, ich werde das anders machen" Er fing wieder an zu schreiben:
Vizeadmiral Santabria Villa übernimmt das Oberkommando über die Marine zusammen mit dem Kommando über die Zerstörerflottille. Vizeadmiral Villa Lobos wird vorübergehend Bauleiter und Marineinspekteur für das neue Hilfsprogramm. Sechs Transportschiffe sollen unter militärischem Kommando erbaut und gefahren werden, jedoch für zivile Auftraggeber. "So schlagen wir drei Fliegen mit einer Klappe", nuschelte er, "die Crews bekommen Training, die zivilen Unternehmen bekommen ihre Schiffe, und in ein paar Jahren haben wir unsere Transporter. Genau dann wenn wir sie brauchen." Er konnte sich ein grinsen nicht verkneifen.
"So, das wars auch schon." Das Siegel prangte blutrot auf dem Umschlag. Er stand auf und ging zur Tür. Auf dem Weg dorthin kontrollierte er nochmal, ob das Siegel wirklich fest sitzt. Es passte. Er trat aus seinem Büro und sprach die Ordonanz an, die hinter einem Schreibtisch gleich neben der Tür saß. "Veranlassen sie bitte, dass dieser Brief schnellstmöglich ins Hauptquartier der Streitkräfte gebracht wird. Und diese Nachricht lassen sie ins Außenministerium übertragen." Er dreht sich um, die Sekräterin antwortete "Wird erledigt", doch das hörte er schon nicht mehr. Tief atmete Manuel ein, ging dann zum Fenster und schaute hinaus. 'Auf die Zukunft, auf Venezuela', die Worte wollten einfach nicht mehr aus seinem Kopf. Er zweifelte an sich selbst, war er der richtige Mann, war sein Weg der richtige Weg? Das wird die Zukunft zeigen...
http://www.modellflotte.de/Privat/HoI/Vene.jpg
Jetzt darf nichts schiefgehen. Er schaute in den wolkenlosen Nachthimmel, ziellos sprang sein Auge von einem Stern zum nächsten. In Gedanken ging er nochmal seine Checkliste durch, hatte er auch sicher nichts vergessen? Er spürte die Hand auf seiner Schulter und schaute sich um. "Jetzt darf nichts schiefgehen, Marc", antwortete der Besitzer der Hand, "Bist du soweit?" "Ja, ich hab nichts vergessen, hoffe ich." Die beiden gingen den kurzen Weg bis zum alten Bunker ohne einen Ton zu sagen. Marc schloss die Stahltür auf und sie traten ein. Sie schalteten die Geräte ein, erst die Sicherheitsschaltungen, dann das große Hauptschaltpult. "Seid ihr soweit?" Krächzte es aus einem Lautsprecher an der Wand. Marc ging zu einer kleinen Konsole, drückte einen Knopf und meinte dann: "Ja, wir sind hier bereit. Nur die Uhren müssen noch kalibriert werden." "Okay, trifft sich gut. Wir können gleich auf zehn gehen" Marc drehte an einem kleinen Knopf. "Verstanden," antwortete er, "fertig." "0 Minus 10 in 5, 4, 3, 2, 1, jetzt" kam die prompte antwort. Bei 'jetzt' hatte Marc auf den Knopf gedrückt, an dem er vorher noch gedreht hatte. Jetzt konnte man erkennen, worum es sich dabei gehandelt hat. Er hielt eine Uhr in der Hand, die einer Schachuhr sehr ähnlich sah. Auch sie hatte zwei Zifferblätter, das linke ganz normal, das rechte jedoch war anders aufgeteilt. Es hatte eine 30 Minuten Skala und lief anscheinend falsch herum. Marc hatte die Uhr auf 10 Minuten eingestellt, und sie dann aktiviert. Nun tickte sie langsam hinunter. "Ich hab noch eine Sicherung ausgetauscht, scheint als wäre sie gerade beim einschalten durchgebrannt. War wohl zuviel Saft in den Leitungen." hörte man eine Stimme aus dem Dunkel. Kurz darauf trat ein grinsendes Gesicht ins Licht. "Schaffst du das hier allein, oder soll ich nicht doch lieber hier bleiben?" "Nein," antwortete Marc, "geh nur zu den anderen." Es hatte keinen Sinn etwas dagegen zu sagen, Marc war ein Sturrkopf, und noch dazu der Chef des ganzen.
