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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Ahmed Schah Massud, Löwe vom Pandschir



Jens von Schwarzburg
01.10.03, 15:53
Familie
Massuds Vorfahren stammen aus Tadschikistan. Sein Vater war ein Oberst der königlichen afghanischen Armee. Der 1956 geborene Tadschike Ahmed Schah Massud genoss eine Ausbildung an Kabuls französischem Lyzeum. Bereits im Jahr 1975 zog der "Löwe des Pandschir" in den bewaffneten Kampf. Damals beteiligte sich der 21jährige Massud an einer der ersten islamischen Revolten, die jedoch von der Armee von Staatschef Mohammed Daoud niedergeschlagen wurde. Für seine weiteren Kämpfe studierte Massud die Schriften Mao Tse-tungs und Che Guevaras. Allgemein galt der afghanische Kriegsherr als unabhängiger Kopf, der sich nicht von ausländischen Geheimdiensten einspannen ließ. Täglich las er mit moslemischen Schriftgelehrten den Koran. Im Spektrum der islamischen Kräfte war Massud auf der Seite der Gemäßigten zu finden.

Gegen die Sowjetunion
Massud galt - ebenso wie Osama bin Laden - als Symbolfigur des zehnjährigen Widerstandskampfs der afghanischen Mudschaheddin gegen die Sowjetunion. Mit Unterstützung des US-Geheimdienstes CIA gelang es damals dem Strategen, den militärisch haushoch überlegenen Sowjettruppen bis zum Ende des Afghanistan-Krieges (1979 bis 1989) die Stirn zu bieten. Nach dem Abzug der Invasoren zog Massud 1992 in die afghanische Hauptstadt Kabul ein und wurde zum Verteidigungsminister ernannt. Nominell war Massud Vizepräsident und Verteidigungsminister der offiziell immer noch amtierenden und von den meisten Staaten anerkannten afghanischen Regierung, die 1996 von den Taliban-Milizen aus Kabul vertrieben wurde.(1) Im Mai 1993 gab Massud das Amt des Verkehrsministers wieder auf, wie es ein Friedensabkommen der neun rivalisierenden Mudschaheddin-Fraktionen vorsah. Er selbst gehörte der 'Jamiat Islami' von Präsident Burhanuddin Rabbani an. Wenig später fand er sich erneut im Widerstand wieder - diesmal gegen die Taliban.

Kampf gegen die Taliban
Seit 1994 kämpfte Massud gegen die von Pakistan unterstützten Taliban. Als die Miliz der Koranschüler im September 1996 die Hauptstadt Kabul einnahmen, zog sich Massud in seinen Geburtsort und seine Hochburg, das Pandschir-Tal, zurück. Innerhalb weniger Monate eroberten die Taliban vier Fünftel des Staatsgebietes. Immer wieder starteten sie neue Offensiven, um auch ihren letzten ernst zu nehmenden Gegner zu besiegen. Zuletzt kontrollierte die von Massud geführte Anti-Taliban-Koalition ein Zehntel des gebirgigen Landes. Waffen, Benzin und andere Ausrüstungsgegenstände wurden von der Islamischen Republik Iran an Massud geliefert. Denn Teheran fürchtet die politisch-religiöse wie die wirtschaftliche Konkurrenz der Taliban. An einem rivalisierenden Gottesstaat als östlichen Nachbarn haben die schiitischen Mullahs Irans keinerlei Interesse. Die Taliban gehören nunmal der sunnitischen Glaubensrichtung an.

Als Finanzquelle Massuds gelten die bereits seit dem Altertum bekannten und bis heute wichtigsten Lapislazuli-Minen Afghanistans im Pandschir-Tal: Ein 150 Kilometer langer, schmaler und von steilen Felswänden geschützter, fruchtbarer Flusseinschnitt. Ein Teil der Einnahmen aus dem Abbau und dem Schmuggel der Steine nach Pakistan fließt in Massuds Kriegskasse. Es heißt, dass einige Minen Unterführern Massuds gehören und dass dort Kriegsgefangene eingesetzt werden.(2)

Drei Monate nach dem Besuch Massuds im EU-Parlament und der Forderung nach politischer Unterstützung sowie dem Eingeständnis von Mohammed Omar, dass sein Land ohne ausländische Nahrungsmittelhilfen definitiv nicht auskomme, zogen die internationalen Hilfsorganisationen am 20. Juli 2001 größenteils aus Kabul ab. Grund: Die bisher lediglich von Pakistan, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten anerkannte Taliban-Regierung hatte von ihnen verlangt, in das größtenteils zerstörte Gebäude der Universität Kabul umzuziehen. Dort gibt es weder Strom noch Wasser. Ergebnis: Allein die Europäische Union hat mehr als sieben Millionen Mark an Hilfsgeldern gesperrt.

