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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : "Unsere Mütter - Unsere Väter"



Lewis Armistead
23.04.13, 23:53
Werter Regenten,

Nun ist ja schon einige Zeit ins Land gegangen seit die ZDF-Produktion im Fernsehen lief. Wir haben sie uns bereits mehrmals angeschaut und sie trotz sicherlich kleinerer Schwächen für sehr gut befunden.

Was uns entsetzte war das mediale Echo drumherum, wo jede Zeitung das ganze Mal mal komplett verriss, mal lobte. Mal das ganze als realistisch beurteilte, mal als unrealistisch vor allem als zu "deutsch-freundlich".

Wir würden gern die Meinung der Regenten einerseits zur Miniserie hören (wir meinen damit jetzt nicht Qualität der Kameraführung oder das der Film freilich irgendwo Stereotypen bedient etc.), aber auch zur Darstellung der Wehrmacht im Film. Auch das Thema Kriegsverbrechen angeht, da es bei verschiedenen verwandten Anlässen auch hier im Forum immer mal wieder zur Sprache kam und teils scharf diskutiert wurde. (man denke nur an das Verbot gewisser Avatare)

Uns ist wohl bewusst, dass es sich hier um ein heißes Eisen handelt, wo sicher einige Gemüter hoch kochen werden (wobei wir uns selbst nicht ausnehmen), was ja auch zu einer guten Diskussion gehört. Doch bitten wir um sachlichen Meinungsaustausch, da uns letzten Endes allen bewusst sein sollte: "Genau können wir es alle nicht wissen, wir waren nicht dabei."

In diesem Sinne, wir hoffen auf zahlreiche Resonanz...

Lewis Armistead:prost:

Vernichter
23.04.13, 23:58
Wurde schon hier diskutiert: http://www.si-games.com/forum/showthread.php?t=16830&page=24
(untere Posts)

Werth
24.04.13, 01:30
Wir empfanden die Serie als grundsätzlich wichtig und positiv.
Einiges wurde bereits benannt und einer Unser Eindrücke war, dass die Serie zu ambitioniert war und versuchte, zuvielen Aspekten gerecht zu werden.
Nachhaltig hat Uns die Beiläufigkeit von Gewalt und Tod beeindruckt.
Wir hoffen, dass diese Serie Anlass für Diskussionen unter den "Nachgeborenen", bzw. bisher wenig Interessierten wird.

Vernichter
24.04.13, 01:35
Wir fanden sie mittelmäßig. Wird schon bald im Orkus des Vergessens verschwinden.

Lewis Armistead
24.04.13, 17:40
@Vernichter:

Was wir in der Themenbeschreibung ansprechen wurde eben nicht wirklich diskutiert. Da ging es um die Schwächen der Filme als Filme, uns ging es mehr um die kritische Diskussion des medialen Echos in Bezug auf die Hintergründe.

@ Topic:

Wir haben uns zum Beispiel mit unserer Oma (1939 geboren, Vater 1944 in Italien gefallen) über die Filme unterhalten. Ihr gingen die Filme sehr nahe und auch in der Unterhaltung mit uns wurden ihr ein paar Mal die Augen feucht.

Danach haben wir recherchiert was die Presse darüber so geschrieben hat. Da wurde in der einen Zeitung bemängelt dass doch die Deutschen sich gerne so darstellen würden wie im Film, als fehlgeleitete Opfer die doch im Herzen alle Gutmenschen seien und das ihre wahre Schlechtigkeit garnicht rüber kommt. Eine andere Zeitung lobt die Nähe zur Realität und in der TV-Dokumentation nach dem ersten Teil (noch vor Spiegel TV) sagt ein Historiker, dass sich die Wehrmacht als Instrument zwar stark mitschuldig gemacht hätte indem sie Gefangene zu den SS-Sammelplätzen transportiert hätte etc. jedoch kaum oder zu nur einem sehr geringen Prozentsatz tatsächlich an Erschießungen o.ä. teilgenommen hat. Die individuelle Schuld der Soldaten also sehr gering sei. Schon ein ziemlicher Widerspruch wenn ihr uns fragt.

Obwohl wir zustimmen müssen, dass der Film keine durchgängig hohe Qualität hält so fanden wir einzelne Szenen absolut genial, bedrückend und erschütternd gut.

Besonders die Figur des Friedhelm hat es uns dabei angetan, in allen 3 Teilen.

Vor allem in Errinnerung geblieben ist uns die Szene als Wilhelm Winter in Teil 2 ausrastet, als er trotz aussichtsloser Lage bei der Kursk-Offensive weiter um eine Telegraphenstation kämpfen soll und auch die Kampfszenen dazu.

Monty
24.04.13, 18:02
Man darf davon ausgehen, sobald Guido involviert ist, wird das gar nichts. Grauenhaft recherchiert, faktenlos und mit dem Drang, wieso gab es nicht drei Millionen Deserteure und 50 Stauffenberg´s.
Das GEZ Fernsehen kann das nicht. Viel zu nah an der Schuldthese und der öffentlichen Meinung verpflichtet.
Eigentlich bleiben nur englischsprachige Dokumentationen.

Lewis Armistead
24.04.13, 19:05
Eben darum waren wir ja überrascht und sind weniger der Ansicht dass der Film da so sehr übertreibt (abgesehen von Wilhelm Winter an diesem See...)

Das SS und SD Verbrechen begangen haben ist ja relativ unstrittig und das waren die 2 größten "Bösewichte" im Film.

Die anderen Gestalten waren ja alle durchaus ambivalent gestaltet.

Auch über der Dokumentation in der für uns durchaus realistische Zahlen genannt wurden stand unter anderem Knopp's Name.

Umso mehr waren wir stinksauer, dass einige Zeitungen dann noch auf dem Film herumtrampelten und die alte Nazi-Keule auspackten.

Die Filme haben sicher ihre Fehler aber in der Darstellung der deutschen Seite aus unserer Sicht ein großer Schritt in die richtige Richtung...

Werth
24.04.13, 19:45
Wir sahen in dem Dreiteiler durchaus viele moderne Bild-Elemente, an die der Zuschauer mittlerweile gewöhnt ist.
Wir bitten zu bedenken, dass die Kenntnisse der Regenten über diese Zeit doch weitgehend über dem Durchschnitt liegen dürften und daher kaum als Maß dienen können.
(Auch Wir lernten die Operation Bagration erst im Spiel kennen. :o)

Gerne geben Wir dem werten Monty recht, dass ein "deutscher" oder "GEZ"-Film bestimmte Inhalte berücksichtigen muss.
Anders als in vielen Strategie-Spielen dürfen "die Deutschen" nicht siegreich sein, sondern müssen in der Niederlage die Schuld anerkennen.
(Ein Panzer General wurde dafür einst indiziert.)

Keine Ahnung, ob "Unsere Mütter..." das Klassikerpotential vom "Boot" hat, aber Wir sehen, ähnlich dem werten Lewis Armistead, einige Graustufen in der Darstellung der Charaktere.

Monty
24.04.13, 20:08
Umso mehr waren wir stinksauer, dass einige Zeitungen dann noch auf dem Film herumtrampelten und die alte Nazi-Keule auspackten.
Solange es nicht möglich ist, in unserer Gesellschaft über diese Zeit frei von ideologischen Einschränkungen darüber zu diskutieren, ist jede deutsche Berichtserstattung dazu zum Scheitern verurteilt.

Ein kleines Beispiel aus dem Buch Unternehmen Barbarossa und der russische Historikerstreit von Wolfgang Strauss.
Seite 45 :
Am 12.05.1993 gab es in Freiburg ein Fachgespräch mit Viktor Suworow (http://de.wikipedia.org/wiki/Viktor_Suworow) und Dr. Joachim Hoffmann (http://de.wikipedia.org/wiki/Joachim_Hoffmann). (Über beide Schriftsteller kann streiten, da sie die Präventivthese 1941 vertreten.).
Dr Hoffmann habe im Gespräch gesagt, dass er einige Persönlichkeiten zur Präventivthese in Deutschland befragt habe. U.A. R. v. Weizsäcker, M. Gräfin Dönhoff , Egon Bahr und Heinrich Graf von Einsiedel.
Man hätte ihm geantwortet, selbst wenn Suworow recht hätte, dürfte man dass nicht sagen, weil damit H. ja dann entlastet würde.

Kann man so deuten(!) : Diskussion war gestern, Fakten sind klar, andere Fakten sind uninteressant, da sie politisch nicht passen. Eine Wertung auf Historikerebene hat zu unterbleiben.

Private_S
24.04.13, 21:36
Herr Hoffmann dürfte es sich v. a. durch seine Tätigkeit gegen Ende seines Lebens selbst zuzuschreiben haben, wenn er sich unter "Ideologie-Verdacht" wähnte. http://de.wikipedia.org/wiki/Joachim_Hoffmann .

Die Präventivkriegsthese ist ein alter Hut, bzw. wird tatsächlich nur noch von Leuten mit ideologisch stark eingeschränkter Sichtweise nacherzählt:
http://de.wikipedia.org/wiki/Pr%C3%A4ventivkriegsthese.

Grüße

Vernichter
25.04.13, 00:30
Herr Hoffmann dürfte es sich v. a. durch seine Tätigkeit gegen Ende seines Lebens selbst zuzuschreiben haben, wenn er sich unter "Ideologie-Verdacht" wähnte. http://de.wikipedia.org/wiki/Joachim_Hoffmann .

Die Präventivkriegsthese ist ein alter Hut, bzw. wird tatsächlich nur noch von Leuten mit ideologisch stark eingeschränkter Sichtweise nacherzählt:
http://de.wikipedia.org/wiki/Pr%C3%A4ventivkriegsthese.

Grüße

In Russland sind die Fronten andere. Suworow wird meist von den russischen Liberalen gelobt und zitiert, während die Rechte und die Altkommunisten ihn ganz schrecklich finden. Wobei ein kleiner Teil der Rechten ihn befürwortet, wenn sie stark antikommunistisch geprägt sind.

Werth
25.04.13, 00:49
Die Frage eines Präventivkrieges gegen die UdSSR halten Wir in diesem Zusammenhang nicht für zielführend.

Wir würden zwei Aspekte hervorheben wollen:
- Das Bemühen, einzelne Individuen oder militärische Einheiten als "ehrenhaft" anzusehen. Eben nicht alle pauschal unter "Militär = Nazi = Verbrecher" zu verurteilen. Exemplarisch am Versuch, ein kleines Mädchen bei der Vertreibung zu retten, um das unmittelbare Erschiessen durch einen SS-Mann darzustellen. Unschuld? Nein. Mitschuld? Ja! Eigenes Verhalten? ...

- Der eher im Hintergrund spielende Grundcharakter: Unsere Mütter und Väter (bei einigen die Großmütter und Großväter) haben mit ihren langjährigen Erfahrungen von Krieg, Leid und Gewalt umgehen müssen.
"Lebe geht weiter", um einen Fußballphilosophen zu zitieren. Als Täter verurteilt waren eben viele selber Opfer; wenn auch mitunter mitverantwortlich.
Um es auch deutlich zu unterstreichen: Es geht nicht um eine Relativierung von Schuld, sondern darum, auch diese Aspekte zu berücksichtigen.

Vernichter
25.04.13, 01:12
http://www.jungefreiheit.de/Single-News-Display-mit-Komm.154+M5e6df9be708.0.html

Wir haben auch einen Link aus der Zeit gebracht. Das Handeln der Personen bleibt nicht nachvollziehbar. Die Nazis sind wieder die Anderen, die Bösewichter und Psychopathen, während die Hauptfiguren irgendwie dabei sind und höchstens dumme Parolen: "wir repräsentieren die deutsche Frau", von sich geben.


Hier soll die jugendbezogene Inszenierung des telegenen Geschichtsunterrichts vor allem klarstellen, daß man als halbwegs kluger und eigenständiger Mensch letzten Endes zwangsläufig im Widerstand enden mußte. Die Vermittlung dieses Bildes zementiert nicht nur den Bruch mit der (älteren) Vätergeneration, der in den 60er Jahren vollzogen wurde. Außerdem transportiert sie im Umkehrschluß, daß alle Nicht-Dissidenten zwangsläufig Monster gewesen seien. Das hat auch Ulrich Herbert erkannt und skurrilerweise ausgerechnet in der taz veröffentlicht:

„Aber solange man nicht einmal einen weder sadistischen noch naiven oder verrückten Menschen vorführt, der völkisch denkt, den Krieg für richtig hält, im Krieg gegen die Sowjetunion keine Kompromisse akzeptiert, der die Juden weghaben will und auch die Euthanasie als im Grunde richtig erachtet, der also die ‘völkischen Lebensgesetze’ als die harte, aber unausweichliche, im Kern schöne Grundlage des Lebens ansieht – so lange werden wir nicht verstehen, was da geschehen ist.“

Das fasst es ganz gut zusammen.

Vernichter
25.04.13, 01:56
Letztendlich ist es die Quadratur des Kreises. Um die Vergangenheit nachvollziehbar darzustellen, braucht man Tiefe. Damit diese Tiefe dargestellt werden kann, braucht es Vorwissen auf Seiten der Filmemacher. Damit diese Tiefe nachvollzogen werden kann, braucht es Vorwissen bei dem Zuschauer. Damit der erhoffte pädagogische, oder eine Diskussion auslösende Effekt greifen kann, braucht es ebenfalls dieses Vorwissen. Man geht aber mit der Vorstellung heran, dass das Publikum ja nicht überfordert werden darf. Mit dem naiven Glauben, es sei möglich komplexe Zusammenhänge in sehr einfacher Sprache zu erzählen. Was soll dabei auch rumkommen, wenn das offizielle Geschichtsbild furchtbar naiv ist? Was soll dabei rumkommen, wenn das Publikum in etwa so selbstständig im Denken ist, wie "unsere Mütter und Väter", teilweise sogar gewaltig hinterher hinkt?

derblaueClaus
25.04.13, 02:31
http://www.jungefreiheit.de/Single-News-Display-mit-Komm.154+M5e6df9be708.0.html

Wir haben auch einen Link aus der Zeit gebracht. Das Handeln der Personen bleibt nicht nachvollziehbar. Die Nazis sind wieder die Anderen, die Bösewichter und Psychopathen, während die Hauptfiguren irgendwie dabei sind und höchstens dumme Parolen: "wir repräsentieren die deutsche Frau", von sich geben.



Das fasst es ganz gut zusammen.

Wir schreiben dazu mal was wir schon in Facebook schrieben :


Der Artikel setzt schon an den richtigen Kritikpunkten an. Aber deswegen den ganzen Dreiteiler als Flach zu bezeichnen halte ich für falsch. Grade im ersten Teil waren die Szenen an der Ostfront ziemlich übel, realistisch und haben die Charaktere durchaus als mit nationalsozialistischem Gedankengut durchtränkt gezeigt. Warum denn sonst würde man z.B. Zivilisten durch ein Minenfeld schicken, wenn man sie nicht als weniger Wert ansähe ? Der Autor des Artikels macht den selben Fehler den er kritisiert. Er reduziert die damaligen Deutschen auf ein Stereotyp, dass sich in seiner (vermuteten) Generation gebildet hat und verkennt, dass sich die perfide Wirkung der nationalsozilistischen Ideologie nicht auf das Verabscheuen von Swing und Juden reduziert, sondern elementare Auswirkungen auf das Verhalten in der gesamten Gesellschaft und grade auch der Soldaten hatte. Und das finde ich bringt der Film sehr gut rüber.

Monty
25.04.13, 09:02
Letztendlich ist es die Quadratur des Kreises. Um die Vergangenheit nachvollziehbar darzustellen, braucht man Tiefe. Damit diese Tiefe dargestellt werden kann, braucht es Vorwissen auf Seiten der Filmemacher. Damit diese Tiefe nachvollzogen werden kann, braucht es Vorwissen bei dem Zuschauer.
Wo soll den dieses Vorwissen herkommen ? Für Wissen brauche ich Lehrstoff. Mich erinnern solche Dokumentationen des ZDF immer an Glaubensfilme. Der Tenor, ich glaube, dass es so ist, ersetzt doch keine Fakten. Auch die rk. Kirche hat immer Fakten anderer ausgeblendet, weil sie nicht ins Bild passten und wurde mit der Abkehr vieler Gläubiger bestraft. Wenn man in Deutschland aufgrund von Politik nicht über Geschichte diskutieren darf, halte ich das für gesteuerte Geschichtsschreibung, die jeden Aufklärungsansatz
aussteuert. Direkt nach Kriegen haben andere Nationen ihre Geschichte aufgearbeitet. In Deutschland ist das halbherzig oder gar nicht passiert. Die Scham war wohl zu hoch oder es gab noch zu viel zu verbergen. Ich glaube nicht, dass ich eine Aufarbeitung dieser Zeit noch erlebe. Vielleicht versucht es mal die nächste Generation...