Noch zwei Minuten, und obwohl es nicht sehr warm war, schwitzte Marc wie selten zuvor. Hitze war er gewohnt, aber diese Anspannung nicht. Alles hatte zu schnell gehen müssen, was sonst Wochen braucht mußte in wenigen Tagen erledigt werden. Und wenn etwas schief geht, wie reagiert der Präsident? Dabei war er schon froh, dass nicht noch das Regime aus früheren Zeiten an der Macht war. Fehler wurden da nie toleriert, nun bestand wenigstens Hoffnung. Noch eine Minute, ein kurzer Blick übers Schaltpult, dann knipste er die Schalter der Sicherungen aus. Nun reichte ein Knopfdruck, um alles in gang zu bringen. Er schaute nochmal hinaus durch den engen Sehschlitz, und betrachtete die Rakete auf ihrer Startrampe. 'Viva Venezuela' stand in gelben Buchstaben auf dem Flugkörper, auch wenn es vom Bunker aus nicht zu erkennen war. '30 Sekunden' krächzte es aus dem Lautsprecher, und Marc sah wieder auf das Schaltpult. Er öffnete die Schutzklappe des Hauptschalters. Die Uhr tickte genau darüber, er brauchte den Blick nicht abwenden. 20 Sekunden, die Nerven in seinem Körper schienen absichtlich Störsignale zu senden. Ein Gefühl der Anspannung, des Schmerzes aber auch der Taubheit mischten sich und verwirrten ihn mehr als alles andere. Hätte man ihn jetzt nach seinem Namen gefragt, er hätte nichts antworten können. 15 Sekunden, er glaubte mitzuzählen, doch er schwieg, 14, 13, 12, 11, 10, er drückte den Knopf. Ein Last viel von seinem Körper, obwohl die Situation noch nicht überwunden war. Er blickte zum Sehschlitz auf die Rakete. 9, 8, das Triebwerk zündete, 7, sie zischte in den Abendhimmel, 6, 5, 4, er konnte sie nicht mehr ausmachen, vernahm aber weitere Lichtblitze. Das mussten die anderen sein, 3, 2, 1. Es wurde hell...
Der Präsident stand mit seinen Gästen auf der großen Terasse seines Palastes. Wie auch der Bunker war der Palast ein Relikt aus der nahen Vergangenheit Venezuelas. Juan Vicente Gómez, der das Land 25 Jahre lang fest in seinen brutalen Händen hielt, war Tod. Das Militär versuchte zwar die Macht an sich zu reißen, aber vergebens. Der Wille des Volkes hatte gesiegt, seit wenigen Wochen war Venezuela eine Demokratie. Bei den direkten Präsidentschaftswahlen hatte der ehemalige Journalist Manuel Ramirez, der unter Gómez einige Jahre im Gefängnis verbracht hatte, einen glorreichen Sieg erringen können. Schon beim ersten Wahlgang hatte er die nötige Mehrheit überdeutlich gewinnen können. Vor zwei Tagen war er vereidigt worden, seine eigentlichen Geschäfte will und kann er aber erst in einigen Tagen aufnehmen. Zuviel muss vorher noch geregelt werden. Denn das Parlament ist noch nicht gewählt, das wird erst in einigen Wochen der Fall sein. Zwei Jahre ist die Probezeit, danach, so jedenfalls die Meinung der Politiktheoretiker, sollte sich die Parteienlandschaft soweit gelichtet haben, die Verhältnisse soweit geordnet und das normale Leben zurück gekehrt sein, dass sich richtige Wahlen realisieren ließen. In der Zwischenzeit hing alles vom Präsidenten, und dem Demokratierat ab, der den Präsidenten überwachen soll. Dieser Rat hatte schon vor der Amtsübernahme einige Dinge geregelt, das Militär in den bisherigen Strukturen aufgelöst, die staatlichen Organisationen