Das ethnisch fragmentierte Afghanistan wird seit jeher von Stammesrivalitäten geprägt. Nur bei äußerer Bedrohung schließen sich die ethnischen Gruppen zu brüchigen Koalitionen zusammen. Beobachter meinten aus diesem Grund von jeher, dass es Massud, der zur tadschikischen Minderheit gehörte, niemals gelingen würde, das Land zu einen. Aktuell bleibt die Frage, wer seine Stelle demnächst vertreten kann und wird.

Unter folgenden Link gibt es viele Bilder http://images.google.de/images?q=Massud&ie=UTF-8&oe=UTF-8&hl=de

Jens von Schwarzburg
01.10.03, 16:00
"Ich habe die Afghanen geliebt und ihre Dichtung geschätzt. Individualisten, oft etwas großmäulig, aber ohne jeden religiösen Fanatismus..." (Christophe de Ponfilly).

Der Kommandant Massud, Symbolfigur eines befreiten Afghanistan wurde kurz vor den Anschlägen auf die USA von den Taliban bei einem Anschlag ermordet. Im Juli und Dezember 1997 kehrte Christophe de Ponfilly nach Afghanistan zurück, um den Kommandanten Massud und seine neue Widerstandsgruppe aufzusuchen.

De Ponfilly, der 1981 mit seinem ersten Film

"Une vallée contre un empire" zur Legende um den "Löwen aus dem Panjshirtal"
beigetragen hat, zeichnete in seinem letzten Film über Massud ein faszinierendes Porträt des afghanischen Kriegsherren, der gegen die Taliban-Miliz zu Felde zog.
Gleichzeitig ist sein Film eine Bilanz seines Engagements als Filmemacher.
Christophe de Ponfilly ist nicht zum ersten Mal im Panjshirtal, das sich über 100 Kilometer im Nordosten Afghanistans erstreckt.
Seit 1981 hat er Massud, dem legendären Kämpfer gegen die Russen, mehrere Reportagen gewidmet. Aus dieser Zusammenarbeit ist eine Freundschaft entstanden.
Der einst mächtige "Löwe vom Panjshirtal" war 1997 geschwächt denn er wurde von vielen Freunden verraten.
Seine ganze Kraft verwendete er auf die Verteidigung seines Tals.
Die er gegen dir Taliban schützen wollte mit all seiner Kraft die er hat. Während Christophe de Ponfilly Massuds Vorbereitungen für einen neuen Angriff auf die Taliban begleitete, veranlasste er diesen immer wieder, über die Ereignisse zu sprechen, die er, Massud, entscheidend gestaltet hat.

"Massud, ein Afghanischer Kämpfer" erinnert an wichtige Etappen von Massuds Widerstand und untersucht die Rolle der Medien. Parallel dazu - der Film enthält mehrere Ausschnitte aus früheren Filmen de Ponfillys - hinterfragt der Regisseur kritisch seine Arbeit: Eine Reise zu Massud und zu sich selbst, eine Liebeserklärung an ein vom Fundamentalismus befreites Afghanistan.



Massud hatte als Jüngster Kommandeur nach dem Einmarsch der sowjetischen Truppen im Norden Afghanistans einen erfolgreichen Widerstandskampf geleitet. Die Bevölkerung gab ihm deshalb den Beinamen

"Löwe vom Panjshirtal"


Den Siegern gelang es jedoch nicht, Afghanistan dauerhaft zu befrieden. Die Folge waren fortgesetzte Bürgerkriege, in denen die Fronten ständig wechselten. 1992 kam Präsident Rabbani in Kabul an die Macht, der allerdings als Vertreter der tadschikischen Volksgruppe nur eine Minderheit hinter sich wusste.

Massud wurde von Terroristen am 14. September 2001 im Auftrag Osama bin Ladens getötet.



Die Afghanistan-Krise

Existiert seit 22 Jahren. Ihren Anfang nahm sie Weihnachten 1979. Damals wurde das Land am Pamir und Hindukusch Opfer der sowjetischen Aggression. Das afghanische Volk rief daraufhin zum "Heiligen Krieg" und organisierte mit der materiellen Unterstützung aus dem Westen einen erfolgreichen Widerstandskampf.

Die Truppen der Kommunistischen Supermacht sahen sich 1985 zum Rückzug gezwungen. Die noch von den Sowjets installierte Regierung Nadschibulla konnte sich zunächst an der Macht halten.

Sie wurde jedoch von den Mudschaheddin, den Heiligen Kriegern, unter Führung des legendären General Achmad Schah Massud ausgeschaltet. Massud hatte als jüngster Kommandeur nach dem Einmarsch der sowjetischen Truppen im Norden Afghanistans einen erfolgreichen Widerstandskampf geleitet. Die Bevölkerung gab ihm deshalb den Beinamen

"Löwe von Pandscher"
Den Siegern gelang es jedoch nicht, Afghanistan dauerhaft zu befrieden.




Alles nur um ein paar ''Bildungslücken'' zuschließen.

