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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Beobachtungen zur Wirtschaft



Timme
20.08.10, 00:37
Um zur Abwechslung mal einen Themenbezogenen Thread zu starten und nicht alle meine Anmerkungen und Beobachtungen in den erstbesten reinzuschreiben :D

Da ich wohl bis 1.2 kein ernsthaftes Spiel mehr anfangen werde, versuche ich mich darauf zu beschränken etwas genauer in die ein oder andere Mechanik reinzuschauen, wenn es mir denn zu undurchsichtig scheint.
So habe ich mal ein Spiel (jaja, mit Hannover) ein wenig laufen lassen und mir ein paar Zahlen notiert, inwiefern das Momentaufnahmen oder halbwegs belastbare Daten sind, vermag ich noch nicht zu beurteilen, sie scheinen aber meine bisherigen Vermutungen wiederzuspiegeln. So habe ich bisher festgestellt, das Aristokraten ca. 5% der RGO Einnahmen absaugen. Das scheint mir erträglich und belastet die Bauern nicht allzu dramatisch. Im Gegenteil wird so Geld in "sinnvollere" Kanäle geleitet, da Aristokraten Bedürfnisse haben, die einer industrialisierten Nation eher zupass kommen.

Viel interessanter ist, das Kapitalisten 50% der Gewinne einer Fabrik bekommen. Entweder ist diese Zahl meinem frühen Zeitpunkt der Beobachtung geschuldet, oder eben tatsächlich so hoch. Die Kehrseite davon ist natürlich, dass die Facharbeiter ebenfalls nur 50% bekommen, so früh im Spiel hatte ich noch keine nennenswerte Anzahl von Clerks (Beamte/Angestellte?) und diese somit dreisterweise aus der Rechnung rausgenommen, aber das hilft eh beim vereinfachen.

Als nächstes habe ich dann mal die Einkommensituationen gegeneinander gerechnet. Ein Bauer auf seiner Scholle verdient in meiner dargestellten Situation 0,000195 Pfund am Tag, ein Fabrikarbeiter bringt es hingegen auf stolze 0,000539, also fast dreimal soviel, man möchte meinen Grund genug in die Stadt zu ziehen und die Vorzüge einer neuen Gesellschaft zu genießen. Doch weit gefehlt. Denn zieht man die Bedarfssituation in Betracht, wird ersichtlich, dass ein Bauer gerade mal 0,00003 Pfund am Tag für seine Grundbedürfnisse braucht, ein Fabrikarbeiter aber ganze 0,00424, mal eben 141 mal so viel ... man erkennt daran recht flott, woran das ganze Wirtschaftsmodell krankt.
Daraus habe ich dann errechnet, wieviel eine Fabrik unter diesen Bedingungen erwirtschaften muss, um ihren Arbeitern alleine die Grundbedürfnisse zu ermöglichen: 84,8 Pfund für 10.000 Fabrikarbeiter, also eine voll belegte Stufe 1 Fabrik.
Das entspricht auch meinen Beobachtungen in späteren Spielen.

EDIT: Die oben geschilderte Fabrik, die ihren 10.000 Arbeitern 100% ihrer Grundbedürfnisse deckt kann gleichzeitig 1476 Kapitalisten ALLE Bedürfnisse erfüllen (hier sind die späten Bedürfnisse nicht eingerechnet, Autos, Telephone etc.). Dieses Verhältnis ist aber unrealistisch. In einem späteren Spiel habe ich beobachten können, dass Kapitalisten, die unter solch "günstigen" Bedingungen arbeiten bis zu 30% ihrer Einnahmen bei der Nationalbank anlegen. In diesem Fall werden aus den Einnahmen der Fabrik dank der Bedürfnisse der Kapitalisten, wenn man deren Grundbedürfnisse ebenfalls herausrechnet, gerade mal 31% zu Industriebedürfnissen, der Rest wird durch Agrarprodukte abgedeckt.
Und aus diesem Grund fördert das Vicy 2 Wirtschaftsmodell die Landwirtschaft, während die Städter, mit Ausnahme der Eliten arm werden, bzw. bleiben :)
noch ein Edit: So verwundert es im nachhinein auch nicht, dass in meinem bisher einzigen zuende gebrachten Spiel eine Kolonialprovinz in der heutigen Elfenbeinküste die reichste meines gesamten Reiches war, die Aristokraten und Bauern dort konnten in den hochproduktiven Kaffeeplantagen derart abartige Gewinne einfahren, dass sie fast 20% des Vermögens meiner Nationalbank stellten.