Lewis Armistead
25.04.13, 10:17
Das Problem dieses Artikels sehen wir ähnlich wie der werte Claus. Wenn wir mal nur nach dem Titel des Films gehen, dann ging es nie darum den "tieferen Sinn" des Holocaust und anderer Kriegsverbrechen zu suchen.
SOndern sozusagen exemplarisch Einzelschicksale darzustellen, wie es gewesen sein könnte. Angeblich wurden die Characktere im Film ja an echte Erlebnisse (ohne persönlichen Bezug zueinander unter den handelnden Personen) angelehnt.

Es ging nie darum die "Bösen" zu zeigen und ihre menschliche, vernünftige Seite zu beleuchten. Sondern sozusagen um den/die "normalen deutschen Durschnittsmann" / "- deutsche Durchschnittsfrau".

Klar ist das Film alles plakativ und wirkt abenteuerlich und übertrieben.

Aber wir finden auch, dass jede Figur eine klare Entwicklung durchmacht und konnten uns (teilweise auf für uns erschreckende Weise) vor allem mit Friedhelm und mit Einschränkungen Wilhelm identifizieren.

Und das ging unserer Ansicht nach nur, weil der Film es von Anfang an geschafft hat in den Grauzonen zwischen Gut und Böse zu wandeln und nichts schwarz-weiß darzustellen.

Was uns aufregt ist, dass für diverse Zeitungen selbst auf diese Weise wo man irgendwo Characktere schafft die alle reale dunkle Seiten offenbaren, es noch nicht "Nazi genug" ist.

Für andere ist es teilweise noch "zu sehr Nazi /Kriegsverbrecher"...auch wir zählen uns eher zu dieser Kategorie, sehen jedoch den Film trotzdem sehr positiv

Wir finden es mutig auf welche Weise sich der Film an eben diese Problematik herangetraut hat...

Arminus
25.04.13, 12:02
Das Problem dieses Artikels sehen wir ähnlich wie der werte Claus. Wenn wir mal nur nach dem Titel des Films gehen, dann ging es nie darum den "tieferen Sinn" des Holocaust und anderer Kriegsverbrechen zu suchen.
SOndern sozusagen exemplarisch Einzelschicksale darzustellen, wie es gewesen sein könnte. Angeblich wurden die Characktere im Film ja an echte Erlebnisse (ohne persönlichen Bezug zueinander unter den handelnden Personen) angelehnt.

Es ging nie darum die "Bösen" zu zeigen und ihre menschliche, vernünftige Seite zu beleuchten. Sondern sozusagen um den/die "normalen deutschen Durschnittsmann" / "- deutsche Durchschnittsfrau".

Klar ist das Film alles plakativ und wirkt abenteuerlich und übertrieben.

Aber wir finden auch, dass jede Figur eine klare Entwicklung durchmacht und konnten uns (teilweise auf für uns erschreckende Weise) vor allem mit Friedhelm und mit Einschränkungen Wilhelm identifizieren.

Und das ging unserer Ansicht nach nur, weil der Film es von Anfang an geschafft hat in den Grauzonen zwischen Gut und Böse zu wandeln und nichts schwarz-weiß darzustellen.

Was uns aufregt ist, dass für diverse Zeitungen selbst auf diese Weise wo man irgendwo Characktere schafft die alle reale dunkle Seiten offenbaren, es noch nicht "Nazi genug" ist.

Für andere ist es teilweise noch "zu sehr Nazi /Kriegsverbrecher"...auch wir zählen uns eher zu dieser Kategorie, sehen jedoch den Film trotzdem sehr positiv

Wir finden es mutig auf welche Weise sich der Film an eben diese Problematik herangetraut hat...Hab die Filme immer noch nicht geguckt, aber bei allem, was ich mitbekommen habe, wird schon gesehen, das man ambivalente Protagonisten hatte. Schlechte Menschen ja, Nazis nein. Und wenn es dem Titel nach nun mal schon um eine ganz bestimmte Generation geht, geht das schon Richtung Geschichtsglitterung, wenn man die plötzlich als komplett unpolitisch zeichnet. Schließlich war es die überzeugteste Generation an Nazis, die es im Dritten Reich gegeben hat. Wenn man überlegt, wen das ZDF so als Publikum addresiert, empfinde ich das ganze schon als krassen Rückschritt der Reflexion über die Rolle unsere Vorfahren im Dritten Reich.

Werd sie mir wohl doch mal angucken, um bewusster lästern zu können. Bei Einzelschicksalen muss ich mal wieder an die ganze Bandbreite sogenannter deutscher Historienfilme denken. Immer die selben absehbaren Einzelschichksal-Stories vor wechselndem historischen Hintergrund, der aber nie eine Rolle spielt. Da die deutsche Geschichte ja so schlimm war, ist immer alles düster gezeichnet, dazu gibt's die üblichen Regimerepräsentaten, eindimensionale Antagonisten, die in jedem Film auch die selbe Funktion haben. Kann man bei einem Film im Dritten Reich nicht ein mal die Sonne scheinen und Leute normale Dinge tun lassen? Was die Protagonisten dieser Filme angeht, das sind absolut austauschbare, zeitlose, apolitische und unreflektierte Gestalten.

Aber wenn man sich die hauptsächliche Zielgruppe anguckt, auch kein Wunder. Deutsche Babyboomer, die sich ihre Eltern offenbar maximal als Mitläufer vorstellen wollen, vielleicht noch als persönlich fehlbar. Aber Nazis? Mal ein sympathischer, persönlich absolut friedlich-freundlicher, aber überzeugter Antisemit und Parteisoldat, das wär mal was. Aber da die selbe stromlinienförmige Generation ja leider auch das Fernsehen macht, kriegt man halt nur risikolose Unterhaltungssoße mit persönlichen Einzelschicksalen... Das ZDF hat sich mit Unsere Väter, unsere Mütter in absoluter Selbstüberschätzung als HBO geriert, dabei produziert man wie der Rest einfach das nächste Pearl Habour mit integriertem moralischem Zeigefinger.

Lewis Armistead
25.04.13, 13:24
Hab die Filme immer noch nicht geguckt, aber bei allem, was ich mitbekommen habe, wird schon gesehen, das man ambivalente Protagonisten hatte. Schlechte Menschen ja, Nazis nein. Und wenn es dem Titel nach nun mal schon um eine ganz bestimmte Generation geht, geht das schon Richtung Geschichtsglitterung, wenn man die plötzlich als komplett unpolitisch zeichnet. Schließlich war es die überzeugteste Generation an Nazis, die es im Dritten Reich gegeben hat. Wenn man überlegt, wen das ZDF so als Publikum addresiert, empfinde ich das ganze schon als krassen Rückschritt der Reflexion über die Rolle unsere Vorfahren im Dritten Reich.

Werd sie mir wohl doch mal angucken, um bewusster lästern zu können. Bei Einzelschicksalen muss ich mal wieder an die ganze Bandbreite sogenannter deutscher Historienfilme denken. Immer die selben absehbaren Einzelschichksal-Stories vor wechselndem historischen Hintergrund, der aber nie eine Rolle spielt. Da die deutsche Geschichte ja so schlimm war, ist immer alles düster gezeichnet, dazu gibt's die üblichen Regimerepräsentaten, eindimensionale Antagonisten, die in jedem Film auch die selbe Funktion haben. Kann man bei einem Film im Dritten Reich nicht ein mal die Sonne scheinen und Leute normale Dinge tun lassen? Was die Protagonisten dieser Filme angeht, das sind absolut austauschbare, zeitlose, apolitische und unreflektierte Gestalten.

Aber wenn man sich die hauptsächliche Zielgruppe anguckt, auch kein Wunder. Deutsche Babyboomer, die sich ihre Eltern offenbar maximal als Mitläufer vorstellen wollen, vielleicht noch als persönlich fehlbar. Aber Nazis? Mal ein sympathischer, persönlich absolut friedlich-freundlicher, aber überzeugter Antisemit und Parteisoldat, das wär mal was. Aber da die selbe stromlinienförmige Generation ja leider auch das Fernsehen macht, kriegt man halt nur risikolose Unterhaltungssoße mit persönlichen Einzelschicksalen... Das ZDF hat sich mit Unsere Väter, unsere Mütter in absoluter Selbstüberschätzung als HBO geriert, dabei produziert man wie der Rest einfach das nächste Pearl Habour mit integriertem moralischem Zeigefinger.

Eben mit jener Sichtweise tun wir uns schwer. Auch so betitelt ist das nicht ein und dieselbe Generation. Wenn man nur mal von einer Bandbreite von 10 Jahren ausgeht, müsste das von der politischen Einstellung ein gewaltiger Unterschied sein ob ,an bei Machtübernahme 33/34 schon 18-20 Jahre alt war oder gerade 8-10 oder vielleicht irgendwo dazwischen.

Und woher nehmt ihr das absolute Wissen dass in "dieser Generation" alles überzeugte Nazis waren? Bei Kriegsausbruch hielt sich die Kriegsbegeisterung im gesamten deutschen Volk sehr in Grenzen. Der Film setzt 2 Jahre später ein und der Führerkult ist sicher auf seinem Höhepunkt, aber ein kompletter Umschwung daran glauben wir nicht. Überzeugter Nationalsozialist, meinetwegen ja. Das waren sicher viele nachdem Hitler so viel "erreicht" hat. Nach den schnellen Siegen usw. Aber überzeugte Antisemiten (und damit meinen wir jetzt mehr als zu dieser Zeit in vielen Ländern eben "üblich" war) und überzeugt von der Notwendigkeit und Richtigkeit der Endlösung. Daran glauben wir nicht. Da es dazu wohl nie Statistiken einer Bürgerbefragung geben wird, werden wir es wohl auch nie erfahren.

Im Film werden die Gestalten aus unserer Sicht keineswegs unpolitisch gezeichnet. Die Krankenschwester ist am Anfang sehr systemüberzeugt und der Offizier schnauzt seinen eigenen Bruder an warum er sich nie freiwilllig für gefährliche Aufgaben meldet und sieht tatenlos zu als er wegen seiner Einstellung von seinen Kameraden verdroschen wird und erzählt am Anfang wie schön es ist vorzustoßen.

Unpolitisch klingt das für uns nicht. Das mit dem harten Kriegsalltag und den Grauen die sie zu sehen bekommen ein Umdenken stattfindet. Das klingt für uns durchaus realistisch. Wenn wir uns mal durchlesen wie gewissen Abkürzungen und Auszeichnungen unter Landsern genannt wurden, hört sich das für uns nicht nach unbedingtem Fanatismus und Glauben an das Regime an.

(http://www.lexikon-der-wehrmacht.de/Soldat/Landserausdruecke-R.htm)

Das ihr gern sehen wollt, wie "normale Menschen normale Dinge tun" empfinden wir wiederum als bedenklich. Eine schlimme, harte Zeit damals. Das sollte man nicht verniedlichen oder verleumden. Das wäre genau das was die Propaganda tat.

Wir sehen die Gestalten nicht als "keine Nazis, aber schlechte Menschen" eher zu Beginn genau anders herum "Nazis ohne schlechte Menschen zu sein".

Und mal eine Frage: Als was stellt ihr euch eure Eltern vor?


Wir beziehen uns jetzt mal nur auf die direkt an den Film angeschlossene Dokumentation die wir oben schon angesprochen haben:

O-Ton: "Institutionelle Verantwortung der Wehrmacht: Hoch , tatsächlich an Kriegsverbrechen beteilligte Soldaten: prozentual sehr wenige"

Daraus folgt:

überzeugte Nazis, Antisemiten und Kriegsverbrecher: wenige

Mitläufer, vielleicht noch persönlich fehlbar: viele

Will das ZDF also einen Film über die breite Masse "unserer Eltern/Großeltern/Urgroßeltern" drehen so muss die erste Gruppe exemplarisch vorkommen, die breite Masse der Characktere aber der zweiten Gruppe angehören.
Unserer Meinung nach geht die Tendenz nach sehen der Miniserie eher in die Richtung das zu viel von der ersten Gruppe vertreten ist um repräsentativ zu sein.

Entweder sind wir in diesem Punkt unterschiedlicher Meinung oder in der Zielsetzung des Films. Wie ihr allerdings den bösen moralischen Zeigefinger seht ohne die Filme je gesehen zu haben (wir sehen ihn bis jetzt nicht) bleibt uns schleierhaft.

Württemberg
25.04.13, 21:02
Hm, naja, man bedenke, dass jemand, der 1941 eingezogen wurde, so um die 20 Jahre alt war. Also war er 1933 zwölf, kein Alter, in dem man schon mit beiden Beinen im Leben steht. Von da an bis 1941 hat er höchstwahrscheinlich die typische NS Laufbahn durchschritten, in dem ihm die Ideologie eingetrichtert wurde; und im Kriegseinsatz in Russland macht sich das dann eben bemerkbar. (Russe = Untermensch, verdient folglich keine menschenwürdige Behandlung als Gefangener, usw...) Kurz: Das "Böse" kommt nicht einfach so durch den Krieg, das wurde den "Müttern und Vätern" schon Jahre früher eingetrichtert. Darauf geht der Film soweit Wir wissen kaum ein, und das geht dann in Unseren Augen wieder in die Richtung: "Es war alles schön, doch dann kam der Krieg und wir wurden böse..."

Ob man so jemanden "überzeugten Nazi" nennen kann, darüber kann man streiten, da er nun mal so erzogen wurde, aber dass er felsenfest von der NS Ideologie überzeugt war, steht für Uns kaum zur Debatte. (Anmerkung: Das klingt sehr paradox, aber Wir hoffen, dass man versteht, was Wir meinen. ;) )


Sicher, es gab Einzelfälle, die mit dem Nationalsozialmus nichts zu tun haben wollten, aber ein Film, der dazu noch so einen Titel, der Anschluss zur Gegenwart suggeriert und scheinbar eine breite Masse ansprechen soll, kann sich doch nicht an solchen Ausnahmefällen festhalten.

Wir haben vor mehren Wochen auch einen interessanten Artikel über die Darstellung der polnischen Gefangenen, Freiwilligen und Partisanen gelesen. Hat einer der Herren evtl dazu noch etwas zu sagen?

Vernichter
25.04.13, 21:07
Wenn es nicht um die "Nazis", sondern nur um Opa und Oma gehen soll, die "Nazis" aber, als idiotische Perverslinge dargestellt werden, drängen sich dem Zuschauer mehrere Schlussfolgerungen auf. Entweder sind Oma und Opa nicht besonders helle im Kopf gewesen, solche dummen Fieslinge mit einem pathologischen Hang zur Gewalt, nicht nur zu dulden, sondern auch noch toll gewesen. Oder sie hatten die ganze Zeit panische Angst vor der übermächtigen und allgegenwärtigen Gestapo. Die zweite Schlussfolgerung wird durch die Ausklammerung von fast jeglicher Normalität gestützt. Die Verbrechen des Regimes springen den Figuren an fast jeder Ecke ins Gesicht. Sie zu verdrängen, oder durch gleichzeitig einströmende Problemstellungen und Informationen, zu relativieren, erscheint unmöglich. Am Ende darf dich der Zuschauer moralisch überlegen, zurücklehnen. Im Gegensatz zu seinen Vorfahren wird er niemals auf politische Manipulation reinfallen, denn er weiß das Böse ist hässlich und dumm. Die Diktatur ist auch ein einziger Ausnahmezustand.

Frisiercreme
26.04.13, 00:58
Der werte Vernichter hat auf einen für uns beunruhigenden Aspekt verwiesen. Und gewissermaßen geht es auch über das konkrete Thema des Filmes hinaus, passt aber nach unsere Auffassung doch in die Betrachtung.