überprüft und Anhänger von Gómez ausgesondert. Dem Präsidenten blieb nun die Aufgabe, das ganze wieder neu zu formieren. Das braucht Zeit, viel Zeit. Aber auch andere Dinge mußten erledigt werden. Bisher gab es kaum Bilder vom Präsidenten, und wenn dann meistens solche aus der Haft. Die Welt war interessiert an dem kleinen Land, und jeden Tag gab es Besuchsanfragen. Aber für ein paar Stunden wollte Manuel es vergessen, und einfach nur den Abend genießen. Ein Windzug ließ einige Besucher spüren, dass sie wohl zu leicht bekleidet waren. Es hatte aber auch niemand mit so niedrigen Temperaturen gerechnet. Niceto Diaz, ein Berater und enger Freund von Manuel zog das Tuch über eine große Uhr weg. Es blieb nicht mehr viel Zeit, nur noch wenige Augenblicke. Die Masse bemerkte das recht schnell, und sie blickten alle auf das Feld, welches sich von der Terasse weg Richtung Meer erstreckte. Die Sekunden zogen dahin, man sah einen kurzen Blitz, dann eine Feuerspur. Die Rakete war gestartet, von unzähligen Augen verfolgt zog sie ihre Bahn in den Himmel. Dann wurde es hell...
Mit einer Explosion aus Licht und Farben zerbrach die Raketen in zig Einzelteile, die glühend über den Himmel zogen. Ein raunen ging durch die Menge, dann war die gewalte Detonation durch einen lauten Knall zu vernehmen. Unzählige kleinere Raketen stiegen nun auf, mal höher, mal niedriger. Doch sie alle verzauberten die Menschen, die von der Terasse aus zuschauten. Niceto kam zu Manuel herüber: "Ein frohes neues Jahr wünsche ich dir" "Das wünsche ich dir auch, mein Freund. Möge es so schön werden wie dieses Feuerwerk." Er holte kurz Luft, und erhob dann sein Glas "Auf Venezuela!" "Auf die Zukunft!" antwortete Niceto, der nun ebenfalls sein Glas erhoben hat. Noch ein paar andere Gäste hatten ebenfalls ihre Gläser erhoben und stießen nun zum neuen Jahr an. Niemand wußte, was auf sie zukam, in diesem Jahr, und in den nächsten Jahren...
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Manuel Ramirez saß, mit der Zigarre im Mund, der Sonnenbrille im Gesicht und dem Glas Whiskey in der Hand in dem großen, schwarzen Ledersessel und schaute aus dem Fenster als Niceto in das Zimmer kam. Ein Lichblitz, dann eine Stimme von der anderen Seite des Raumes: "Danke, das wars erstmal." "Endlich", antwortete Manuel. Er nahm die Zigarre aus dem Mund, nahm die Sonnenbrille ab und stellte das Glas hin. Dann wandte er sich zu Niceto: "Ich komme mir immer total Lächerlich vor, aber die Leute wollen es so. Vor allem die im Ausland, in den USA und in Europa, für die muss ein Präsident immer so aussehen. Ich hab ihnen gesagt, warum nicht mal ein paar Aufnahmen wie ich arbeite..." er warf einen bösen Blick zu den beiden Photographen, die gerade ihre Sachen zusammenpackten, "... aber nein, Arbeit, das hätte mir Südamerika nichts zu tun. Als ob es hier anders laufen würde als in anderen Teilen der Welt." Die Photographen hatten alles beisammen und verließen jetzt ohne Gruß den Raum. "Endlich sind die Weg, danke dass du gestört hast, Niceto."
"Kein Problem, aber ich weiß nicht ob du mir gleich auch noch danken wirst."
"Wieso, was gibt es denn?"
"Ich habe hier die Listen über unsere Ressourcen, und hier die Berichte vom Militär."