Ich hoffe damit dem ein oder anderen Vicy 2 Spieler eine grundlegene Problemstellung des Wirtschaftskreislaufs damit etwas näher gebracht zu haben. Denn Grundbedürfnisse bei Fabrikarbeitern heisst: Vieh, Wolle, Früchte, Getreide, Fisch. Die Industrialisierung im Spiel erhöht somit das Angebot von Gütern des gehobeneren Segments, aber erzeugt nur Bedarf für unverarbeitete Landwirtschaftsprodukte.

Aber das für die meisten Spieler gravierendere daraus resultierende Problem sind die ungewaschen unzufriedenen Massen, denn Pops, die nur oder nichtmal ihre Grundbedürfnisse erfüllt bekommen, "leiden" unter einer massiven Steigerung der Militanz, woraus Rebellen entstehen.


P.S. Was in der Betrachtung noch fehlt ist der generierte Bedarf durch die Kapitalisten, die immerhin 50% der Gewinne für sich vereinnahmen. ich bezweifle aber, dass dieser auf die (Welt)Wirtschaft gravierend einwirkt, sondern befürchte eher, dass Überschüsse je nach Wirtschaftsmodell in weitere unproduktive Fabriken versenkt werden, oder in der Nationalbank dem Kreislauf vollends entzogen werden.
P.P.S Nachgeholt, siehe Edit
P.P.P.S Für den Victory 2 Neuling ist die Angabe vielleicht auch ganz interessant, das Fabriken keineswegs die oben genannten Erträge erwirtschaften, sondern eher mit Gewinnspannen arbeiten, die den Arbeitern zwischen 15 bis 30 Prozent ihrer Grundbedürfnisse finanzieren, soweit zumindest meine Erfahrungen.

-Duke-
20.08.10, 02:46
Fantastische Aufblätterung, danke.
Das erklärt wirklich einiges. Das heißt, das ganze Wirtschaftssystem ist auf Sand gebaut. Aber: Theoretisch kann man das ja reparieren, was mich hoffen läßt.

Der junge Fritz
20.08.10, 06:39
ich danke für die INfos, gerne weitere !!

Bassewitz
20.08.10, 08:50
Vielen Dank für diese bestürzenden Erkenntnisse. Wir sehen schon, dass hier entweder ein Patch alles umkrempelt oder die Community ran muss, denn so viel Geld in der Nationalbank zu versenken (worauf man meist selber nicht zugreifen kann, sondern am besten das Land sich Geld leiht, das man gleich "schlucken" möchte) und gleichzeitig diese abartig hohen Bedürfnisse + der abartig hohe Kapitalistenlohn, kann ja nicht richtig sein. Haben die sich womöglich vertippt und Kapitalisten sollten auch nur 5,0% statt 50% bekommen? :D

PS: Wir müssen uns mal genau umgucken, denn bisher wussten wir noch nicht, dass Fabrikarbeiter mehr brauchen als Bauern...

Jerobeam II.
20.08.10, 11:20
Möglicherweise simuliert Paradox, daß Bauern eben zum großen Teil Selbstversorger sind? Werden die Bedürfnisse von Bauern von dem Ertrag der "Felder" abgezogen und sind zuviele Bauern daher vielleicht auch des Ertrags Tod?

Timme
20.08.10, 12:47
Möglicherweise simuliert Paradox, daß Bauern eben zum großen Teil Selbstversorger sind? Werden die Bedürfnisse von Bauern von dem Ertrag der "Felder" abgezogen und sind zuviele Bauern daher vielleicht auch des Ertrags Tod?

Das ist gut möglich, die Grundbedürfnisse der Bauern sind dermaßen niedrig, das man die Ausgestaltung wie von Euch geschildert deuten kann.
Dennoch bleiben bisher Angebot und Nachfrage an Agrargütern während eines Spiels vergleichsweise konstant durch die Technologien. Die Landwirtschaft wird zunehmend produktiver und benötigt dafür weniger Arbeiter. Einen dramatischen Abfall der Preise aufgrund von Überkapazitäten konnte ich jedenfalls auf dem Weltmarkt bisher noch zu keinem Zeitpunkt feststellen. Die erwirtschafteten Erträge der Bauern reichen in den meisten Fällen also aus, um ein angenehmes Leben zu führen, also mindestens die Grund- und Tagesbedürfnisse zu erfüllen, häufig auch die Luxusbedürfnisse.
Daher sind die Fabriken, die die dafür gewünschten Güter bereitstellen auch normalerweise die gewinnbringensten. Zu nennen wären da Kleidung, Stoffe und Schnaps.