Wir versuchen es einmal so:
Der werte blaue Claus schrieb: Er reduziert die damaligen Deutschen auf ein Stereotyp, dass sich in seiner (vermuteten) Generation gebildet hat und verkennt, dass sich die perfide Wirkung der nationalsozilistischen Ideologie nicht auf das Verabscheuen von Swing und Juden reduziert, sondern elementare Auswirkungen auf das Verhalten in der gesamten Gesellschaft und grade auch der Soldaten hatte.
Geht es aber um Aufarbeitung, dann wird aus verständlichen Gründen stets von 1933-1945 gesprochen. Mit einem gewissen historischen Verständnis wird jedem klar sein, dass die nationalsozialistische Indoktrination seit 1933 Folgen auf die Betroffenen zeitigte.

Das Schlüsselwort durch Vernichter ist jedoch völkisch. Es ist eben nicht so, als sei 1933 der Nationalsozialismus erfunden und deutschlandweit oktroyiert worden.
Er hatte im eigenen Spektrum konkurrierende Idee, war in sich nicht konsistent und hatte auch Wurzeln. Und hier kommt das Wort völkisch wieder zum Tragen, mit allen entsprechenden Gruppen in der Weimarer Republik.
Wir haben uns zu sehr angewöhnt, alles, was rechts steht als "Nazi" zu begreifen und zu benennen. Doch auch abseits und vor dem Natinalsozialismus gab es ein geistiges Klima, das den Kampf, die Nation, die Rasse in den Vordergrund rückte.
Fast mehr als jene Generation, die geschult und indoktriniert durch HJ und BDM 1939 in den Krieg zog erschüttert uns die Generation, die ab 1920 die Weimarer Republik einriss. Natürlich wissen wir um die Kriegserfahrung, Versailler Vertrag etc. pp. Auch ist uns klar, dass Generation ein denkbar schwammiger Begriff ist und erschüttert kein angemessener Geistezustand für einen Historiker ist.

Vielleicht machen wir (alle) im Politforum mal ein Thema auf zur Verstümmelung des Begriffes der politischen Rechten unter besonderer Berücksichtigung des Nationalsozialismus.

derblaueClaus
26.04.13, 02:08
Der werte Vernichter spricht genau den Punkt an, auf den wir letzlich hinaus wollen : Die Taten oder Unterlassungen unserer (Ur)Großeltern sind doch nicht deswegen so erschreckend weil alle kollektiv begeistert den rechten Arm gehoben und von allem was sie getan haben überzeugt waren. Nein, erschreckend ist es weil sie genau wussten oder zumindest ahnten welchen Mist sie da grade zu verantworten haben.

Exemplarisch sei hierbei die Szene erwähnt in der Wilhelm den Befehl bekommt einen gefangenen Kommissar zu erschießen. Er geht dazu alleine mit seinem Gefangenen in ein abgelegenes Wäldchen. Jetzt hat er die Wahl : Erschießen oder Laufenlassen, letzteres natürlich mit dem kleinen Risiko, dass der Komissar wieder gefangengenommen wird und Wilhelm wegen Befehlsverweigerung vor ein Kriegsgericht kommt. Wilhelm zieht nun die Pistole, zögert leicht (wir intepretieren : er zweifelt schon an dem was er tut) und schießt. Wie bereits gesagt : Exemplarisch für fast die gesamte sogn. Elite, die ehemaligen, preussisch-deutschen Offiziere. Hinterfragen, ablehenen und trotzdem durchführen.

Das gesamte Offizierscorps der Wehrmacht war damit durchsetzt und bis auf eine kleine Gruppe haben das alle auch bis zum Ende so durchgehalten. Und wenn schon die ganze Elite die Füße stillhält färbt das natürlich auch auf den Ottonormallanzer ab. Ganz zu schweigen von einer Gesellschaft in der Militär lange Zeit alles, der Zivilist aber nichts bis wenig galt. Auf die Frage weshalb das möglich war haben wir bisher trotz Studiums einiger Bücher zu diesem Thema noch keine befriedigende, abschleißende Antwort gefunden. Insofern kann das von einem Film, zumal vom ZDF, auch nicht verlangen. Aber vor allem der erste Teil konfontriert mit der unangenehmen Wahrheit, dass die Antwort nicht lautet "Alles Nazis", sondern das normale, bürgerliche Menschenn aus der Mitte der Gesellschaft plötzlich in der Lage waren all diese entsetzlichen Dinge zu tun. Und das muss man diesem Film, bei all seinen deutlichen Schwächen, hoch anrechnen.

Württemberg
26.04.13, 07:49
@Frisiercreme: Da habt Ihr natürlich auch recht, der Nationalsozialismus ist 1933 nicht einfach so aufgetaucht. Die eigentliche Wurzel liegt da auf jeden Fall tiefer, und gerade die Generation, die die Weimarer Republik vehement abgelehnt hat, hat ihn erst möglich gemacht - und das waren nicht alles "Nazis", so wie wir den Begriff kennen und auslegen. (Hitler musste zu beginn ja auch erstmal mit der DNVP ein Kabinett bilden.)


@Claus: Guter Punkt. Grade die hochrangigen Offizier hatten ihre militärische Ausbildung allesamt noch im Kaiserreich erhalten. Und gerade dieses "trotzdem durchführen" ist in Unseren Augen das Schlimme, da ein Offizier sich nicht jedem Drecksbefehl fügen sollte, denn dadurch macht er sich - ob er will oder nicht - zum Mittäter und es färbt, wie Ihr sagt, auf die, ohnehin schon indoktrinierten, jungen Soldaten ab.


Aber gerade dieses "plötzlich" finden Wir etwas seltsam. Sie waren doch nicht einfach so plötzlich in der Lage. Die Offiziere hatten diese "trotzdem durchführen" Mentalität schon lange inne und die Soldaten kamen grade aus der HJ. Sie waren nicht plötzlich dazu fähig, die Folgen solch eines Werdegangs machten sich halt erst jetzt richtig bemerkbar.

Private_S
26.04.13, 14:22
Zu den tieferen Wurzeln gehört sicherlich auch Gedankengut, wie es die "Alldeutschen" schon vor 1914 im Kaiserreich verbreiteten. Überlegenheitsgefühle, die Meinung, als zu spät gekommene Nation zu kurz gekommen zu sein bei der Aufteilung der Welt, Antisemitismus/Antimodernismus aus der vor-republikanischen Zeit gingen unter dem Eindruck von Versailles und Nachkriegsnot ein brisante Mischung ein - es gibt ja eine Vielzahl von Leuten, die in den 20er Jahren studierten, diese radikalisierte Geisteshaltung aufnahmen und im NS zur Führungselite von lokaler bis zur Reichsebene gehörten (u.a. Juristen).

Dazu kam, dass der NS, anders als der Marxismus in seinen diversen Spielarten, nicht auf einem theoretischen Gedankengebäude fusste, sondern mit unscharfen, allenfalls pseudo-wissenschaftlichen Grundannahmen operierte, die weit in der Gesellschaft verbreitete Vorurteile und Grundhaltungen in sich aufnahm und daher ein großes "Integrationspotential" bis weit ins (Klein-)Bürgertum hinein und vielleicht auch darüber hinaus barg.

Ein unerklärbarer Rest wird immer bleiben für dieses verschämte Weggucken, mißbilligende Zulassen oder begeisterte Mitmachen. Man sollte aber auch eine verbreitete Hybris, das Gefühl, nichts könne Deutschland aufhalten, als katalysierenden Faktor schon in den letzten Vorkriegsjahren nicht unberücksichtigt lassen. Selbstzeugnisse und Zeitzeugenberichte dokumentieren dies vielfach. Ich erinnere aus der Autobiografie von Fest, wie er so um 1936 (Olypmpiade) im Berliner Alltag einen Meinungsumschwung zugunsten Hitlers ausmachte, der für die wenigen aufrechten Oppositionellen, wie Fests Vater, die Luft immer dünner werden ließ. Die inszenierte Erfolgsgeschichte des NS-Regimes mag einen Mitmach-Sog entfaltet haben, der auch moralische Bedenken immer leichter beiseite wischen ließ. Zumal die Nazis ja recht talentiert die "Volksgemeinschaft" am großen Beutezug teilhaben ließen, angefangen schon vor dem Krieg mit der Entrechtung der jüdischen Bevölkerung und der Weitergabe ihres Vermögens an die VG und die Staatskasse. Bis gegen Mitte des Krieges, so mein Eindruck, scheint in breiten Teilen der sog. "Volksgemeinschaft" großer Optimismus geherrscht zu haben und eine entsprechende Unbekümmertheit.

Historiker wie Longerich haben beschrieben, wie die NS-Machthaber das ganze Volk in eine Mitwisserschaft - und Haftungsgemeinschaft - über ihre Verbrechen hineinzogen. Wie auf Verabredung hat daher zu Kriegsende niemand mehr etwas gewusst. Man lese dazu die Erinnerungen von Saul K. Padover, Lügendetektor: P., als Sohn jüdischer Eltern in Wien 1905 geboren und später emigriert, betrat mit der US-Army 1944/1945 wieder deutschen Boden. Schon gleich nach Einnahme rheinländischer Orte zwischen Aachen und Köln registrierte er jene kollektive Amnesie und moralische Indifferenz, die für die Nachkriegsjahre so typisch werden sollte.

Sehr eindringlich, z.T. erschreckend, sind z. B. auch Feldpostbriefe, siehe hier:
http://www.museumsstiftung.de/feldpost/index.html
Man gebe zum Beispiel einmal das Suchstichwort "Jude" ein ...

Lewis Armistead
26.04.13, 16:43
Zu den tieferen Wurzeln gehört sicherlich auch Gedankengut, wie es die "Alldeutschen" schon vor 1914 im Kaiserreich verbreiteten. Überlegenheitsgefühle, die Meinung, als zu spät gekommene Nation zu kurz gekommen zu sein bei der Aufteilung der Welt, Antisemitismus/Antimodernismus aus der vor-republikanischen Zeit gingen unter dem Eindruck von Versailles und Nachkriegsnot ein brisante Mischung ein - es gibt ja eine Vielzahl von Leuten, die in den 20er Jahren studierten, diese radikalisierte Geisteshaltung aufnahmen und im NS zur Führungselite von lokaler bis zur Reichsebene gehörten (u.a. Juristen).

Dazu kam, dass der NS, anders als der Marxismus in seinen diversen Spielarten, nicht auf einem theoretischen Gedankengebäude fusste, sondern mit unscharfen, allenfalls pseudo-wissenschaftlichen Grundannahmen operierte, die weit in der Gesellschaft verbreitete Vorurteile und Grundhaltungen in sich aufnahm und daher ein großes "Integrationspotential" bis weit ins (Klein-)Bürgertum hinein und vielleicht auch darüber hinaus barg.

Ein unerklärbarer Rest wird immer bleiben für dieses verschämte Weggucken, mißbilligende Zulassen oder begeisterte Mitmachen. Man sollte aber auch eine verbreitete Hybris, das Gefühl, nichts könne Deutschland aufhalten, als katalysierenden Faktor schon in den letzten Vorkriegsjahren nicht unberücksichtigt lassen. Selbstzeugnisse und Zeitzeugenberichte dokumentieren dies vielfach. Ich erinnere aus der Autobiografie von Fest, wie er so um 1936 (Olypmpiade) im Berliner Alltag einen Meinungsumschwung zugunsten Hitlers ausmachte, der für die wenigen aufrechten Oppositionellen, wie Fests Vater, die Luft immer dünner werden ließ. Die inszenierte Erfolgsgeschichte des NS-Regimes mag einen Mitmach-Sog entfaltet haben, der auch moralische Bedenken immer leichter beiseite wischen ließ. Zumal die Nazis ja recht talentiert die "Volksgemeinschaft" am großen Beutezug teilhaben ließen, angefangen schon vor dem Krieg mit der Entrechtung der jüdischen Bevölkerung und der Weitergabe ihres Vermögens an die VG und die Staatskasse. Bis gegen Mitte des Krieges, so mein Eindruck, scheint in breiten Teilen der sog. "Volksgemeinschaft" großer Optimismus geherrscht zu haben und eine entsprechende Unbekümmertheit.

Historiker wie Longerich haben beschrieben, wie die NS-Machthaber das ganze Volk in eine Mitwisserschaft - und Haftungsgemeinschaft - über ihre Verbrechen hineinzogen. Wie auf Verabredung hat daher zu Kriegsende niemand mehr etwas gewusst. Man lese dazu die Erinnerungen von Saul K. Padover, Lügendetektor: P., als Sohn jüdischer Eltern in Wien 1905 geboren und später emigriert, betrat mit der US-Army 1944/1945 wieder deutschen Boden. Schon gleich nach Einnahme rheinländischer Orte zwischen Aachen und Köln registrierte er jene kollektive Amnesie und moralische Indifferenz, die für die Nachkriegsjahre so typisch werden sollte.

Sehr eindringlich, z.T. erschreckend, sind z. B. auch Feldpostbriefe, siehe hier:
http://www.museumsstiftung.de/feldpost/index.html
Man gebe zum Beispiel einmal das Suchstichwort "Jude" ein ...

All das was ihr beschreibt , wird im Film ja durchaus aufgegriffen.

Beispielsweise die deutsche Frau, die in die Wohnung der Juden zieht und sich erst über alles beschwert und dann sagt sie hätte ihnen ja immer helfen wollen...

Monty
26.04.13, 18:06
überzeugte Nazis, Antisemiten und Kriegsverbrecher: wenige
Ich glaube das Gegenteil. Die damalige dt. Bevölkerung war mit der Nazi Doktrin durchsetzt. Die glaubten wirklich an Reich, Volk und Führer. Antisemiten gab es auch ne Menge. Ich habe das selbst erlebt als ganz kleiner Junge, wenn im Verwandtenkreis
darüber gesprochen wurde. Ich verstehe auch nicht, warum im Film in der polnischen Widerstandsgruppe Antisemitismus aufgezeigt wird. Das das hier die Polen heute heftig kritisieren, halte ich für richtig. Das kann ja wohl kaum für jede Widerstandsgruppe gegolten habe. Aber es wird direkt verallgemeinert. Irgendwo habe ich dieser Tage gelesen, dass die polnische Bevölkerung mit am meisten, Juden dem Zugriff der Gestapo entzogen hat. Das hätte mal mal zeigen können. Viele Fakten wurden im Film vermischt, aber was will mal von Knopp´s stümperhaften Recherchen schon erwarten.

Lewis Armistead
28.04.13, 12:33
@Monty:

Ihr mögt mit vielem Recht haben.

Nur verallgemeinert ihr auf der einen Seite selbst:

"Die glaubten wirklich an Reich, Volk und Führer."

Was wir auch garnicht bestreiten wollen und wir sind auch der Meinung, dass dies der Film am Anfang so darstellt. Wir halten es aber für ebenso realistisch, dass ein Umdenken bei realen Menschen stattgefunden hätte die das selbe durchlebten wie die Characktere im Film. (man sehe sich dazu auch mal die Soldatenkameraden Friedhelms an)

Wir haben auch den Antisemitismus nicht bestritten aber den gab es zu dieser Zeit überall. Das rechtfertigt das Ganze keineswegs aber wir sind der Meinung dass es noch ein Unterschied ist allgemein vielleicht dem Antisemitismus zuzustimmen oder ob man auch der Endlösung in ihrer ganzen Form zustimmt.


Auf der anderen Seite wehrt ihr euch vehement gegen die Verallgemeinerung (was ja auch richtig ist aber dann bitte für beide "Seiten"):

Was die Polen angeht, habt ihr natürlich recht, viele halfen den Juden und der Film vermittelt eher das Gegenteil.

Nur geschah dies häufig nicht aus Menschenfreundlichkeit, sondern schlicht weil man denselben Feind hatte. Wir verstehen dass die Polen jetzt natürlich aufschreien, aber die Judenfeindlichkeit gab es auch dort und nicht zu knapp...

Interessanter Artikel dazu: http://www.zeit.de/2001/13/Wie_schuldig_sind_die_Polen_

Elfwolf
28.04.13, 13:21
Viele Fakten wurden im Film vermischt, aber was will mal von Knopp´s stümperhaften Recherchen schon erwarten.