"Immerhin ehrliche Arbeit, und nicht so ein Theater. Militär? Viel kann das ja nicht mehr sein, der Rat hat doch nicht übrig gelassen."
"Viel ist es auch nicht, ein paar Einheiten nur, aber alle ohne Kommandeur. Und eine Zukunftsplanung gibt es auch noch nicht."
"Gut gut, eines nach dem anderen. Fangen wir erstmal bei den Ressourcen an. Setz' dich, mach es dir bequem..."
Niceto unterbrach ihn "Willst du es dir nicht in Ruhe, ich meine allein, durchlesen?"
"Nein nein, ich hab es lieber wenn du das mit mir durchgehst." Er nahm die Sonnenbrille und setzte sie sich auf, dann trank er den Whiskey leer und nahm die Zigarre. Niceto schaute ihn ungläubig an, worauf Manuel sich veranlasst sah etwas zu sagen: "Wir sind hier in Südamerika, da arbeitet man nicht wenn man Präsident ist." Er lehnte sich zurück und legte die Füße auf den Schreibtisch. Dann blickte er zu Niceto herüber und grinste breit.
"Also gut, fangen wir an bei den Ressourcen:
Venezuela - Ressourcen
Lagerbestände:
Kohle - 5.000 ts
Stahl - 5.000 ts
Gummi - 2.000 ts
Öl - 20.000 ts
Produktionsbilant
Kohle - negativ, 50 ts pro Tag zu wenig
Stahl - negativ, 30 ts pro Tag zu wenig
Gummi - positiv, 10 ts pro Tag zu viel
Öl - positiv, 180 ts pro Tag zu viel
Weltmarktangebot
Sowohl Kohle als auch Stahl sind auf dem Weltmarkt leicht zu beschaffen, ein Tausch gegen Öl stellt kein Problem dar. Bisherige Handelsvereinbarungen zielen darauf ab, den Bedarf an Kohle und Stahl zu decken. Zwecks Lageraufstockung ist die Erhöhung des Handelsvolumens anzuraten."
Manuel unterbrach ihn. "Gut gut, ich denke auch wir sollten das Volumen erhöhen. Gummi und Öl haben wir auch in Krisenzeiten genug, aber Kohle und Stahl machen uns noch Problem." Er blickte auf. Auch Niceto sah ihn an: "Noch, Herr Präsident?" "Noch eine ganze Weile, wollte ich sagen, bis wir Methoden finden wie wir die Produktion erhöhen können. Oder bis wir neue Ressourcen erschließen können." Niceto wurde misstrauisch, ließ sich jedoch nichts anmerken. Eine Diskussion konnte er jetzt nicht gebrauchen, eigentlich wollte er gar nicht mehr hier sein. Seine Frau würde bestimmt schon auf ihn warten, und das gibt wieder Probleme. Diese ewigen rummeckerei, dabei sind sie jetzt gerade einmal ein paar Monate verheiratet. Gleich nachdem das alte Regime gestürzt war, hatten sie sich das Ja-Wort gegeben. Ein wenig übereilt vielleicht, jetzt im Nachhinein ist ihm das klar geworden. Aber damals war es die Euphorie, die Verliebtheit, endlich durften sie Heiraten. Unter Gómez war es verboten, schließlich kam Amanda nicht aus Venezuela. Offiziell sollte man zwar eine Genehmigung bekommen, jedoch bekam man sie in der Realität entweder gar nicht, oder es dauerte Jahre. Als dann Gómez weg war, verbuchten die vielen Kapellen Rekordzahlen, was das heiraten anging. "Wieviele geheiratet hatten, darüber gibt es Statistiken, aber wieviele dieser Ehen wieder geschieden wurden, darüber gibt es keine" dachte er vor sich hin. Erst jetzt merkte er, dass der Präsident ihn anstarrte, in der Erwartung ein Ton von ihm zu hören. "Oh, Entschuldigung, ich bin nicht ganz bei der Sache. Mein Frau, du weiß schon..." Manuel unterbrach ihn "Kein Problem. Lass mir die Listen hier, du kannst dann gehen." "Danke, hoffentlich schaff ich es noch." sagte er vor sich hin, als er den Raum verließ. Manuel viel ein Stein vom Herzen, dieses mal hatte er Glück gehabt. Doch lange wird er seine Plänen nicht mehr hinterm Berg halten können. Im Grunde brannte er darauf, es jemandem zu erzählen. Und niemand anders als Niceto kam in betracht. Doch noch ist die Zeit nicht reif. Noch gab es wichtigere Dinge. Er legte die umfangreiche Ressourcenliste bei Seite und konzentrierte sich auf die wesentlich kürzere Militärliste. "Fangen wir beim Heer an", sagte er zu sich selbst.