Theoretisch wären das also Möglichkeiten um die Agrargewinne über die Industrie wieder umzuverteilen in Richtung Fabrikarbeiter, leider reicht das nicht aus, selbst eine Volllast fahrende Stofffabrik wird ihren Arbeitern unter günstigsten Bedingungen keine zufriedenstellenden Löhne zahlen können.

Timme
20.08.10, 14:24
Je mehr man sich die Wirtschaft und Bevölkerung anschaut, umso mehr verzweifelt man :D

Aristokraten bekommen nebenbei eher um die 35-40% der RGO Einnahmen, da war mein Spiel im gestrigen Post wohl noch nicht so weit ;)
Also besteht auch hier die Gefahr, das Gewinne keinen Bedarf erzeugen, sondern in den Nationalbanken verschwinden.

Desweiteren kommt es im späteren Spiel tatsächlich zu Überproduktionen in der Landwirtschaft, jedenfalls in der Viehzucht. Der Preis reagiert darauf allerdings äußerst unelastisch, so das Viehbauern ihre Ware nicht loswerden, und Kunden ihren Bedarf trotzdem nicht decken können.

Eine weitere dramatische Entwicklung ist grassierende Arbeitslosigkeit in AI Nationen, bis zu 50% Arbeitslose Bauern und Arbeiter sind wohl keine Seltenheit, jedenfalls in Nationen ohne Kolonien oder andere Ausweichmöglichkeiten, zwar federt hier Auswanderung das Problem ein wenig ab, aber nicht ausreichend. Das Arbeitslose kein Einkommen haben, damit die Militanz steigt und zu Rebellen werden muss wohl nicht überraschen.

Zusätzlich produziert die Welt im späten Spiel riesige Kohle Überschüsse, für die es durch mangelnde Industrialisierung keine Abnehmer gibt, insbesondere, da weder Fabriken, Dampfschiffe noch Eisenbahnen Kohle als Unterhaltsgüter verbrauchen, maximal als Input für Produktion.
Größte Abnehmer von Kohle wären laut den Dateien eben die Fabrikarbeiter und Kapitalisten, allerdings in der zweiten Bedarfskategorie, die die allermeisten nicht abdecken können. Auch hier beisst sich die Katze wieder in den Schwanz.

Jorrig
20.08.10, 14:26
Die Produktivität muss aber auch steigen, da ja auch die Bevölkerungszahl wächst. Bzw., eigentlich ist es ja umgekehrt, die Bev. kann wachsen, weil die Produktivität steigt. Das scheint mir auch plausibel. Interessante Beobachtungen und Vorschläge zum Wirtschaftssystem gibt es hier:
http://forum.paradoxplaza.com/forum/showthread.php?t=493539
Dort hat der Autor bemerkt, dass sich steigender Wohlstand im Land nicht auswirkt auf den Konsum der Leute. Sie kaufen also nicht etwa mehr ein und konsumieren mehr, sondern immer dasselbe, egal, wie reich sie sind. Er schlägt vor, dass reiche Bauern auch etwas mehr Geld ausgeben, um somit auch Güter aus dem Markt zu ziehen, die momentan mehr als ausreichend vorhanden sind. Er schlägt auch vor, die Preise dynamischer anzupassen und die echte Nachfrage zu errechnen statt einer Art Pseudonachfrage wie bislang. Der Artikel ist sehr interessant, die Vorschläge gefallen mir. Ach ja, es reicht, den ersten Post zu lesen, die weiteren Kommentare sind aber oft ebenfalls über dem durchschnittlichen Niveau.