Ich bitte die werte Regenten vielmals um Entschuldigung das ich mich einmische und nochmals um eine Entschuldigung weil ich die Thematik verfehle. Aber ich würde zu gerne wissen warum ich so oft den obig zittierten Satz höre.
Ich habe jetzt viele Sendungen mit Knopp gesehen manche besser manche schlechter aber stümperhafte Recherchen konnte ich so nicht beobachten. Ok manchmal verwechselt er einen PzIV mit einem Phanter aber
relevant für eine Doku der breiten Masse finde ich das nicht.(Da habe ich schon schlimmeres gelesen/gesehen)

Woher kommt also diese Meinung über Knopp?

Monty
28.04.13, 14:20
Knopp behauptet z. B. in "Die Wehrmacht - Eine Bilanz", dass 500.000 deutsche Soldaten an Kriegsverbrechen an der Ostfront beteiligt gewesen sein sollen. Wie hat er denn das festgestellt ? Hat die persönlich interviewt ?
Irgendwo hat er auch mal geschrieben, dass die Rote Armee 1941 den Deutschen zahlenmäßig unterlegen war ? Kann er nicht zählen ?
Es ist müßig über Herrn Professor zu diskutieren, mir gefallen seine Dokus nicht. Sind mir zu reißerisch aufgemacht für das nette Abendprogramm. Klar ist Geschichte trocken, aber zur Geschichtsdokumentation brauche ich keine Spielfilme wie Themen :
Warum aß der Diktator nur Spagetti ?

Silem
28.04.13, 14:34
Knopp behauptet z. B. in "Die Wehrmacht - Eine Bilanz", dass 500.000 deutsche Soldaten an Kriegsverbrechen an der Ostfront beteiligt gewesen sein sollen. Wie hat er denn das festgestellt ? Hat die persönlich interviewt ?


Ich bezweifle das in diesem Buch keine Quellen aufgeführt werden. Trotz allem gibt es hervorragende Quellen über Geschehnisse im Zweiten Weltkrieg, ob es Statistiken, Feldpostbriefe, Verhöre durch alliierte Offiziere oder das Bespitzeln von Kriegsgefangenen ist.


Irgendwo hat er auch mal geschrieben, dass die Rote Armee 1941 den Deutschen zahlenmäßig unterlegen war ? Kann er nicht zählen ?

Ich sage es ja ungern. Aber dieses Zitat bringt gar nichts wenn ihr keinen Bezug herstellt. In direkter Frontnähe waren die Deutschen den Russen tatsächlich überlegen. Zu Beginn des Krieges waren die Soldaten der Roten Armee weit über das Land verteilt und nicht direkt im Grenzgebiet konzentriert. Dann solltet ihr vielleicht auch ein Jahr nennen. 41 ist viel passiert und in einigen Phasen, nach den Kesselschlachten, kann ich mir durchaus vorstellen das die Wehrmacht auch numerisch überlegen war. Selbst in Wikipedia, wo 2 Wissenschaftler, aufgezählt werden, ist die Wehrmacht in beiden Fällen quantivativ überlegen.

http://de.wikipedia.org/wiki/Deutsch-Sowjetischer_Krieg#Truppen-_und_Waffenzahlen_bei_Kriegsbeginn

Elfwolf
28.04.13, 15:28
Ich denke halt das Knopp Dinge sagt die viele nicht hören wollen. Aber egal es hat mich halt interessiert und ich wollte ganz bestimmt nicht eure Diskussion unterbrechen.
Vielleicht mach ich mal einen eigenen Freddy über Knopp auf.
(zieht sich wieder zurück)

Lewis Armistead
28.04.13, 15:47
Vielleicht sagt Knopp aber auch einfach viele Dinge die schlicht nicht wahr sind, die die Alliierten im Nachhinein aber gern so dargestellt hätten...Die Meinungen unter Historikern gehen da weit auseinander...

Die Aussage zu den Kriegsverbrecherzahlen stößt uns ähnlich wie Monty doch sehr sauer auf und Knopp hat aus eben jenem Grund bei uns verschissen...

@Silem:

Die Angaben in deutschen und sowjetischen Dokumenten sind schon krass unterschiedlich...

Und die Quellenarbeit anderer zu kritisieren und dann wikipedia als Referenz zu nennen finden wir schon...nunja...interessant


Was die Zahlen angeht...ohne dass auch nur einer von beiden einen Monat nennt oder worauf sich die Angabe bezieht ist die Diskusssion in der Tat recht sinnlos...aber für uns war klar was Monty meinte, global auf 41 gerechnet hat die rote Armee allein in etwa das an Gefangenen verloren was die Wehrmacht zählte und war im Winter 41/42 immernoch stärker...das Problem ist das Knopp's Dokus von den Massen gesehen werden und genau so eine Aussage dann hängen bleibt...

Monty
28.04.13, 18:09
Vielleicht sollten wir wieder zum Thema zurückkommen, es ging in diesem Thread um den besagten Film. Als Dokumentarfilm halte ich ihn für nicht aussagekräftig. Es wird einfach zu wenig an Information transportiert.
Wahrscheinlich wäre der Unterhaltung erwartende Zuschauer, auch überfordert. Aber dafür ist es ja auch ein Spielfilm, der aber einen Anspruch an der Geschichte sucht.

123
28.04.13, 19:17
Die ... nun ja ... ungenaue Recherche - und damit das Grunddilemma - tritt gleich zu Anfang und zum Ende des Films mit einem zunächst unscheinbaren Detail zu Tage:
An der plakativen Front: Eine Fälschung macht Geschichte (http://pophistory.hypotheses.org/527)

Busse
28.04.13, 19:50
Ich fand den Film gut gelungen. Es wurde ganz unverblümt die Härte des Krieges gezeigt. Gut, die Wahrheit war wohl noch brutaler.
Aber das kann man der guten Abend Fernseh Community auch nicht zumuten. Auch der Tiefgang war angemessen, für ein Restvolk das in Masse tendenziell nicht mehr zwischen Millionen, Milliarden und Billionen € und die Folgen der Staatsverschuldung durch EZB Anleihekäufe unterscheiden kann.
Sicherlich sind einige Szenen konstruiert, wie mit der Sängerin an der Front, die all ihre Freunde wiedertrifft (wie rührend).
Aber der Film sollte ja auch Unterhaltungswert haben.
Muss ja nicht immer eine 30 Minuten Abhandlung zu Auschwitz mit zweistündiger Nachbesprechung im Anschluss des Filmes mit pädagogischen Lehr- und Wissensteil gebracht werden.
Denn darum ging es ja auch nicht. Es ging nicht um Schindlersliste.
Es ging um unsere "Väter und Mütter" im zweiten Weltkrieg, die in der Mehrzahl eben nicht aktiv
am Holocaust beteiligt waren, sondern für die Fehlentscheidung am 30. Januar 1933 geradestehen mussten. Viele die daraufhin
umgekommen sind, waren schlichtweg unschuldig in diesen Strudel hineingeraten. Waren Jung , hatten sich keine Gedanken gemacht. So wie sich heute die Jugend keine Gedanken macht. Auch heute werden in der Politik Behauptungen aufgestellt, die schlichtweg falsch sind. Es wurden typische Lebenswege aufgezeigt, von Menschen die um ihre unbekümmerte Jugend in einem mörderischen System gebracht wurden und als soziale/menschliche Krüppel wieder ausgespuckt wurden.

123
28.04.13, 20:21
Waren Jung , hatten sich keine Gedanken gemacht.
Come on!: Der Film beginnt im Jahr 1941!

So wie sich heute die Jugend keine Gedanken macht.
Ja, ja, die gedankenlose Jugend von heute ... :rolleyes:

Auch heute werden in der Politik Behauptungen aufgestellt, die schlichtweg falsch sind.
"Behauptungen"?

Es wurden typische Lebenswege aufgezeigt, von Menschen die um ihre unbekümmerte Jugend in einem mörderischen System gebracht wurden und als soziale/menschliche Krüppel wieder ausgespuckt wurden.
Eben nicht "typisch". Es wurden "Lebenswege" aufgezeigt, die die Drehbuchschreiber meinten selbst gehabt zu haben, wenn sie ein paar Jahrzehnte früher geboren worden wären.
Der Gipfel der Peinlichkeit war dann noch der brave, sensible und hochintellektuelle Jude ... Klischee hoch 3. Sowas gehört halt mit in einen solchen Familienfilm.

Busse
28.04.13, 21:12
Der werte Vernichter spricht genau den Punkt an, auf den wir letzlich hinaus wollen : Die Taten oder Unterlassungen unserer (Ur)Großeltern sind doch nicht deswegen so erschreckend weil alle kollektiv begeistert den rechten Arm gehoben und von allem was sie getan haben überzeugt waren. Nein, erschreckend ist es weil sie genau wussten oder zumindest ahnten welchen Mist sie da grade zu verantworten haben.

Exemplarisch sei hierbei die Szene erwähnt in der Wilhelm den Befehl bekommt einen gefangenen Kommissar zu erschießen. Er geht dazu alleine mit seinem Gefangenen in ein abgelegenes Wäldchen. Jetzt hat er die Wahl : Erschießen oder Laufenlassen, letzteres natürlich mit dem kleinen Risiko, dass der Komissar wieder gefangengenommen wird und Wilhelm wegen Befehlsverweigerung vor ein Kriegsgericht kommt. Wilhelm zieht nun die Pistole, zögert leicht (wir intepretieren : er zweifelt schon an dem was er tut) und schießt. Wie bereits gesagt : Exemplarisch für fast die gesamte sogn. Elite, die ehemaligen, preussisch-deutschen Offiziere. Hinterfragen, ablehenen und trotzdem durchführen.

Das gesamte Offizierscorps der Wehrmacht war damit durchsetzt und bis auf eine kleine Gruppe haben das alle auch bis zum Ende so durchgehalten. Und wenn schon die ganze Elite die Füße stillhält färbt das natürlich auch auf den Ottonormallanzer ab. Ganz zu schweigen von einer Gesellschaft in der Militär lange Zeit alles, der Zivilist aber nichts bis wenig galt. Auf die Frage weshalb das möglich war haben wir bisher trotz Studiums einiger Bücher zu diesem Thema noch keine befriedigende, abschleißende Antwort gefunden. Insofern kann das von einem Film, zumal vom ZDF, auch nicht verlangen. Aber vor allem der erste Teil konfontriert mit der unangenehmen Wahrheit, dass die Antwort nicht lautet "Alles Nazis", sondern das normale, bürgerliche Menschenn aus der Mitte der Gesellschaft plötzlich in der Lage waren all diese entsetzlichen Dinge zu tun. Und das muss man diesem Film, bei all seinen deutlichen Schwächen, hoch anrechnen.

Ich bitte in der Diskussion bitte einiges zu beachten:

1. Es war eine ganz andere Zeit ( die Großväter unsere Väter haben noch Napoleon erlebt)
2. Antisemitismus war " damals " in Europa nichts ungewöhnliches
3. Die Kolonialzeit (mit weißer Herrenrasse) war in vielen Staaten noch " en vogue " Frankreich und England " waren noch in Besitz ihrer Kolonialreiche; Belgien ---> Völkermord in Kongo gerade mal 25 Jahre.
4. Nachwirkung der Verrohung durch den ersten Weltkrieg ( Verdun, Somme, Schützengräben), Kriegsgewinnler
5. Totale Verarmung und Desillusionierung der Mittelschicht
5. a) Frauen gaben 1919 ihre Töchter zur Prostitution für ein Stück Brot
5. b) Hyperinflation 1923
5. c) Börsencrash 1929 Abzug des ausländischen Kapitals
6. Die Demütigung durch den Vertrag von Versailles
7. Die durch die rechte Presse geschürte Behauptung vom Dolchstoß " ungeschlagen im Felde "
8. Aufstände von Links, Sowjetdeutschland ---> man wusste auch schon was in der Sowjetunion passiert war
9. kein Twitter, keine Abendnachrichten, kein Radio, keinen Zugang zu freien Informationen, kein Internet,
viele Vorurteile
10. Etwas vergleichbares wie den Nationalsozialismus hatte es vorher noch nicht gegeben
11. In der Schule gab es noch den Rohrstock !
12. Kinder wurden in der Erziehung noch "gebrochen"

Unter all diesen Einflüssen standen " unsere Väter, unsere Mütter und deren Eltern " 1933 / 1939 / 1942 usw.
Aus heutiger Sicht ist es einfach zu sagen: ... kann ich mir nicht erklären, warum der und der so gehandelt hat... . Soll sich jeder kritisch überprüfen, wie er selbst damals gehandelt hätte. Ich könnte es nicht mit Gewissheit sagen.

Einen schönen Sonntag noch.

Busse
28.04.13, 21:18
Eben nicht "typisch". Es wurden "Lebenswege" aufgezeigt, die die Drehbuchschreiber meinten selbst gehabt zu haben, wenn sie ein paar Jahrzehnte früher geboren worden wären.

Gegenfrage, wie hätte Deiner Meinung nach ein typischer Lebensweg ausgesehen ?

123
28.04.13, 22:46
Gegenfrage, wie hätte Deiner Meinung nach ein typischer Lebensweg ausgesehen ?
Ich habe nur bemerkt, dass die gezeigten Lebenswege absolut keine typischen gewesen sind. Mehr ein Märchen mit Panzern und Nazis ...

Vielleicht wäre der Lebensweg des Offiziers der Strafkolonne "typischer" geworden. Das wäre auch mal richtig interessant und mutig gewesen. Aber so jemand ist natürlich keine Identifikationsfigur für die ganze Familie ...

Lewis Armistead
28.04.13, 23:18
@Greenhorn:

Benennt uns mal bitte genau was an den ungefähren Lebenswegen bis weit in den zweiten Teil hinein sooo unrealistisch war.

Das die Verstrickungen im Abschlussteil mitunter haarsträubend werden, okay...

Aber bis dahin...

die Laufbahn eines Offiziers, eines gemeinen Soldaten, einer Krankenschwester, eines deportierten Juden der fliehen kann und sich Partisanen anschließt (grenzwertig), eine berühmte Sängerin (okay, akzeptiert)...

Das irgendetwas außergewöhnliches in einen Film hereingepackt wird, sollte jedoch klar sein...

Es ist ja nicht so, dass es damals nicht außergewöhnliche Dinge gab...Briefhochzeit zum Beispiel...

derblaueClaus
29.04.13, 13:50
Ich bitte in der Diskussion bitte einiges zu beachten:

[...]

Unter all diesen Einflüssen standen " unsere Väter, unsere Mütter und deren Eltern " 1933 / 1939 / 1942 usw.
Aus heutiger Sicht ist es einfach zu sagen: ... kann ich mir nicht erklären, warum der und der so gehandelt hat... . Soll sich jeder kritisch überprüfen, wie er selbst damals gehandelt hätte. Ich könnte es nicht mit Gewissheit sagen.

Einen schönen Sonntag noch.

Ihr versteht offensichtlich nicht ganz was wir meinen. Ihr habt mit euren Punkten zumindest teilweise recht. Wir sagen ja selber : Wären alle mit Begeisterung dem Führer gefolgt wäre das alles leichter zu verstehen und zu verarbeiten. Nur war es eben nicht so. Man folgte nur widerwillig und in dem Bewussstsein, dass man das Falsche tat oder sich zumindest an dem Falschen beteiligte. Trotzdem rafften sich nur einige wenige auf und das viel zu spät. Und das erklären weder Weltwirtschaftskrise noch Versailles. Die Erziehung, die darauf folgende Obrigkeitshörigkeit und die Dolchsoßlegende vielleicht schon eher. Man sollte allerdings nicht vergessen, dass der Film zu Hochzeit des Führerkultes beginnt. Wir geben deshalb zu bedenken, dass Hitler und die Nationalsozialisten vom Militär, nicht als gleichwertig oder gar wilkommende Ablösung demokratischer Kräfte gesehen wurde. Im Gegenteil. Ähnliche Ansichten herrschten bei der Ober- und Mittelschicht und, entgegen aller Legendenbildung, auch bei der Industrie vor. Das änderte sich dann sicherlich spätestens mit den Siegen gegen Frankreich und Polen, kippte allerdings mit Beginn des Russlandfeldzuges wieder. Das Thema ist eben insgesamt deutlich komplexer als ihr es darstellt.