Ajkula
05.10.03, 15:46
Die etwas "andere" Seite des "Löwen vom Panjir":

Das Massaker von Afschar

Die Attacke begann gegen ein Uhr früh am 11. Februar 1993. Nach tagelangem Artilleriebeschuss kam sie nicht unerwartet. Führung und Kämpfer der Belagerten entkamen mit knapper Not. Doch viele der etwa 4.000 meist schiitischen Familien in dem Viertel am Nordwestrand Kabuls wagten nicht im Geschosshagel zu fliehen und suchten in Kellern Schutz.

Afschar, direkt neben dem Ort gelegen, wo im Juni 2002 die Loya Dschirga stattfinden sollte, wurde zur Todesfalle. Darüber, was in dieser Nacht genau geschah, gelangten bisher nur wenige Details ans Licht. Vieles stammt aus zweiter Hand und bleibt daher fragwürdig. Organisationen wie Human Rights Watch (HRW) oder amnesty international hatten die afghanische Hauptstadt wegen blutiger Fraktionskämpfe zu diesem Zeitpunkt bereits verlassen. Zeugen sprechen von siegestrunkenen Mudschaheddin, die plündernd, vergewaltigend und mordend durch die engen Gassen Afschars zogen.

Rana Gul Logari (Name von der Redaktion geändert), ein im deutschen Asyl lebender Paschtune, zitiert einen ehemaligen Studienfreund, der Afschar überlebt hat: In ihrer Raserei hätten die Angreifer "gar nicht mehr genau hingesehen, was sie erschossen: Männer, Kinder, Frauen, sogar Ziegen und Hunde". Die Leichen seien in den Straßen liegen geblieben. Tagelang habe es nach Verwesung gestunken. Auch ist von Kindern die Rede, die zu sexuellen und anderen Diensten entführt worden seien. Gefangene mussten Zwangsarbeit leisten. Entkommene berichten von nächtlichen Erschießungen. Andere wollen gehört haben, wie sich Männer über Funk Hinweise gaben, in welchem Haus "lohnende" Vergewaltigungsopfer zu finden seien.

...

Die Attackierten selbst, die schiitische Partei der islamischen Einheit (kurz: Wahdat), ging erst ein halbes Jahr später an die Öffentlichkeit - als klar war, dass eine angestrebte Allianz mit den Angreifern nicht zustande kommen und erhoffte Ministerämter ausbleiben würden, sagt Ali Muradi, der sich seither um Aufklärung müht.

Als die Wahdat Afschar später im Jahr zurückeroberte, öffnete sie ein Massengrab und filmte. Die Szenen sind bedrückend: Mit Schaufeln legen Männer im Hof eines Hauses eine mit Brettern und vielleicht 30 Zentimeter Erde abgedeckte Grube frei. Darunter kommen halb verweste Leichen zum Vorschein. 57 sollen es sein. Das Video zeigt, wie Angehörige anhand ihrer Kleidung identifiziert werden. Immer wieder weinende, wie unter Schock stehende Menschen. Zwei oder drei weitere Massengräber sollen existieren, angelegt von Kommandeur Seyyed Hossein Anwari.

Dabei liegen Namen beteiligter Kommandeure vor, und auch die politisch Verantwortlichen für das Massaker sind bekannt. Das Wahdat-Video zeigt ein Transparent mit der Aufschrift: "Die Katastrophe von Afschar - ein Verbrechen von Sayyaf, Massud und Rabbani". Burhanuddin Rabbani war Anfang 1993 Afghanistans Interimspräsident, Ahmad Schah Massud Verteidigungsminister, Abdul Rabb Sayyaf einer seiner Verbündeten. Kabul war unter verfeindeten Fraktionen aufgeteilt. Mit dem Angriff auf Afschar wollten Rabbani und Massud der Alleinherrschaft in der Hauptstadt einen weiteren Schritt näher kommen. Er müsse deshalb "ganz oben" geplant worden sein, ist Logari überzeugt. Aber öffentlich will darüber in Kabul niemand reden.

Massud, zwei Tage vor dem 11. September von Al-Qaida-Sympathisanten ermordet, wurde im letzten Jahr offiziell zum Nationalhelden proklamiert und ist seither sakrosankt. Ein französisches Komitee schlug ihn sogar posthum für den Friedensnobelpreis vor. Zwei afghanische Generäle, die neben Abgeordneten, Ministern und den Philosophen Henry-Levy, Finkielkraut und Glucksman zu den Erstunterzeichnern des Aufrufs gehören, seien sogar an der Planung des Massakers beteiligt gewesen, meint Logari: Muhammad Qasem Fahim, damals Massuds Geheimdienstchef, heute Minister für Verteidigung, und General Babadschan, Standortkommandant am US-Hauptquartier Bagram. Drei Kommandeure, die Zeugen in Afschar gesehen haben wollen, bekleiden hohe Polizeiämter: Scher Alam, Zalmay Tufan und Mulla Izzatullah. Ein vierter, Mulla Taj Muhammad, ist Gouverneur der Provinz Kabul. Alle gehören zur Partei Sayyafs. Anwari ist Minister für Landwirtschaft.

Quelle: http://www.taz.de/pt/2003/02/10/a0105.nf/text.ges,1