Timme
20.08.10, 14:34
Die Produktivität muss aber auch steigen, da ja auch die Bevölkerungszahl wächst. Bzw., eigentlich ist es ja umgekehrt, die Bev. kann wachsen, weil die Produktivität steigt. Das scheint mir auch plausibel. Interessante Beobachtungen und Vorschläge zum Wirtschaftssystem gibt es hier:
http://forum.paradoxplaza.com/forum/showthread.php?t=493539
Dort hat der Autor bemerkt, dass sich steigender Wohlstand im Land nicht auswirkt auf den Konsum der Leute. Sie kaufen also nicht etwa mehr ein und konsumieren mehr, sondern immer dasselbe, egal, wie reich sie sind. Er schlägt vor, dass reiche Bauern auch etwas mehr Geld ausgeben, um somit auch Güter aus dem Markt zu ziehen, die momentan mehr als ausreichend vorhanden sind. Er schlägt auch vor, die Preise dynamischer anzupassen und die echte Nachfrage zu errechnen statt einer Art Pseudonachfrage wie bislang. Der Artikel ist sehr interessant, die Vorschläge gefallen mir. Ach ja, es reicht, den ersten Post zu lesen, die weiteren Kommentare sind aber oft ebenfalls über dem durchschnittlichen Niveau.

Diesen beitarg habe ich auch gelesen, wirklich interessante Ansätze, die gut funktionieren könnten.

Meiner unmaßgeblichen Meinung nach, sollte es eigentlich ausreichen, wenn Fabrikarbeiter angemessener ausgestaltete Bedürfnisse hätten, deutlich über Bauern, aber zumindest durch Industrielöhne abdeckbar. So daß sich die Industrialisierung durch Wachstum selbst Bedarf schafft. Momentan ist es eben so, das Fabriken nur Bedarf für Agrarprodukte steigern. Die so reich werdenden Bauern werden zu Aristokraten, die ihre Gewinne zu gewissen Anteilen durch die Nationalbank dem Kreislauf wieder entziehen, da Pops keinen Zugriff auf diese haben, oder nur sehr eingeschränkt, wenn eine Nation ein Defizit an Steuern oder Zoll- und Industriesubventionen über Darlehen finanziert.

Bassewitz
20.08.10, 14:45
Zusätzlich produziert die Welt im späten Spiel riesige Kohle Überschüsse, für die es durch mangelnde Industrialisierung keine Abnehmer gibt, insbesondere, da weder Fabriken, Dampfschiffe noch Eisenbahnen Kohle als Unterhaltsgüter verbrauchen, maximal als Input für Produktion.Größte Abnehmer von Kohle wären laut den Dateien eben die Fabrikarbeiter und Kapitalisten, allerdings in der zweiten Bedarfskategorie, die die allermeisten nicht abdecken können. Auch hier beisst sich die Katze wieder in den Schwanz.
Igitt und wir wollten in unserem AAR dazu übergehen, ein Kohlerevier zu kolonialisieren, da wir uns dachten, dass mit der im mittleren Spiel stark einsetzenden Industrialisierung der Bedarf an Kohle und Eisen/Stahl durch die Decke gehen würden (so sollte es ja auch sein :rolleyes:)... Da muss Paradox nochmal nachpatchen. :nono:

Timme
20.08.10, 15:02
Igitt, und wir wollten in unserem AAR dazu übergehen, ein Kohlerevier zu kolonialisieren, da wir uns dachten, dass mit der im mittleren Spiel stark einsetzenden Industrialisierung der Bedarf an Kohle und Eisen/Stahl durch die Decke gehen würden (so sollte es ja auch sein :rolleyes:)... Da muss Paradox nochmal nachpatchen. :nono:

Um das anhand von Zahlen zu illustrieren, Situation: die Welt 1933

Kohlebedarf: 6.272,489
Kohleproduktion: 29.226,570

:D

Timme
27.08.10, 04:58
Ich habe mir mal meine Gedanken zum Handel gemacht, denn da bestehen einige Unklarheiten, und weder Handbuch noch Strategyguide sind in der Beziehung wenig erhellend oder streifen die tieferen Fragen nur sehr im ungefähren.