Eine kleine Anmerkung noch : Unschuldig in den Strudel geraten ist da keiner. Wir sind der Meinung das jeder Mensch einen gewissen Teil dazu beitragen kann wie bestimmte Dinge in der Gesellschaft ablaufen. Selbst wenn er an einer Mehrheit scheitert muss sicher jeder Fragen lassen was er tut um seiner Ansicht nach Falsches zu korrigieren. Wer sich dazu nicht durchringen kann, muss sich auch gefallen lassen für die Fehler, die diese Mehrheit gemacht hat mitverantwortlich gemacht zu werden. Wer uns entgegenhält das dies schwer möglich gewesen wäre, dem halten wir Stauffenberg,Schindler und viele andere, die Juden oder politisch Verfolgte versteckten oder verschonten entgegen. Als weiteres Beispiel sei die Verweigerung des Kommisarbefehls genannt. Hätten damals mehr Menschen auch nur 1/100 des Mutes und der Entschlusskraft der vorgenannten Personen gehabt wäre das Experiment Nationalsozialismus bereits 1934 beendet gewesen.

Arminus
29.04.13, 14:11
Es ging um unsere "Väter und Mütter" im zweiten Weltkrieg, die in der Mehrzahl eben nicht aktiv
am Holocaust beteiligt waren, sondern für die Fehlentscheidung am 30. Januar 1933 geradestehen mussten.Und das ist das Grundproblem, was ich mit dem Film hatte. Die armen Kinders sind da einfach reingewachsen und hatten keine Wahl. Sind doch auch alles nur Opfer. Nazis sind halt doch nur die anderen. Eure Auflistung im Beitrag darunter macht mir in dem Kontext noch mehr Bauchschmerzen. Das ist eine Relativierung nach der anderen. Natürlich gibt es immer Ursachen für politische Einstellungen und persönliches Verhalten. Aber wieso entschuldigt das von irgendetwas?

Eure Mütter und Väter waren keine armen, vom Regime bis zur Geschäftunfähigkeit Konditionierte. Manche begriffen die Chance, die ihnen das Regime bot. Und andere werden sich mit den politischen Inhalten wie dem Antisemitismus und dem Revisionismus sehr gut identifiziert haben können. Sie waren sich sehr wohl bewußt darüber, was sie taten, werden es teilweise verdrängt haben, verleugnet, verklärt haben, zum Teil aber auch offen gefordert und bejubelt haben. Von daher bleibe ich bei meiner initialen Haltung. Wenn ich mir angucke, wie die Filme hier rezipiert werden, sind sie ein gewaltiger, fast schon gefährlicher Rückschritt in der Verarbeitung der NS-Zeit.

123
29.04.13, 14:33
"Typische" Lebensläufe wären weitaus unsympathischer und vor allem schonungsloser. Sie würden Mitläufer zeigen, Führer-Gläubige bis zuletzt oder bis die Fassade vom "Endsieg" abgefallen wäre, und dann eventuell Opportunisten, die ihre Vergangenheit verdrängen. Sie hätten denunziert und nicht bereut, wären am Ende vielleicht vollkommen desillusioniert. Wären Nazis und Judenhasser geblieben bis ins Grab/Altersheim (wie meine Opas bis zuletzt). Aber das hätte höchstwahrscheinlich einen Riesenaufschrei gegeben, gegen den die ganze Auseinandersetzung um die "Ehre der Wehrmacht" ein laues Lüftchen wäre :D

Kurzum: Es wäre eventuell viel spannender gewesen, wenn der Film für jeden einzelnen gezeigt hätte, wo die Grenze ist, bei der man von der Menschlichkeit in die Unmenschlichkeit hinüberspringt und wie dann damit umgegangen wird. Nicht zu versuchen, die Handlungen "nachvollziehbar" zu machen oder gar irgendwelche Identifikationsfiguren zu schaffen. Keine alternative "Swingjugend" mit einem Quotenjuden (Achtung: Sarkasmus!) in der Clique ... sondern HJ/DBM, Führerkult und offene Distanzierung von früheren jüdischen Bekannten. So aber haben die Drehbuchschreiber einfach ihre eigene Jugend in die Zeit von vor 1945 reinreflektiert und das ist der Grundfehler.

Wir empfehlen in diesem Zusammenhang den Film Die Brücke (https://www.youtube.com/watch?v=Niih091sQoU) (das Original von 1956, nicht der alberne Mist von 2008).

Werth
29.04.13, 16:03
@ Arminus: Der "Rückschritt in der Verarbeitung der NS-Zeit" ist einer größeren zeitlichen Distanz und einer "Normalisierung" durch andere Ereignisse geschuldet. Die heutige Jugend wird den Zweiten WK bald so betrachten, wie wir den Ersten. :amen:
Die Zeitzeugen werden weniger, politische Aktionen des Staates Israel werden zur rückwärtsgewandten Rechtfertigung heran gezogen.

@ derblaueClaus: Die Haltung "Unschuldig ist [war] keiner" können Wir nicht teilen. Dies setzt nach Unserer Meinung eine andere Sozialisation und demokratische Teilhabe voraus. Dinge, die erst nach 1945/1949 entstanden.

Lewis Armistead
29.04.13, 16:14
@Greenhorn:

Was jetzt typische Lebensläufe sind und was nicht, darüber ließe sich wohl endlos debattieren.

Ihr werter Greenhorn, projeziert zum Beispiel die Erfahrung mit euren Großeltern auf die Allgemeinheit. Vielleicht haben die Filmautoren dasselbe mit ihren Eltern und Großeltern getan? ;)

Wer jetzt die Mehrheit repräsentiert ist schwer zu sagen.

@Arminus:

Wir bestreiten garnicht, dass es die Gruppe gab, die das "neue System" zum eigenen Vorteil nutzte oder bedingungslos daran glaubte. Aber genauso gab es die andere Seite, die dem kritisch aber weitgehend ohnmächtig gegenüber stand.

Zum Zeitpunkt der letzten Wahlen mit der Möglichkeit der Einflussnahme 1933 erachten wir es noch auf keinen Fall für klar ersichtlich in welcher Richtung sich der Ausgang entwickeln würde. Lest mal das Wahlprogramm der Nationalsozialisten dieser Zeit (hat unser Geschichtslehrer mal vorgelegt). Klingt alles unbestreitbar gut. Der Kern war die spätere Auslegung...

Sonst hätten alle anderen Parteien (zusammen immernoch die Mehrheit) ja schon damals alles getan um Hitler als Reichskanzler zu verhindern. Große Koaltitionen gab es bereits zuvor (wenn auch nicht sonderlich erfolgreich).

Zu einem späteren Zeitpunkt gab es keine "echten" Wahlen mit einer Alternative mehr und der Reichstag hatte seine Macht maximal noch auf dem Papier. Zu dieser Zeit ahnte auch niemand im Ausland wo das alles hinführte. Gern war man zu Gast bei den olympischen Spielen, man schluckte die Remilitarisierung des Rheinlandes, den Anschluss, jahrelange Appeasement-Politik.

Und ihr sagt nun im Prinzip dass alle schon damals hätten schlauer sein müssen und den Weg erkennen. Das ist , entschuldigung, Schwachsinn.

@ Claus:

Danach waren die Möglichkeiten zum Widerstand doch sehr begrenzt und wenn dann nur weitgehend auf individueller Ebene möglich.

Mal ehrlich was waren denn die Alternativen. Sich konform verhalten oder erhebliche Repressalien gegen die eigene Person, Familie, Freunde, Bekannte bis zur Internierung oder Tod.

Natürlich macht der Mensch sich mitschuldig, wenn er deswegen wegsieht. Aber in der Natur des Menschen liegt auch ein Selbsterhaltungstrieb und die Erhaltung der Nächsten, vor der Erhaltung anderer Personen. Nicht viele haben die Courage aber auch die Gleichgültigkeit gegenüber dem eigenen Leben wie ein Stauffenberg oder Schindler.

Das Problem was wir glauben was viele hatten: "Wenn ich es nicht mache, tut es ein anderer und ich und meine nächsten leiden unter der Weigerung, also mache ich es."

Deswegen schätzen wir, wenn wir uns mit dieser Zeit beschäftigen die Männer und Frauen die barmherzig und menschlich blieben wo es ihnen möglich war und nicht die sicher hoch Moralischen und irgendwo sicher Bewundernswerten mit der Brechstange die früher oder später vor dem Erschießungskommando endeten.

Das gilt im Übrigen im Prinzip auch für Stauffenberg und seine Genossen. Die stürmten nicht mit der MP40 einen Raum und durchsiebten Hitler samt Führungsstab mit Kugeln und an 2 oder 3 anderen Orten parralel Himmler, Göring und Goebbels was einfach gewesen wäre. Sie versuchten es so, dass sie nach Plan überlebten und die Regierung übernehmen könnten.

Und ein letztes...warum wurde denn der Komissarbefehl letztendlich zurückgenommen. Weil die Soldaten ihn in großer Mehrheit negativ aufnahmen und ohnehin nicht befolgten...

Württemberg
29.04.13, 16:31
Also, jetzt bringen Wir mal ein Beispiel aus der eigenen Familie:

Aus Erzählungen wissen Wir, dass Unser Urgroßvater schon 1933 sagte, dass die Nationalsozialisten Deutschland in den nächsten, weitaus schlimmeren, Krieg führen werden. Wir denken schon, dass ein klar denkender Mensch auch damals erkennen konnte, wo das alles hinsteuert. Viele sehnten sich ja nach einer Art neuem Kaiser, den sie in Hitler sahen, und konnten oder wollten all das evtl. nicht reflektiert betrachten, sondern sahen nur, was sie sehen wollten.

Trotzdem ist es ein verdammt schweres Thema, da man nicht einfach die Opferrolle auf das ganze Volk projizieren sollte ("Wir haben doch gar nichts gewusst!", usw...), noch sollte man sagen, dass alles Nazis waren. Jedoch war in Unseren Augen der große Teil der damaligen Deutschen bis kurz vor dem bitteren Ende (und stellenweise darüber hinaus) vom Nationalsozialismus und seinem Führer überzeugt. Auch Leute wie Stauffenberg sehen Wir kritisch, da sie erstmal jahrelang vom Regime profitiert haben und erst gehandelt haben, als die Katastrophe schon längst besiegelt war. Da finden Wir Leute wie die Geschwister Scholl und Georg Elser deutlich bewundernswerter...

Longstreet
29.04.13, 16:40
Das gilt im Übrigen im Prinzip auch für Stauffenberg und seine Genossen. Die stürmten nicht mit der MP40 einen Raum und durchsiebten Hitler samt Führungsstab mit Kugeln und an 2 oder 3 anderen Orten parralel Himmler, Göring und Goebbels was einfach gewesen wäre. Sie versuchten es so, dass sie nach Plan überlebten und die Regierung übernehmen könnten.

Das ist das Problem an solchen Attentaten. Wenn man sie geschickt ausnutzen will, muss man selbst den Abzug betätigen und danach noch verfügbar sein, um notwendige Dinge selbst zu tun.
Wir haben Uns übrigens mal dazu hinreißen lassen im Rahmen eines Seminars die These aufzustellen, ob Stauffenberg Hitler wirklich töten wollte. Man denke an das zweite Sprengstoffpaket, das er auf dem Rückweg zum Flugplatz aus dem Wagen warf. Wenn das Päckchen neben dem ersten scharf gemachten gelegen hätte, hätte da niemand überlebt (zumindest hat das ein höhergestellter Kriminalermittler festgestellt, der die Unterlagen der damaligen Untersuchungen in die Finger bekam).

Zurück zum Thema: sogar die eben angesprochenen Verschwörer des 20. Juli waren anfangs mehr oder weniger begeisterte Parteigänger Hitlers. Erst die immer klarer zu Tage tretende Natur des Vernichtungskrieges hat sie zum Nachdenken und Umdenken bewegt. Machen wir uns nichts vor: diese Männer waren zum Teil auch antidemokratisch/monarchistisch/nationalistisch gesinnt....

Württemberg
29.04.13, 16:50
@Longstreet: Natürlich waren sie das. Stauffenberg hatte ja nur eine Beendigung des Krieges im Westen angestrebt, gegen die SU sollte es weitergehen - und er wollte ja wieder ein Preußendeutschland wie bis 1918 erschaffen. Ideologisch haben sie sich demzufolge nie völlig von denen, die sie beseitigen wollten, distanziert. Da muss in Unseren Augen schon ein gewisses Gedankengut dagewesen sein, das nahezu jeder inne hatte. Das führt aber wiederum zur Frage, wo die Wurzeln des Nationalsozialismus liegen, und das ist dann auch wieder ein zu großes Thema für eine ZDF Produktion.

Lewis Armistead
29.04.13, 17:02
@Württemberg:

Ohne etwas unterstellen zu wollen...aber wenn wir es mal nüchtern betrachten "...aus Erzählung über den Urgroßvater, meinen wir zu wissen, dass dieser später behauptet hat, er hätte es schon 1933 gewusst und gesagt..."

Das klingt für uns nicht wirklich überzeugend. Und selbst wenn es so gewesen wäre, schließt ihr von eurem Urgroßvater auf die Allgemeinheit.

Unsere Aussagen dazu sind der Meinung nicht nur der deutschen - sondern der Weltöffentlichkeit angelehnt. Und zu dieser Zeit gab es noch offene Grenzen usw.

1933 wäre euer Urgroßvater auch dann im Prinzip mit seiner Erkenntnis zu spät dran gewesen um die Saat im Keim zu ersticken, da die Reichstagswahl im März 1933 bereits nach der "Machtergreifung" , Notverordnungen und deutlich im Zeichen der beginnenden Diktatur stand.

Württemberg
29.04.13, 17:06
@Armistead: Also Wir wissen, dass er die Erkenntnis schon lange vor '33 hatte, nur hatte ihn eben niemand ernst genommen, weshalb Wir aufgrund dieses Beispiels schon auf die Allgemeinheit schließen. (Zumindest in dem Dorf Unserer Urgroßeltern)

Und natürlich wäre das '33 zu spät gewesen, doch die meisten Deutschen scheinen sich ja auch nicht wirklich an den Notverordnungen gestört zu haben, da viele auch der Ansicht waren, dass die Demokratie keinen Wert mehr hat und daher einer Diktatur aufgeschlossen waren. Gab's ja schon im Kaiserreich, dem viele die ein oder andere Träne hinter her weinten.

Lewis Armistead
29.04.13, 17:07
@Württemberg:

Wir finden ihr seht den Nationalsozialismus zu sehr als das was aus ihm wurde und für was er heute das Symbol ist.

Nehmen wir jedoch den Antisemitismus und die Planung von Angriffskriegen mal aus der Rechnung heraus (wie es Stauffenberg und seine Komplizen wohl in etwa getan hätten) bleibt vom Nationalsozialismus eine Regierungs-/ Weltanschauungsform der Elemente des Nationalismus und Sozialismus zusammensetzt.

Darin ist rein vom Prinzip nichts schlechtes, ebensowenig wie an "Preußendeutschland". Es ist ja jedem selbst überlassen ob er nun eine autokrate/monarchistische Regierungsform oder eine demokratische vorzieht. Uns wäre zumindest nicht bekannt, dass eine der beiden Formen bisher wirklich ihre Überlegenheit bewiesen hätte.


Vor allem damals schien die Demokratie nach der Weltwirtschaftskrise schwach und zum Scheitern verurteilt. Die westlichen Demokratien haben Deutschland im Stich gelassen. Wo es boomte waren Italien und die Sowjetunion. Autokratien...

Auch der Versailler Vertrag galt als Schande und oberstes Ziel jeder Regierung musste die weitgehende Revision sein...was den Nationalsozialismus zum "ultimativ Bösen" macht sind der Antisemitismus und die Weltanschauungskomponente mit dem ganzen Herrenrassenunsinn, nicht die Vorstellungen eines effektiven Staates.

Das dies schon vor 1933 in diesem Ausmaß voraussehbar war glauben wir nicht. Vielleicht hat euer Urgroßvater etwas geahnt, oder Befürchtungen für einen "worst case" gehabt, wo es hinführt. Aber wenn er alles genau so voraus gesehen hat, würden wir auch gern mal einen Blick in die Kristallkugel in eurem Familienerbe werfen...

Longstreet
29.04.13, 17:12
Uns wäre zumindest nicht bekannt, dass eine der beiden Formen bisher wirklich ihre Überlegenheit bewiesen hätte.