Heer:
3 Divisionen in Caracas
- Erste Infantriedivision
- Erste Kavalleriedivision
- Zweite Infantriedivision (aus Milizen)
Er dachte kurz nach, dann stieß er ein "Ja, so wirds gemacht" heraus und notierte sich die neue Aufstellung auf einem Zettel:
Oberkommandierender des Heeres wird General Lopez Contreras. Vorläufig als Leiter und Organisator ohne eigene Einheiten. Die drei Divisionen werden als Heimatverteidigungsmilizen umorganisiert und unter gemeinsamen Kommando von Generalleutnant Reyes Chamorra gestellt. Sie sollen unabhängig von weiteren Einheiten ständig in Caracas stationiert bleiben und auch innerhalb der Grenzen eingesetzt werden dürfen. "So, nun das nächste."
Marine:
Eine Flottille
- Erste Zerstörerflottille
Wieder mußte er kurz nachdenken. "Die Marine..." murmelte er. Die militärische, aber vor allem die Zivile Schifffahrt hatte unter dem Umbruch und dem Regimewechsel zu leiden. Einige Einheiten wurden von Plünderern und Aufständischen teilweise Beschädigt, teilweise auch Zerstört. Dazu versenkten ein paar Marinesoldaten, als sie sahen dass ihr Putsch scheitern würde, einen Teil der Flotte auf offener See. "Unwiederbringlich..." sagte er wieder mal zu sich selbst. "Da muss sofort etwas geschehen, ich werde das anders machen" Er fing wieder an zu schreiben:
Vizeadmiral Santabria Villa übernimmt das Oberkommando über die Marine zusammen mit dem Kommando über die Zerstörerflottille. Vizeadmiral Villa Lobos wird vorübergehend Bauleiter und Marineinspekteur für das neue Hilfsprogramm. Sechs Transportschiffe sollen unter militärischem Kommando erbaut und gefahren werden, jedoch für zivile Auftraggeber. "So schlagen wir drei Fliegen mit einer Klappe", nuschelte er, "die Crews bekommen Training, die zivilen Unternehmen bekommen ihre Schiffe, und in ein paar Jahren haben wir unsere Transporter. Genau dann wenn wir sie brauchen." Er konnte sich ein grinsen nicht verkneifen.
"So, das wars auch schon." Das Siegel prangte blutrot auf dem Umschlag. Er stand auf und ging zur Tür. Auf dem Weg dorthin kontrollierte er nochmal, ob das Siegel wirklich fest sitzt. Es passte. Er trat aus seinem Büro und sprach die Ordonanz an, die hinter einem Schreibtisch gleich neben der Tür saß. "Veranlassen sie bitte, dass dieser Brief schnellstmöglich ins Hauptquartier der Streitkräfte gebracht wird. Und diese Nachricht lassen sie ins Außenministerium übertragen." Er dreht sich um, die Sekräterin antwortete "Wird erledigt", doch das hörte er schon nicht mehr. Tief atmete Manuel ein, ging dann zum Fenster und schaute hinaus. 'Auf die Zukunft, auf Venezuela', die Worte wollten einfach nicht mehr aus seinem Kopf. Er zweifelte an sich selbst, war er der richtige Mann, war sein Weg der richtige Weg? Das wird die Zukunft zeigen...