Wichtig zu wissen wäre ersteinmal, dass die Pops grundsätzlich erst am heimischen Markt kaufen, also in der Heimatnation, bzw. der zugehörigen Sphäre. Hierbei angeblich nach der Prestigereihenfolge, Fabriken und Pops der prestigeträchtigsten Nation haben Vorkaufsrechte. Das es aber ausser Eisen normalerweise kein knappes Gut im momentanen Wirtschschaftssystem gibt, ist das zum einen irrelevant und schwierig zu verifizieren. Im Fall Eisen trifft es allerdings zu, insofern gehe ich mal davon aus, dass es auch auf die anderen Güter zutrifft.
Das hat zwei Auswirkungen auf die Heimatwirtschaft. Zum einen kann die heimische Produktion nicht durch billige Ware aus dem Ausland vollends ruiniert werden, da die Pops sowieso lokal einkaufen, komme was wolle. Der andere Punkt währen die Zölle. Diese haben somit keinerlei Schutzfunktion wie man sich das als protektionistischer Merkantilist wünschen würde. Der Bürger ist loyal genug um sowieso heimische Waren vorzuziehen. Zölle verteueren somit nur Importe, dabei auch die lokal nicht vorhandenen Eingangsgüter für die eigenen Produzenten. Auswirkungen auf den Konsum sind insofern nur festzustellen, als dass die Pops durch die Zölle weniger Geld in der Tasche haben, was den lokalen Absatz negativ beeinflußt.
Negative Zölle hingegen subventionieren die Importe. Auch das hat keinen Einfluß auf das Kaufverhalten, oder den Preis inländischer Waren. Die Pops können sich nur mehr leisten, Fabriken produzieren, je nach Abhängigkeit von Importen, damit ebenfalls effizienter.

Die Preisbildung ist in Vicky 2 eh verkorkst. Man kann verstehen, dass es um Rechenleistung zu minimieren nur einen globalen Weltmarktpreis gibt. Nur leider findet sich dieser aus den falschen Annahmen. Denn Vicky 2 unterscheidet in der Beziehung nicht zwischen Bedarf und Nachfrage. Bedarf ist in diesem Fall die Annahme, dass alle Pops sich alle gewünschten Güter aller drei Kategorien leisten können. Die durch das Einkommen aber deutlich eingeschränkten Pops werden daraus aber nur eine in den meisten Fällen deutlich niedrigere Nachfrage generieren können. Dieser wird zur Preisfindung die Weltproduktion gegenübergestellt.Aus dieser Fehlannahme entstehen somit "Mondpreise". Dies ist sehr schnell bei den Gütern Luxuskleidung und Luxusmöbel zu beobachten, die zwar einen hohen theoretischen Bedarf und geringe Angebotszahlen aufweisen, aber die tatsächliche Nachfrage ist deutlich darunter.
Ein Beispiel: 1842 Testlauf ungemodded,
Luxuskleidung: Bedarf 27.272
Angebot 6.464
Nachfrage 0.8
Es sollte nicht wundern, dass der Preis für dieses Gut äußerst hoch ist.
Auch das hat zwei unschöne Auswirkungen. Zum einen halten Kapitalisten, wenn sie denn dürfen, in diesem Fall Luxuskleidungsfabriken für eine totsichere Investition, nur um dann bitter enttäuscht zu werden und eine gerade abgerissene Fabrik fröhlich wieder neu zu errichten.
Der andere Aspekt ist etwas weniger offensichtlich. Durch die verfehlte Preisbildung bleiben gewisse Preise realitätsfern hoch und die dazugehörigen Güter sind somit entweder unerschwinglich, oder verbrauchen unverhältnismäßig hohe Anteile der verfügbaren Einkommen der Pops, was wiederrum die Nachfrage nach anderen Gütern negativ beeinflußt. "Glücklicherweise" ist der Angebotsüberhang in den meisten Spielen einer rebellengeplagten und deindustrialisierten Welt derart hoch, dass der letztere Aspekt nur eine untergeordnete Rolle spielt, da viele Güter den niedrigst möglichen Preis annehmen.

Und zum Abschluß noch eine Beobachtung, wie den Güter auf dem Weltmarkt verteilt werden. Hier befinde ich mich im ungefähren, da es schwierig ist das anhand von Zahlen aus dem Spiel zu bestätigen, oder mir die Arbeit dafür einfach zu viel wäre ;)
Die Güter eine volkswirtschaft werden zuerst am heimischen Markt angeboten und dort je nach Nachfrage (Bedarf für den Einkommen verfügbar ist) verkauft. Die Überschüße gehen auf den Weltmarkt in einen gemeinsamen Pool aus dem die Nachfrage an Importen gedeckt wird. Die Erträge daraus werden gleichmäßig an die Anbieter verteilt, wenn z.B. für 75% eines Gutes Nachfrage besteht, bekommen alle Anbieter auf dem Weltmarkt für diese 75% ihres Angebots den Weltmarktpreis vergütet. Das gilt für die hocheffiziente Fabrik, die 80 Einheiten auf den Markt wirft genauso wie für die kleine Handwerker-Pop, die 0,0587 anbietet. Nicht verkaufte Waren verschwinden im marktwirtschaftlichen Nirvana. Prestige wirkt sich nur auf der Käuferseite aus, sollte es mal einen Nachfrageüberhang geben, dann wird dieser nach absteigender Prestigereihenfolge befriedigt, bis man am unteren Ende der Nahrungskette leer ausgeht. Aber das ist den Anbietern egal, entscheidend ist für diese, dass 100% der Produktion verkauft werden kann.
Hier gibt es nur Probleme, wenn man im internen Markt nicht genügend Prestige aufbringt, um die eigene Produktion für eigene Zwecke aufzukaufen.