Och doch....die Demokratie hat inzwischen doch eine verdammt lange Friedenszeit in Europa produziert. Dass in der Peripherie nunmal immer Krieg geführt werden muss, um uns hier unter uns zu halten, ist bedauerlich aber sicher nicht zu verhindern. Allerdings würde diese Diskussion hier das Thema knacken und wohl auch zu weit führen.

Württemberg
29.04.13, 17:14
@Württemberg:

[...]
Nehmen wir jedoch den Antisemitismus und die Planung von Angriffskriegen mal aus der Rechnung heraus (wie es Stauffenberg und seine Komplizen wohl in etwa getan hätten) bleibt vom Nationalsozialismus eine Regierungs-/ Weltanschauungsform der Elemente des Nationalismus und Sozialismus zusammensetzt.

[...]


Entschuldigt bitte, aber das könnt Ihr doch nicht ernst meinen. Was ist mit der Unterdrückung und Verfolgung Andersdenkender? Der Abwertung des Individuums? Und generell einem autokratischen System, bei dem wenige über das Schicksal von vielen bestimmen?

Darin besteht in Unseren Augen schon einiges Schlechtes... Weshalb Wir auch das Kaiserreich mehr oder weniger als Wegbereiter dessen, was später kam, sehen.

Lewis Armistead
29.04.13, 17:16
@Longstreet:

Bleibt die Frage ob es die Demokratie ist die uns den Frieden bringt oder die Atomwaffenarsenale der USA...

Nord- und Südkorea drohen sich seit 60 Jahren ja auch nur ohne offenen Krieg, obwohl Nordkorea eine Diktatur ist.

Aber ihr habt recht, das würde den Rahmen sprengen...

Lewis Armistead
29.04.13, 17:24
@ Württemberg:

Die Verfolgung Andersdenkender usw. schließen wir in den Herrenrassenunsinn und Antisemitismus mit ein, da hätten wir uns klarer ausdrücken sollen.


Autokratien haben durchaus ihre Vorzüge. Natürlich bestimmen wenige. Aber das schließt rein vom Prinzip nicht aus, dass die Entscheidungen zum Wohle vieler sind. Das Reich erlebte unter Hitler erst einmal einen gewaltigen Aufschwung.

Und wir sehen durchaus viel negatives in dem riesigen demokratischen Apparat, der vor lauter Demokratie in seinen Entscheidungen nicht wirklich vorwärts kommt und halbgare Kompromisslösungen präsentiert die niemandem wirklich nützen aber vielen schaden.

Die Abwertung des Individuums. Das ist eine Sache der persönlichen Präferenz. Wir persönlich würden es nicht wollen, aber viele halten es für in Ordnung das Individuum abzuwerten um die Gesellschaft und Volksgemeinschaft aufzuwerten. Nichts anderes tun wir mit Steuern oder anderen Maßnahmen zur Umverteilung des Einkommens. Alles was nicht liberal ist zum Beispiel alle Gesetze dieser Welt, ist am Ende genau das. Wir schränken die Freiheit des Individuums ein um die Freiheit anderer zu sichern/ zu stärken.


All das soll nicht heißen, dass wir einen autokratischen Führerstaat oder gar den Nationalsozialismus wie es ihn gab befürworten. Aber wir stellen uns auch nicht blind und taub gegenüber den Vorzügen, zumindest des ersteren.

Arminus
29.04.13, 17:29
@Arminus:

Wir bestreiten garnicht, dass es die Gruppe gab, die das "neue System" zum eigenen Vorteil nutzte oder bedingungslos daran glaubte. Aber genauso gab es die andere Seite, die dem kritisch aber weitgehend ohnmächtig gegenüber stand.

Zum Zeitpunkt der letzten Wahlen mit der Möglichkeit der Einflussnahme 1933 erachten wir es noch auf keinen Fall für klar ersichtlich in welcher Richtung sich der Ausgang entwickeln würde. Lest mal das Wahlprogramm der Nationalsozialisten dieser Zeit (hat unser Geschichtslehrer mal vorgelegt). Klingt alles unbestreitbar gut. Der Kern war die spätere Auslegung...

Sonst hätten alle anderen Parteien (zusammen immernoch die Mehrheit) ja schon damals alles getan um Hitler als Reichskanzler zu verhindern. Große Koaltitionen gab es bereits zuvor (wenn auch nicht sonderlich erfolgreich).

Zu einem späteren Zeitpunkt gab es keine "echten" Wahlen mit einer Alternative mehr und der Reichstag hatte seine Macht maximal noch auf dem Papier. Zu dieser Zeit ahnte auch niemand im Ausland wo das alles hinführte. Gern war man zu Gast bei den olympischen Spielen, man schluckte die Remilitarisierung des Rheinlandes, den Anschluss, jahrelange Appeasement-Politik.

Und ihr sagt nun im Prinzip dass alle schon damals hätten schlauer sein müssen und den Weg erkennen. Das ist , entschuldigung, Schwachsinn.Ihr schweift ab, von 33 redet hier niemand, und 39/40/41 war der Weg ziemlich eindeutig zu erkennen. Der werte Busse hat es so dargestellt, als wäre die Generation, die 33 eben noch nicht gewählt hat, mehr oder minder schuldlos, wenn nicht gar ein Opfer des Regimes. Dem habe ich widersprochen. Ich habe an keiner Stelle aktiven Widerstand eingefordert, so etwas halte ich für weltfremd. Aber nur, weil die Generation nicht an der Ermächtigung der Nazis beteiligt war und sie zu keiner Zeit die Entscheider stellte, muss man nicht so tun, als wäre das Ganze aus den Umständen heraus entstanden. Man scheint sich offenbar nicht mehr mit der Tatsache auseinandersetzen zu wollen, dass die eigenen Eltern vielleicht gar nicht so unbescholten war und verklärt das Ganze in einer Weise, die fast schon an die 50er erinnert.



Sonst hätten alle anderen Parteien (zusammen immernoch die Mehrheit) ja schon damals alles getan um Hitler als Reichskanzler zu verhindern.Ich erinnere mich dunkel, dass die Parteien durchaus mehr Möglichkeiten gehabt haben und sie nicht nutzten. Ihr überschätzt die Parteien und deren Verhältnis zum politischen System deutlich.



edit: Thema ins Geschichtsforum verschoben.

Und bitte beim Thema bleiben und nicht in allgemeine Regimevergleiche verfallen oder versuchen zu belegen, dass der Gang nach Canossa der Mauerfall vorweg genommen hat.

Württemberg
29.04.13, 17:33
@Armistead: Das sollte auch kein Vorwurf an Euch sein, dass Ihr einen Führerstaat bevorzugen würdet.

Man sollte die verschiedenen Herrschaftsformen auch mit Sicherheit differenziert betrachten. Auch eine Diktatur hat ihre Vorzüge, aber wenn Wir ehrlich sind, leben Wir lieber in einer Demokratie, da in einer Diktatur so eine Diskussion zum Beispiel nur hinter verschlossenen Türen möglich wäre.

Hm, Steuern und Gesetze empfinden Wir allerdings nicht als eine Abwertung des Individuums, da Wir auch keine anarchischen Zustände wollen, und sozial Schwächere auch Unterstützung benötigen.

Aber das weicht alles viel zu sehr vom ursprünglichen Thema ab.

Lewis Armistead
29.04.13, 17:44
Ihr schweift ab, von 33 redet hier niemand, und 39/40/41 war der Weg ziemlich eindeutig zu erkennen. Der werte Busse hat es so dargestellt, als wäre die Generation, die 33 eben noch nicht gewählt hat, mehr oder minder schuldlos, wenn nicht gar ein Opfer des Regimes. Dem habe ich widersprochen. Ich habe an keiner Stelle aktiven Widerstand eingefordert, so etwas halte ich für weltfremd. Aber nur, weil die Generation nicht an der Ermächtigung der Nazis beteiligt war und sie zu keiner Zeit die Entscheider stellte, muss man nicht so tun, als wäre das Ganze aus den Umständen heraus entstanden. Man scheint sich offenbar nicht mehr mit der Tatsache auseinandersetzen zu wollen, dass die eigenen Eltern vielleicht gar nicht so unbescholten war und verklärt das Ganze in einer Weise, die fast schon an die 50er erinnert.


Ich erinnere mich dunkel, dass die Parteien durchaus mehr Möglichkeiten gehabt haben und sie nicht nutzten. Ihr überschätzt die Parteien und deren Verhältnis zum politischen System deutlich.



Das klingt für uns als verstrickt ihr euch in Widersprüche...

Die Generation war nicht an der Ermächtigung Hitlers beteilligt, stellte zu keiner Zeit die Entscheider und aktiven Widerstand haltet ihr selbst für weltfremd. Trotzdem soll die Generation in keiner Weise für euch Opfer der Umstände sein. Das ist für uns nicht logisch.

Das sie völlig unbescholten waren oder sind, wollten wir nie ausdrücken oder beweisen...aber hereingeraten in eine Situation mit der der Umgang äußerst schwierig war, wenn man im Prinzip dagegen war sind sie nach den oben von uns und euch aufgezählten Argumenten aus unserer Sicht mehr oder minder schuldlos.


Auch die Aussage zu den Parteien klingt für uns widersprüchlich. Ihr sagt wir überschätzen die Macht der Parteien, billigt ihnen aber selbst zu, dass die Parteien durchaus die Möglichkeiten gehabt hätten die "Machtergreifung" zu verhindern. Das Scheitern kann nun den schlichten Grund der Unfähigkeit haben oder aber, dass die Gefahr die von Hitler ausgeht damals noch nicht in dem Maße zu erkennen und überschauen war.


@Württemberg:

Wir haben das auch nicht als Vorwurf aufgefasst, aber bei den Punkten die ihr anspracht mussten wir unsere Haltung einfach präzisieren und den Hintergrund klären.

Arminus
29.04.13, 18:43
Die Generation war nicht an der Ermächtigung Hitlers beteilligt, stellte zu keiner Zeit die Entscheider und aktiven Widerstand haltet ihr selbst für weltfremd. Trotzdem soll die Generation in keiner Weise für euch Opfer der Umstände sein. Das ist für uns nicht logisch.Nur weil der historische Rahmen nicht stimmte, entschuldigt das aber doch nicht den Einzelnen. Es geht mir ja auch nicht darum, per se alle Mitglieder der Generation als mordende Bestien darzustellen. Aber eine Darstellung, die darauf hinausläuft, dass man zwar Dreck am Stecken hatte, das im Prinzip aber die Schuld der Nazis ist, zu der die Generation dann offensichtlich nicht gezählt wird, kann ich nicht gutheißen. Wenn eine Generaton Nazi war, dann die. Nicht von den Taten, ganz bestimmt aber von der Einstellung her.




Auch die Aussage zu den Parteien klingt für uns widersprüchlich. Ihr sagt wir überschätzen die Macht der Parteien, billigt ihnen aber selbst zu, dass die Parteien durchaus die Möglichkeiten gehabt hätten die "Machtergreifung" zu verhindern. Das Scheitern kann nun den schlichten Grund der Unfähigkeit haben oder aber, dass die Gefahr die von Hitler ausgeht damals noch nicht in dem Maße zu erkennen und überschauen war.Ich habe nirgends gesagt, dass Ihr die Macht der Parteien überschätzt, sondern die Parteien als solche. Es klingt bei Euch so, als wäre es objektiv offensichtlich, dass sich die Parteien bei besserer Kenntnis der Lage zum Wohl der Demokratie hätten zusammen geschlossen. Was ich bezweifle. Allein die Gelegenheit, die KPD loszuwerden, hätte einige Parteien wahrscheinlich so gut gefallen...

Lewis Armistead
29.04.13, 22:20
Nur weil der historische Rahmen nicht stimmte, entschuldigt das aber doch nicht den Einzelnen. Es geht mir ja auch nicht darum, per se alle Mitglieder der Generation als mordende Bestien darzustellen. Aber eine Darstellung, die darauf hinausläuft, dass man zwar Dreck am Stecken hatte, das im Prinzip aber die Schuld der Nazis ist, zu der die Generation dann offensichtlich nicht gezählt wird, kann ich nicht gutheißen. Wenn eine Generaton Nazi war, dann die. Nicht von der Taten, ganz bestimmt aber von der Einstellung her.

Freilich bleibt für jedes Individuum irgendwo eine Schuld eben weggesehen zu haben mit der er oder sie leben muss. Wir sagen nur, dass es für diese "Generation" schwierig war aus einem System, dass sie nicht verschuldet hatten auszubrechen und dass stark auf ihre jungen noch nicht gefestigten Persönlichkeiten einwirkte. Dass viele dann zumindest in gewissen Grenzen "mitlaufen" ist vorprogrammiert, obwohl sie natürlich die Möglichkeit hatten "nein" zu sagen und sich die Frage danach auch gefallen lassen müssen. Diese Schuld müssen sie sich aufladen. Aber die Hauptschuldigen, die die Strippen ziehen und die kranke Ideologie schufen und befehlen umzusetzen, das waren andere.

Ich habe nirgends gesagt, dass Ihr die Macht der Parteien überschätzt, sondern die Parteien als solche. Es klingt bei Euch so, als wäre es objektiv offensichtlich, dass sich die Parteien bei besserer Kenntnis der Lage zum Wohl der Demokratie hätten zusammen geschlossen. Was ich bezweifle. Allein die Gelegenheit, die KPD loszuwerden, hätte einige Parteien wahrscheinlich so gut gefallen...

Dann gehen unsere Meinungen was die Parteien angeht garnicht so weit auseinander. Bei uns wiederrum kam es vom werten Württemberg so an, dass doch jeder halbwegs vernünftige Mensch absolut klar hätte erkennen müssen, dass Hitler und Konsorten Angriffskriege vom Zaun brechen, die Juden vernichten und sich zum Ultimativ bösen aufschwingen wird. Das sehen wir nicht so. Und hätten die Parteien eben das gewusst, dass sie alle aufgelöst, interniert und umgebracht werden, sobald Hitler seine Macht gefestigt hat, dann hätte man sich aus purem Selbsterhaltungstrieb zusammenschließen müssen. Es sei denn man unterschätzte die Gefahr, was ja dann ganz offensichtlich der Fall war. Was die Volksvertreter aber nicht wahrnahmen kann man aus unserer Sicht dann auch keiner Einzelperson im Volk vorwerfen.

Arminus
29.04.13, 22:38
Dann gehen unsere Meinungen was die Parteien angeht garnicht so weit auseinander. Bei uns wiederrum kam es vom werten Württemberg so an, dass doch jeder halbwegs vernünftige Mensch absolut klar hätte erkennen müssen, dass Hitler und Konsorten Angriffskriege vom Zaun brechen, die Juden vernichten und sich zum Ultimativ bösen aufschwingen wird. Das sehen wir nicht so. Und hätten die Parteien eben das gewusst, dass sie alle aufgelöst, interniert und umgebracht werden, sobald Hitler seine Macht gefestigt hat, dann hätte man sich aus purem Selbsterhaltungstrieb zusammenschließen müssen. Es sei denn man unterschätzte die Gefahr, was ja dann ganz offensichtlich der Fall war. Was die Volksvertreter aber nicht wahrnahmen kann man aus unserer Sicht dann auch keiner Einzelperson im Volk vorwerfen.Ich kann Euch im Großen und Ganzen recht geben. Was die Rolle der Parteien im Ende der Weimarer Republik angeht, setze ich für mich persönlich ein Fragezeichen, auch wenn mir natürlich bewußt ist, dass die historische Entwicklung in der krassen Form nicht absehbar war. Erinnere mich dumpf an irgendeine Geschichte mit der SPD in den Wahlen in Preußen, weiß aber nicht mehr genau, was da war, ebenso wie ich von der Weimarer Republik insgesamt zu wenig weiß. Aber das ist ja eh schon weit vom Thema ab.