Wie oben erwähnt bisher für längere Zeiträume nur bei Eisen zu beobachten. Zudem bestehen die Abschlußbemerkungen zum Weltmarkt wie erwähnt aus Vermutungen, allerdings bin ich mir sicher genug um es hier mal so niederzuschreiben. Sollte ein Regent fundierteres Wissen zu dem Thema haben, wäre ich sehr dankbar, wenn dieser mich daran teilhaben lassen könnte. Denn dieses Thema treibt mich noch am meisten um, insbesondere da viele Tooltipps zum Thema Produktion und Handel entweder fehlen oder wenig erklärendes bieten.

Einiges davon habe ich so oder ähnlich u.a. im Paradox-Forum gelesen und bildet somit Dinge ab, die auch andere Spieler herausgefunden haben. Ich hielt es dennoch für eine passable Idee das hier in unseren Hallen kundzutun, vielleicht hilft es dem ein oder anderen Regenten, um sich ein genaueres Bild vom Handel in Victoria 2 zu machen, zumindest in der Version 1.1.

Arminus
27.08.10, 11:51
Interessante Ausführungen. Was regionale Preisbildung, echte Nachfrage und Verteilung auf dem Weltmarkt angeht, hört sich das für mich allerdings nach einem qualitativen Sprung, also einem AddOn an. Also werde ich wohl noch warten...

Timme
27.08.10, 19:07
Die Geschichte mit den prozentualen Verkäufen am Weltmarkt meine ich an den Erfindungen belegen zu können.
So bringt jede Austoß steigernde Erfindung den RGOs einen nicht unerheblichen Einkommenszuwachs. Man würde annehmen, dass effizientere Produktionsmethoden auf einem übersättigten Markt entweder die Preise nach unten ziehen, oder Überschüße verursachen. Dem ist in Vicky nicht so. Mal ein paar zufällige Zahlen dazu, wie es meiner Meinung nach abläuft.
Angenommen eine RGO produziert 30 Getreide für den Export bei einem Weltmarktpreis von 2.
Auf dem Markt findet 80% des angebotenen Getreides Abnehmer. Somit verdienen die Bauern in diesem Beispiel 30*2£*0,8=48£. Erhöht nun eine Erfindung den Ausstoß um 40% bei gleichbleibender heimischer Nachfrage, und nehmen wir mal an, dass dieser Zuwachs das globale Angebot in absoluten Zahlen nicht sonderlich beeinflußt oder sagen wir einfach, es werden nur noch 79% abgenommen, dann verdienen die Bauern (30*1,4)*2£*0,79=66,36£.
Also 138% vom vorherigen Einkommen.
Leider kann ich gerade keine belastbaren Beispiele aus dem Spiel heraus generieren, da die Zahlen dort etwas verworrener sind. Aber ein flotter Versuch mit Mechanical Produktion und den Zuwächsen an einer Früchte RGO dank Hussey&McCormicks Reaping Machine (+40% für Früchte) ergaben über den Daumen einen Einkommenszuwachs von 30%. Ich denke das belegt meine These fürs erste hinreichend.

Schlußfolgerungen die man daraus ziehen kann sind, das eine technisch-industriell hochentwickelte Nation pro Pop mehr Einkommen aus dem Weltmarkt erzielen kann und das das so oder ähnlich auch für Farbiken gelten muss. Ein hoher Output sorgt auch für einen hohen Anteil am und somit Einkommen aus dem Welthandel, Überschüße hin oder her. Ob die Pops davon leben können steht auf einem anderen Blatt und basiert auf Faktoren wie Output pro Arbeiter sowie Input- und Wartungskosten.

Am Rande bemerkt, Produktionsüberschüße sind neben der Nationalbank der zweite große Vernichter im Geldkreislauf, aber das ist ein anderes Thema.

Seelensturm
27.08.10, 19:50
Bei zuwenig Angebot dürfen sich die Nationen in der Rangfolge des Prestiges bedienen (Ausnahme innerhalb der SoI).
Bei zuviel Angebot von z.B. 100 Units aber nur 80 Nachfrage bekommt aber jede Nation 80% ihrer Produktion verkauft ohne jede Bevorzugung?

Timme
27.08.10, 20:09
Bei zuwenig Angebot dürfen sich die Nationen in der Rangfolge des Prestiges bedienen (Ausnahme innerhalb der SoI).
Bei zuviel Angebot von z.B. 100 Units aber nur 80 Nachfrage bekommt aber jede Nation 80% ihrer Produktion verkauft ohne jede Bevorzugung?

Ja, so zumindest meine ich meine Beobachtungen interpretieren zu können.

Bassewitz
27.08.10, 22:44
Hier gibt es nur Probleme, wenn man im internen Markt nicht genügend Prestige aufbringt, um die eigene Produktion für eigene Zwecke aufzukaufen.
Was meint ihr hiermit? Ihr sagt doch weiter oben, dass sich die eigenen Bedürfnisse zuallererst vor jedem anderen an der eigenen Produktion befriedigen.

Oder missverstehen wir euch hier?

Timme
27.08.10, 23:52
Wichtig zu wissen wäre ersteinmal, dass die Pops grundsätzlich erst am heimischen Markt kaufen, also in der Heimatnation, bzw. der zugehörigen Sphäre. Hierbei angeblich nach der Prestigereihenfolge, Fabriken und Pops der prestigeträchtigsten Nation haben Vorkaufsrechte.


Was meint ihr hiermit? Ihr sagt doch weiter oben, dass sich die eigenen Bedürfnisse zuallererst vor jedem anderen an der eigenen Produktion befriedigen.

Oder missverstehen wir euch hier?

Innerhalb der eigenen Einflussspähre. Angenommen Ihr seid eine kleinere Nation und in der Sphäre einer Großmacht. Und nehmen wir weiterhin an Ihr produziert Eisen Eure Großmacht hingegen nicht, oder nicht genug für die eigene Nachfrage. In diesem Fall hat die GM bei höherem Prestige das Vorkaufsrecht auf Euer Eisen, und in diesem Sinne auch alle anderen Güter, die sie selbst nicht abdecken kann.
In einer hypthetischen Annahme würde sie sogar eure Grundnahrungsmittel vor Euren Pops kaufen, wenn sie diese selbst nicht ausreichend produziert. Man stelle sich vor, Großbrittanien kauft Euer Getreide, und Eure Pops, die Getreide produzieren müssten dieses am Weltmarkt kaufen :D
Aber das macht keinen Unterschied, im Gegensatz zu Eisen ist Getreide ausreichend vorhanden, es gibt global pro Gut nur einen Preis und ob die Pops am WM oder die eigene Produktion aufkaufen ist irrelevant, wenn man Zölle außen vor läßt.
Aber zurück zum Eisen hat das den Nachteil für den nachrangigen Produzenten in der Sphäre, dass eigene Nachfrager für Eisen sich am eigenen Markt nicht bedienen können, da die Großmacht die Produktion aufkaufen könnte, und im frühen Spiel bis ca. 1860, wenn die meisten Eisenproduzenten verbessernde Metallurgie-Technologien erforscht haben, wird man selbst am Katzentisch die hochtrabenden Pläne für eine blühende Stahlindustrie auf später verschieben müssen, auf dann, wenn der Markt wieder Überschuß bietet, man selbst Großmacht geworden oder anderweitig aus einer Sphäre rausgefallen ist.

Bassewitz
28.08.10, 09:37
Wir haben uns schon fast gedacht, dass ihr dies meintet, jedoch sind wir eine solch dramatische Situation für einen Kleinstaat im Kopf bisher nicht durchgegangen. Dieser Effekt, des "Ausbeutens" der Staaten in der Sphäre, erscheint für uns aber historisch belegbar und sehr sinnig (ob das wirklich WAD oder nur Zufall ist, lassen wir einmal dahingestellt ;)).

Timme
29.08.10, 02:00
Ich glaube mittlerweile, dass Vicky schummelt, die kleine Hündin.