Ich stimme natürlich Euch zu, dass die man die persönlich verfügbare Einsicht in solche Vorgänge in die Beurteilung der Handlungen eines Individuums miteinbeziehen muss. Und die war für die betroffene Generation natürlich meist recht limitiert, auch auf Grund der totalitären Ausgestaltung des Regimes.



ps.: Bitte schreibt in Zukunft in einer anderen Schriftfarbe, beim ersten Blick auf Euren Beitrag dachte ich schon, Ihr würdet gerade moderieren. ;)

Longstreet
29.04.13, 23:04
OT: vielleicht können Wir Lo an einen privaten Sender verscherbeln, dann braucht Carl nie mehr Sorgen um die Finanzierung haben....und ein(!) neuer Kicker ist dann auch drin :D

Busse
30.04.13, 00:53
Eure Auflistung im Beitrag darunter macht mir in dem Kontext noch mehr Bauchschmerzen. Das ist eine Relativierung nach der anderen. Natürlich gibt es immer Ursachen für politische Einstellungen und persönliches Verhalten. Aber wieso entschuldigt das von irgendetwas?

Eure Mütter und Väter waren keine armen, vom Regime bis zur Geschäftunfähigkeit Konditionierte. Manche begriffen die Chance, die ihnen das Regime bot. Und andere werden sich mit den politischen Inhalten wie dem Antisemitismus und dem Revisionismus sehr gut identifiziert haben können. Sie waren sich sehr wohl bewußt darüber, was sie taten, werden es teilweise verdrängt haben, verleugnet, verklärt haben, zum Teil aber auch offen gefordert und bejubelt haben. Von daher bleibe ich bei meiner initialen Haltung. Wenn ich mir angucke, wie die Filme hier rezipiert werden, sind sie ein gewaltiger, fast schon gefährlicher Rückschritt in der Verarbeitung der NS-Zeit.

Oh, werter Moderator, da interpretiert ihr mich aber fehl. Ich habe einzig und allein die Umstände beschrieben unter der diese Generation stand
und dafür Verständnis geäußert. Bei jedem Jungendstrafgericht ist das heutzutage "gang und gebe". Es wird doch nicht etwa mit zweierlei Maß gemessen ?
Schließlich ist die Sippenhaft aus gutem Grund abgeschafft worden. Also wendet sie bitte auch nicht an. Denn auch das wäre ein Rückschritt in
diese Zeit und zeigt wie weit wir schon wieder sind. Ich möchte mich aus gutem Grund hier nicht zu sehr festbeißen.

Ich komme noch mal auf den mir wichtigen Punkt zurück:

Man kann diese Zeit nicht verstehen, wenn man nicht die beschriebenen Gegebenheiten (die Ihr aus eurer Sicht "Relativierungen" nennen mögt) berücksichtigt.

Einen wichtigen Punkt habt ihr ja selbst gebracht: Die Hauptfiguren dieses Filmes waren Kinder bei der Machtergreifung und wurden im Anschluss
daran stark indoktriniert. So wie es später auch in dem DDR-System oder heute in Nordkorea der Fall ist.
Wie soll sich jemand im Regime von Nordkorea wehren ?
Ich wüsste es nicht.

Busse
14.05.13, 20:27
Im Urlaub hatte ich die Möglichkeit dieses Buch wenigstens zur Hälfte durchzulesen.
Ich möchte es gern mal kurz anreißen :

http://blog.feuilletonscout.com/wp-content/uploads/2011/11/ian-kershaw_das-ende.jpg

Hier werden ganz unverblümt und neutral alle Fakten der letzten 10,5 Kriegsmonate zusammengetragen.
Es wird auch nochmal - und damit stelle ich den Bezug zum Film her - die Unmöglichkeit eines Widerstands
von unten, nach dem Attentat auf Adolf Hitler (20.07.1944) beschrieben.

http://www.frieden-fragen.de/userfiles/images/ns_wkII/Bundesarchiv_Bild_146-1972-025-10%2C_Hitler-Attentat%2C_20__Juli_1944_494.jpg

Nach dem 20.Juli 1944 war jede Art von Widerstand Selbstmord und wurde vom Regime auf brutalste verfolgt und niedergeschlagen.
Die Macht der Gauleiter war mit diesem Datum allumfassend und willkürlich geworden.
Das Volk war abgestumpft und wartete nur auf das Ende. Natürlich nicht ohne pflichtbewusst und dienstverpflichtet
der täglichen Arbeit nachzugehen (Männer 60 Stunden Woche / Frauen 48 Stunden Woche).

Nach der Arbeit anstehen nach Lebensmitteln usw.

http://geierwally.info/caching/fliegeralarm/gregory/b24_unter_beschuss.jpg
http://www.allmystery.de/dateien/pr63056,1275229514,Bundesarchiv_Bild_101I-117-0354-39_Norwegen_Bergen_beschC3A4digte_GebC3A4ude.jpg?nc
Nachts Fliegeralarm/Bombenangriffe.

http://www.der-familienstammbaum.de/pommern/bilder/flucht/treck-3.jpg
Im Osten Panik vor dem Russen.

Wenn überhaupt gab es nur ein sehr kurzes Zeitfenster für Widerstand, nämlich genau bis zum Attentat.
Aber auch schon 1943 schlug das Regime im Fall der "Weißen Rose / Sophie Scholl" unbarmherzig und erbarmungslos zu.

Jerobeam II.
14.05.13, 20:51
Das soll keine Korrektur sein ... aber Ihr nehmt a priori an, daß sich Widerstand auf Einzelne oder kleine Gruppen beschränkt haben müßte.

Lewis Armistead
14.05.13, 21:48
@Busse:

Wir sind ja im Allgemeinen mit euch, was die Schwierigkeiten des Widerstandes angeht, aber wirklich aktiven Widerstand wie von dem Regime brutal niedergeschlagen hat ja hier auch niemand gefordert, da allen irgendwie klar war, dass dies illusorisch wäre.

Aber es gibt ja viele Formen des Widerstandes...


@Jero:

Das a priori anzunehmen ist vielleicht nicht direkt ok, aber je größer eine Widerstandsbewegung desto größer auch die Gefahr der Entdeckung und Niederschlagung...

Vernichter
14.05.13, 23:37
Wieso hätte es Widerstand geben sollen? Wenn, dann hätte man es vor dem Krieg erwarten können. Danach schon aus reiner Überlebenslogik nicht mehr, schon gar nicht während der Erfolgsphase. Es ist ja nicht so, als hatte man von den Siegern besonders viel Gnade zu erwarten hatte. Jeder Entschluss zum Widerstand hätte den Wunsch nach einer militärischen Niederlage der eigenen Seite bedingt, mit allen Folgen. Von der Masse der Bevölkerung sind solche Gedankengänge ein bisschen zu viel verlangt. Die Russen richteten 1941, am Rande des Abgrundes auch nicht ihre Waffen gegen die eigene Führung. Es reicht schon aus, dass die deutsche Bevölkerung kaum Widerstand leistete, wenn der Gegner das Gebiet bereits unter Kontrolle hatte, von einzelnen Werwölfen mal abgesehen.

Lewis Armistead
15.05.13, 10:17
Wieso hätte es Widerstand geben sollen? Wenn, dann hätte man es vor dem Krieg erwarten können.

Die richtig "schlimmen Probleme" fanden ihre echte große Ausprägung ja erst in den Jahren nach Kriegsbeginn...von daher schon ein Dilemma. Vorher war man sich des Ausmaßes, welches das Ganze annehmen würde nicht bewusst und der Widerstand eher schwach und nachher wo man vielleicht genug Gleichgesinnte gefunden hätte, war es absolut lebensgefährlich und logistisch immer schwieriger bei der totalen Kontrolle...

Longstreet
15.05.13, 10:54
So total war die Kontrolle gar nicht. Hier sind ein paar Zahlen hinterlegt. (http://www.spiegel.de/spiegel/spiegelspecial/d-55475506.html) Wie das Nachfolgesystem in der SBZ hat der Gestapoterror noch viel wesentlicher auf der "Beihilfe" durch die Bevölkerung beruht. Ohne Zuträger und Informanten hätte das gar nicht geklappt. Wobei natürlich zu sagen ist, dass auch die Angst, dass man als "Nichtinformant" mit bestraft wird, zum Denunziantentum beigetragen hat. Man wusste ja nie ob man wirklich der einzige weitere Wissende war. Diese Verunsicherung hat sicher viele auf Linie gebracht/gezwungen. Und die Obrigkeitshörigkeit war ja von jeher ein Markenzeichen sowohl der Nationalen/Nationalsozialisten/Monarchisten - schlicht der konservativen/rechten Gefolgschaft.

Es ist eben schwierig da zu unterscheiden, ob sich jemand nur wenig zwingen lassen musste, "mitzuarbeiten" oder ob sein Gewissen etwas schwerer wog und die Entscheidung nicht ganz so einfach war. Fakt ist in jedem Fall, dass man sich mal der Lage bewusst sein muss. Das kann und darf natürlich keine Entschuldigung sein und gilt keinesfalls verallgemeinernd.

Aber vielleicht kann man nachvollziehen, warum individuelle Motivation so schwer klar festzustellen ist. Eben dieses Faktum der Unsicherheit, in dem Regimekritiker und -gegner existieren mussten, reklamierten später viele Überzeugte ebenfalls für sich und versuchten damit Ihre mangelnde Standhaftigkeit zu begründen.

Wenn man sich den Diktaturenvergleich anschaut sieht man doch, dass auch die DDR ähnliche Vorgänge (was Spitzel- und Denunziantentum angeht) hervorgebracht hat. Gerade hier ist bekannt, dass auch ein IM nicht immer sicher sein konnte, dass er "allein" operierte. Das System der Rückversicherung der Nachrichtendienste war schon sehr ausgeklügelt und geradezu infam.

Jerobeam II.
15.05.13, 11:33
Ich meine, es ist vor allem den von Anfang an abschreckenden Maßnahmen gegen Ver-Einzelte zu verdanken, daß der Gedanke an individuellen Widerstand kaum aufkam. Dazu die Schnelligkeit beim Zerschlagen der Gewerkschaften, Verhaften der Leiter usw.
Es gibt ein paar (wenige) Beispiele, daß "das Regime" (besser: die Nazis vor Ort und dann auch weiter oben) zurückschreckte, wenn z.B. ein Dorf geschlossenen Widerstand gegen eine Maßnahme zeigte. Das ist aber selten passiert.
Die Nazis waren m.E. Meister im "divide et impera" durch Versprechungen, Propaganda und Einschüchterung.

Longstreet
15.05.13, 11:44
Es ist schon seltsam, dass man das angesprochene "Divide et Impera" so leicht erkennen kann, andererseits aber dass die Nazis auch das "Wir-Gefühl" im Volk angesprochen haben, um den Wiederaufstieg Deutschlands nach der Niederlage im 1.Weltkrieg zu propagieren. Es muss ein schmaler Grat gewesen sein und trotzdem erscheint der Weg in weiten Teilen breit, fest und asphaltiert.....

Gespenstisch.

Jorrig
15.05.13, 11:51
Ich habe einmal die Aussage gelesen, dass das Regime ab Mitte 1934 schon so fest im Sattel sass, dass Widerstand von innen heraus nicht mehr möglich gewesen wäre. Ich stimme der Auffassung zu. Nur Attentate auf Hitler hätten das vermutlich bewirken können. In den letzten Monaten wurde ja "Jeder stirbt für sich allein" von Hans Fallada wieder mehr gelesen. Es ist nur ein Roman, aber er wird so viel Erfahrung enthalten, dass es ein gutes Licht darauf wirkt, wie unmöglich Widerstand zu der Zeit gewesen ist, auch wenn Mutige es immer wieder versucht haben.

Longstreet
15.05.13, 12:37
Die Frage wirft sich auf, was Widerstand gewesen wäre. Langsamer arbeiten? Das ist ja schon fast genauso tödlich wie eine Bombe basteln.....

Wie Jorrig schon angemerkt hat: der Herdentrieb hat nahezu alle erfasst. Viele Überzeugte, viele Eingeschüchterte und viele, die es schlichtweg wenig interessierte.

Man schaue sich nur mal das hier (http://de.wikipedia.org/wiki/Erna_Wazinski) an. Da sieht man doch schon, wie willkürlich man belangt wurde....

Cfant
15.05.13, 13:11
Ich sehe dieses "Widerstand von innen unmöglich" eher fragwürdig. Die Sowjetregierung war eigentlich auch unangefochten, trotzdem stürzte das System Ende der 80er. Der Schah hatte auch ne starke Armee - und wurde vom Volk gestürzt etcetcetc.

Ich frage mich viel eher: Hätte ich 1933 gelebt. Frau, drei Kinder, bin arbeitslos. Habe keinen Schimmer, wie ich die Miete zahlen soll. Habe nicht nur Existenzängste für mich, sondern für meine Familie und kann auch das in dieser Gesellschaft verwurzelte Rollenbild des Ernährers nicht annähernd erfüllen. Also, ich wäre unheimlich zornerfüllt. Und wenn ich dann noch wirklich den Eindruck habe, dieser Mann könnte mir Arbeit beschaffen, mit der ich meine Familie wieder erhalten kann und die Verzweiflung meiner Familie aufhört - mit Begeisterung hätte ich den Kerl gewählt. Und wenn ich dann nach der Wahl plötzlich wieder Arbeit hätte und meiner Familie kleinen Luxus, zB einen Ausflug oder so bieten kann, was ich vorher nicht konnte - ich wäre dem Kerl auch noch unheimlich dankbar gewesen.
Nein, ich gebe zu, Held bin ich wohl keiner. Allerdings wäre meine Dankbarkeit schnell zu Ende gewesen, wenn ich in den Krieg muss. Aber ich weiß nicht, ob ich das dann Hitler angelastet hätte. Generell ist das mit der Meinungsbildung so eine Sache. Wenn ich nur den Volksempfänger und gleichgeschaltete Zeitungen zur Verfügung habe, ist es recht schwer, sich eine objektive Meinung zu bilden. Ist es ja sogar heute mit mehr oder weniger "freien" Medien.
Resümee: Starke Nation und so Slogans hin oder her - wäre die Arbeitslosen- und Inflationsquote nach Hitlers Machtergreifung weiter gestiegen und gestiegen, hätte sich imo sehr wohl innerer Widerstand geregt. Von Slogans wird man halt auch nicht dauerhaft satt.
Spannender finde ich die Frage, ob der Krieg wirklich 1933 oder 1934 schon absehbar war. Da hab ich meine Zweifel, zumindest für den "einfachen Mann von der Straße".

Jerobeam II.
15.05.13, 19:13
@ Wir-Gefühl: spannenderweise v.a. als "Opfer" (von Versailles, der Juden ...), dann als "Nicht-Opfer". ;)

@ "kleiner Luxus": ein Arbeiter? Ab 1933? Die Einkommen gingen real z.T. recht drastisch zurück und der Schutz für Arbeitnehmer war in großen Teilen der Industrie nicht (mehr) vorhanden. Aber: daheim nichts sagen, daß es besser sein könnte - denn der Sohn ist in der HJ und die Tochter im BDM und da wird ausgefragt ... divide selbst die Familie.

Lewis Armistead
15.05.13, 19:22
@Jero:

Die Kosten gingen aber auch drastisch zurück. Zumindest hatten alle quasi über Nacht wieder Arbeit (auf Pump finanziert und durch Herausdrängung der Frau aus der Arbeit) und jede Familie wieder einen Ernährer. Billige Volkswagen, Subventionen und feste Nahrungspreise, "Kraft durch Freude" - Programme und das die Kinder durch die ganzen HJ- und BDM-Programme den ganzen Tag beschäftigt und beaufsichtigt waren, fanden viele sicher auch ganz gut.

Frisiercreme
15.05.13, 20:12
Billige Volkswagen, die niemals ausgeliefert wurden "Kraft durch Freude" - Programme deren tatsächliche Reichweite wir bezweifeln (Kennt jemand verlässliche Zahlen?) und das die Kinder durch die ganzen HJ- und BDM-Programme den ganzen Tag beschäftigt und beaufsichtigt waren, fanden viele sicher auch ganz gut. Gut mögen das einige gefunden haben, aber eine große Rolle wird es kaum gespielt haben können. Die Auffassung, dass Kinder beschäftigt und beaufsichtigt werden müssen ist späteren Datums.
In der Rückschau sind diese Maßnahmen und Erfolge recht leicht als Fassade zu erkennen, aber auf die Stimmung in der Bevölkerung werden sie eine positive Wirkung gehabt haben, da widersprechen wir euch gar nicht.
Die Propaganda und Meinungsmache war so erschütternd effizient, dass sie ja teilweise bis heute fortdauert. Nehmt beispielsweise den Mythos Autobahn und viele seiner Konnotationen. Rommel, Stuka, Tiger, fast jeder kann damit auch heute noch etwas anfangen, weil sie zu Propagandamythen aufgebauscht wurden und damit war nach Kriegsende ja keineswegs Schluss, aber das würde jetzt zu weit führen.
Festzuhalten bleibt, dass wir als den entscheidenden Faktor wirksame Propaganda und die völlige Kontrolle der veröffentlichten Meinung ansehen.

Private_S
15.05.13, 20:30
Das ist der Punkt. Diskutiert wird oft ausgehend vom Mythos, den die Propaganda schuf, nicht von den Fakten.
Die Arbeitslosigkeit sank zwar, aber nicht gerade über Nacht. Und auch mithilfe der Aufrüstung sowie republikanischer Programme wie dem Autobahnbau (wie ja auch die USA New Deal und allerlei Highways ganz ohne Faschismus zustande brachten), http://de.wikipedia.org/wiki/Sozialpolitik_im_Nationalsozialismus#Arbeitslosigkeit .

Wie wohl der normale Arbeiter es empfand, als 1933 seine Gewerkschaft und sein SPD-Ortsverein (oder der von der KPD) zum Teufel gejagt wurden ... in den Wedding soll sich, so las ich mal, selbst 1934 die SA noch nicht hinein getraut haben ...

Jerobeam II.
15.05.13, 23:40
@ Lewis A.:
Letztlich konnten die AN sich aber kaum etwas dafür kaufen, dafür für den Volkswagen anzahlen, die Mitgliedsbeiträge (!) bei diversen Organisationen "freiwillig" anführen usw. Es blieb nicht viel übrig.

Ich glaube auch kaum, daß manches groß erst als Erfolg verkauft werden mußte. Die Bauern waren froh über längst überfällige (?) Gesetze zum Schutz der Höfe, viele Arbeitslose froh über Arbeit.
Ich meine, daß es weniger um das "viel besser" ging als vielmehr um das "nicht mehr so schlecht". Ansonsten wäre am 1. September 1939 mehr gejubelt worden.

@ Private_S:
Da stimme ich Euch zu. Wenn erst einmal die Meinung herrscht, "man kann da eh nichts machen", dann hat das Regime gesiegt. Dazu noch ein paar Flüstergreuel ...
Ein Gedankenexperiment wäre, was nach Hitlers natürlichem Tod oder bei Schwäche des Diktators (im Friedenszustand, wenn es den gegeben hätte, oder auch nicht) geschehen wäre. Diktaturen usw. haben ja eine Halbwertszeit von zwei Generationen, grob gesprochen. In Demokratien läßt man die Unzufriedenen neue Parteien gründen ... ;)

Busse
17.05.13, 19:00
So total war die Kontrolle gar nicht

Ich zitiere: Die organisatorischen Tentakel reichten bis weit in das Gemeinschaftsleben:
Die 42 Gaue, 808 Kreise, 28376 Ortsgruppen, 89378 Zellen und 347.040 Böcke (=Blockwart) sorgten dafür das nicht nur Parteimitglieder
aufdringlichen Kontrollen ausgesetzt waren.

Ian Kershaw / Das Ende Seite: 116


Ich glaube man muss sich immer wieder vor Augen führen wie total und aussichtslos die Situation für die Bevölkerung war.
Im Osten konnte jeder - der es hören wollte - wissen was in Russland gelaufen ist.
Heimkehrende oder durchreisende Frontsoldaten haben genug angedeutet.
Der Bevölkerung war klar, dass sie nicht ungeschoren davon kommen würden.
Da konnte man nicht einfach die Front öffnen.
Das ist auch der Grund warum so erbittert in aussichtsloser Situation gekämpft wurde.
Es gab auch die Parole: "Wir einigen uns im Westen und drücken den Russen wieder raus". Also wurde weiter gekämpft.
(Mein Opa hat in Breslau 1945 bis zum Schluss gekämpft - aber vorher seine Familie in einen Zug nach Westen gesetzt
"Fahrt so weit nach Westen wie möglich" .)

Und im Westen immer wieder diese Bombenangriffe - kein Schlaf, anstehen für Lebensmittel, Angst um die Angehörigen,
harte Arbeit.

Longstreet
17.05.13, 20:30
So total war die Kontrolle gar nicht

Ich zitiere: Die organisatorischen Tentakel reichten bis weit in das Gemeinschaftsleben:
Die 42 Gaue, 808 Kreise, 28376 Ortsgruppen, 89378 Zellen und 347.040 Böcke (=Blockwart) sorgten dafür das nicht nur Parteimitglieder
aufdringlichen Kontrollen ausgesetzt waren.

Ian Kershaw / Das Ende Seite: 116




Da habt Ihr Recht verehrter Busse. Allerdings ist immer die Frage, wie total die Kontrolle empfunden wird. Wenn Ihr Euch nicht sicher sein könnt, ob in Eurem Eingang kein Zuträger wohnt, werdet Ihr auch vorsichtig bzw. von manchen Dingen evtl. ganz die Finger lassen. Man konnte ja auch nie wissen, was evtl. Kinder oder Nachbarn weitertragen. Die Flüsterpropaganda funktioniert ja heute noch.... Wenn Ihr etwas garantiert verbreiten wollt, verbreitet es unter dem Siegel der Verschwiegenheit unter Nachbarn.....

Die Kontrolle musst nicht total sein - die "Verunsicherung" und daraus folgende "Einschüchterung" reicht völlig. Bleibt noch die Frage, wieviel Einschüchterung nötig war, bei manchem reichte wohl quasi ein "strenger Blick".

Jerobeam II.
18.05.13, 19:09
@ James P.L.:
Exakt das meinte ich auch: die empfundene Kontrolle ist die eigentlich bedeutende.

Jorrig
21.05.13, 11:11
Man muss es ja auch erst einmal schaffen, mit einer relativ kleinen Bande die ganze Bevölkerung eines Staates unter Kontrolle zu halten. Das funktioniert nur mit einer Menge Tricks, um die Bevölkerung zum Mitarbeiten zu bewegen und andere davon abzuhalten, gegen das Regime zu arbeiten. Beides haben die Nazis erreicht. Der normalen Bevölkerung ging es erst einmal besser, ein Grossteil empfand die Umgebung besser als zu Zeiten der Wirtschaftskrise. Das ging auf Kosten der Minderheiten. Widerstand wurde mit Gewalt oder angedrohter Gewalt unterdrückt. Mir macht das wirklich Angst, ich glaube, ich wäre damals emigriert. Schön, solange es noch Ziele zur Emigration gibt.

[B@W] Abominus
21.05.13, 11:32
Man muss es ja auch erst einmal schaffen, mit einer relativ kleinen Bande die ganze Bevölkerung eines Staates unter Kontrolle zu halten. Das funktioniert nur mit einer Menge Tricks, um die Bevölkerung zum Mitarbeiten zu bewegen und andere davon abzuhalten, gegen das Regime zu arbeiten. Beides haben die Nazis erreicht. Der normalen Bevölkerung ging es erst einmal besser, ein Grossteil empfand die Umgebung besser als zu Zeiten der Wirtschaftskrise. Das ging auf Kosten der Minderheiten. Widerstand wurde mit Gewalt oder angedrohter Gewalt unterdrückt. Mir macht das wirklich Angst, ich glaube, ich wäre damals emigriert. Schön, solange es noch Ziele zur Emigration gibt.

Wir hätten uns dann vermutlich in Großbritannien oder den USA getroffen.

Longstreet
21.05.13, 11:45
Abominus;881633']Wir hätten uns dann vermutlich in Großbritannien oder den USA getroffen.

Aber nur, wenn die Euch reingelassen hätten.....;)

[B@W] Abominus
21.05.13, 11:48
Aber nur, wenn die Euch reingelassen hätten.....;)

Kluge Köpfe weist man nicht ab...

Jorrig
21.05.13, 12:04
Spekulation. Aber wenn ich in diesen Zeiten schon emigriere, dann wäre es wohl damals erst recht so weit gekommen.
Aber ein wenig kann ich das schon nachfühlen, wenn ich als Ausländer ab und zu Werbezeitungen und Flugblätter der rechten Parteien hier (SVP und noch rechts davon) im Briefkasten finde. Wie viel von den Parolen kann man für bare Münze nehmen, und was lassen sie sich noch so alles einfallen, wenn sie erst einmal ausreichend Macht haben? Dazu geschieht das ja inkrementell. Wann ist das Mass voll und der Zeitpunkt gekommen zu emigrieren? Das ist keine leichte Entscheidung, und ich bin froh, dass davon nicht mein Leben abhängt. Man hat einfach nie die Informationen, die Historiker 50 Jahre später haben.

Blastwarrior
21.05.13, 12:27
naja die Frage ist ja:
Wenn ich emigriere geht das dann noch oder bekomm ich dann auch schon den Strick um den Hals, als Vaterlandsverräter?

Jorrig
21.05.13, 12:31
Ich glaube, solche Details sind das kleinste Problem. Man wird ohnehin den grössten Teil seiner Habe zurücklassen müssen. Und eine Ausrede für eine Auslandsreise findet sich meist (Verwandte, Arbeit, Kongress...). Die Entscheidung zu treffen, dürfte das grössere Problem sein. Es wundert mich, dass das nicht mehr Leute gemacht haben. Die Erfahrung aus dem ersten Krieg war ja noch lebendig, und die Begeisterung für einen neuen Krieg hielt sich ja auch in Grenzen. Klar, wenn man erstmal an der Ostfront steht als Soldat, dann ist es zu spät zum Emigrieren.

Jerobeam II.
21.05.13, 19:53
So leicht war das Emigirieren im Großen und Ganzen nicht; es war stark davon abhängig, wer an der Grenze saß oder auch in einem Amt. Wenn kein Kuhhandel möglich war, dann hatte es wohl etwas von Glücksspiel ... für die Masse der Bevölkerung.

Longstreet
21.05.13, 20:20
Abominus;881636']Kluge Köpfe weist man nicht ab...

Wir hätten beinah etwas ziemlich dummes getan und einen Analogieschluss gepostet, der unser Renommee ins bodenlose gerissen hätte.
Wir danken unserem Mittelalterprofessor für die Warnung vor zu leichtfertigen Analogien...:puh:

Arminus
21.05.13, 21:27
Man muss es ja auch erst einmal schaffen, mit einer relativ kleinen Bande die ganze Bevölkerung eines Staates unter Kontrolle zu halten.Das Problem ist aber ein eher Grundproblem von Herrschaft an sich und weniger ein Spezifisches der Nazis.

Was die Migration angeht, denke ich, dass das vorm Zweiten Weltkrieg an sich eine ganze andere Dimension hatte als heute. Kaum Infos über Zielländer, wenig Möglichkeiten, sein Eigentum mitzunhemen, um nicht völlig mittellos im Zielland anzukommen. Verfügt man dann nicht gerade über eine ausgezeichnete berufliche Qualifikationen, die damals auch weniger Menschen gehabt haben werden, wird eine Emigration halt zu einem gewaltigen Glücksspiel. Und auf der anderen Seite die Dinge, die einen zurückhalten. Bei den kommunikativen Mitteln konnte man davon ausgehen, dass man seine Freunde und Verwandte vielleicht nie wieder zu sich bekam. Andere werden für sich aus einer politischen Haltung her eine Verantwortung gesehen haben, dazubleiben. Zuletzt stelle ich mir vor, dass man schwer von einer Rückkehr ausgehen konnte. Selbst wenn man das wirtschaftlich realisieren können sollte... Wenn man schon früh begriff, wie Ernst die Nazis es mit ihrer Sache war, wiese sollte man davon ausgehen, dass man irgendwann hätte zurückkehren können, da das Reich einen weiteren Weltkrieg verlor.

Aus meiner persönlichen Sicht heute würde ich auch emigrieren, aber ich auch vorstellen, wieso das damals nicht in Erwägung gezogen wurde.


(Auch wenn das mit dem Emigrieren nicht immer so gut geklappt hat, eine deutscher Theologe hat sich kurz vorm Krieg gedacht, dass er Europa besser verläßt und sich einen ruhigen Ort im Südpazifik sucht, nur um dann wenige Jahre später mitten in die Kampfhandlungen der Japaner und Allierten zu geraten. :D)

Jerobeam II.
21.05.13, 21:34
Ein Großteil prominenter SPD-ler und anderer Emigranten sind ja nach Österreich bzw. in die Tschechoslowakei, von dort dann abenteuerlichst nach Frankreich, dann Spanien, dann - mit viel Glück! - in die USA, dort dann auch verdächtigt worden und dementsprechend behandelt (vgl. Isle of Man für Emigranten in Gb) worden ...

Arminus
22.05.13, 00:06
Ein Großteil prominenter SPD-ler und anderer Emigranten sind ja nach Österreich bzw. in die Tschechoslowakei, von dort dann abenteuerlichst nach Frankreich, dann Spanien, dann - mit viel Glück! - in die USA, dort dann auch verdächtigt worden und dementsprechend behandelt (vgl. Isle of Man für Emigranten in Gb) worden ...Ab und bis wann?

Jerobeam II.
22.05.13, 00:15
Teilweise schon vor der Wahl 1933, dann vermehrt; ich kenne allerdings nur ein paar Berichte, auch über die "Verhältnisse" in der CZ und Österreich - teils individuelle Schilderungen, teils generalisierende, aber von Emigranten. Und es waren seit 1933 auch im Ausland die Verhältnisse in D bekannt. Folter, Verfolgung usw. Nochmals zum Thema "Eid" des Reichspräsidenten.

M.W. mußten sich Emigranten in den USA einmal monatlich bei einer Behörde melden; in GB wurden nach 1939 auch Emigranten interniert. Verständlich, aber schade.

Jorrig
22.05.13, 00:53
Das Problem ist aber ein eher Grundproblem von Herrschaft an sich und weniger ein Spezifisches der Nazis.

So hatte ich das auch gemeint.

Dass Emigration schwierig war, ist mir klar. Es gab ja auch keine Garantie, dass das Zielland einen auch wirklich reinlässt. Schengen gab es da noch nicht. Aber das war ja auch persönlich gemeint. Ich bin der Typ dafür, ich hätte das versucht. Ich bin aber froh, nicht vor die Wahl gestellt worden zu sein bislang.

Longstreet
22.05.13, 10:46
Wir wollten mit unserer Bemerkung ja auch keine Grundsatzdiskussion vom Zaun brechen. Es ist aber Tatsache, dass gerade jüdische Auswanderer ab Mitte der 1930er vor größeren Problemen standen (und das nicht bei der Ausreise) als die frühen Exilanten mit "nur" politischem Hintergrund.

Wir wünschen uns auch, dass Wir die Weitsicht besitzen, im Falle einer "Wiederholung"/ähnlichen Entwicklung frühzeitig die Zeichen zu erkennen. Mehr wünschen Wir allerdings solche Zeiten gar nicht erleben zu müssen.

123
06.08.13, 18:57
--> Unsere Väter, unsere Mütter, unsere Landser (http://www.welt.de/kultur/medien/article118703284/Unsere-Vaeter-unsere-Muetter-unsere-Landser.html)

Jetzt, wo dem SWC die alten Nazis endgültig ausgehen ...

Gfm. Wrangel
06.08.13, 19:02
Assmann (ein Name, an dem Angelsachsen Freude fänden) :D

Monty
06.08.13, 19:22
Könnte man nicht gleich Knopp´s Daumenkino auch mit verbieten. Das würde ich wenigstens als sinnvoll erachten. ;)

Württemberg
06.08.13, 21:04
Typische Sommerloch-Nachricht.

Habe mir vor zwei, drei Jahren aus Jux mal eine Ausgabe des Landsers gekauft: recht langweilige Geschichten voller Pathos und Soldatenkitsch, da sind die Hearts-of-Iron-AARs hier spannender. Und Zensur von Büchern, Filmen, etc. juckt doch heutzutage keine Sau mehr. Wer sich mit solcher Literatur eindecken will, der wird das auch hinkriegen.

123
06.08.13, 21:12
Und Zensur von Büchern, Filmen, etc. juckt doch heutzutage keine Sau mehr.
Das erzähl mal einem gewissen Mr. Cameron ...