In meinem momentanen Spiel fiel mir auf, dass bis auf Vieh alle Zahlen für Nahrungsmittel sowohl für Nachfrage als auch Angebot identisch sind.
Dass das sehr unwahrscheinlich ist, ist gewiss ersichtlich. Nach dieser Erkenntniss habe ich mal ins Savegame geschaut und festgestellt, dass es dort Werte für world_stockpile, actual_sold, actual_sold_world, demand und real (!)_demand gibt.
Das macht mich etwas stutzig, wenn das Spiel all diese Werte mit 5 Nachkommastellen erfasst, warum ist dann die Preisfindung trotzdem falsch?

In einem kleinen Test habe ich mal den world_stockpile für Fisch auf 0 gesetzt, da meine Nation Fisch importiert und Nachfrage und Bedarf identisch sind. Eigentlich müsste es dann, ohne alle Werte zu kennen, entweder zu einem massiven Preisanstieg für Fisch führen, oder noch krasser, meine Pops können keinen Fisch mehr kaufen, weil ist nicht genug da. Zwei ingame Wochen später hat sich beides nicht eingestellt, abermals abgespeichert und nachgeschaut. Der world_stockpile für frische Fische war wieder auf demselben Wert wie vor der Änderung.

Nun hege ich den Verdacht, dass Paradox da einen Notschalter eingebaut hat, der dafür sorgt, dass für jedes Gut ein Grundstock vorhanden ist, so das, bei genug Einkommen der Pops, es nie zu Versorgungsengpässen mit Grundversorgungsgütern kommen kann. Das würde zumindest erklären, warum diese Güter zwar bei Überschuß durchaus Weltmarktpreissenkungen erfahren, aber nie Steigerungen.

Ich bin mir gerade nicht sicher, ob das nun so schlecht ist, denn ohne diese Funktion würde die Welt vermutlich gegen 1880 in eine dramatische Hungerkrise stürzen, die die Bauern zu den Königen über Allen machen würde. Aber das das alles nicht rund läuft ist dann doch mehr als ersichtlich, wirkt gekünstelt und mit ein bisschen Bier intus verliert man langsam aber sicher den Glauben an das Wirtschaftsmodell in Victoria 2 und zudem sinkt die Zuversicht, dass 1.2 hier dramtisch Abhilfe schafft.

Wie dem auch sei, da muss man es wohl wie die Polen halten: Die Hoffnung stirbt zuletzt, zumindest erst nach den Kaczyńskis.

P.S. Ein knappes Jahr später ist der world_stockpile für Fisch nahezu gleich groß geblieben, bei permanent identischer Nachfrage und Bedarf. Entweder passen die RGOs ihren Austoß an die Nachfrage an, oder ich habe mit meiner oben genannten These recht. Beides lässt sich auf die Schnelle nicht beweisen.

Timme
29.08.10, 13:06
Es ist doch alles "gut" in der Vicky 2 Wirtschaft. In meiner gestrigen Tirade habe ich völlig außer acht gelassen, dass ja Güter nach Prestigereihenfolge verkauft werden. Und meine Nation war in dem Punkt unangefochten auf Platz 1. Daher konnten meine Pops ihren Fisch kaufen,a uch wenn die Welt darin unterversorgt ist. Nationen am unteren Ende der Reihenfolge hingegen können keinen mehr erstehen. Insofern funktioniert es doch wie es wohl sollte.
Eine Versorgung der Grundbedürfnisse bei 67% führt anscheinend zu keiner Steigerung der Militanz, da die so unterversorgten Pops alle Tagesbedürfnisse erfüllt bekommen, stellt sich durch globalen Fisch und Fruchmangel keine erhöhte Unzufriedenheit ein.

Also kamen die komischen Zahlen wohl dadurch zustande, dass Vicky 2 bei Agrargütern den angezeigten Bedarf an das Angebot angleicht. Somit ist es kein Wunder, das der Preis für Fisch nicht durch die Decke ging, obwohl beachtliche Teile der Welt ihren Bedarf daran real nicht decken können.

Enkidu
13.09.10, 02:31
Sehe ich das eigentlich richtig, oder ist es durch den Kapitalistenbug überhaupt gar nicht möglich momentan eine Nation von einer unzivilisierten Nation zu einer Großmacht (oder auch nur den Zwischenstufen) zu machen, da man nie Fabriken bauen kann, selbst wenn man noch soviele Techs erforscht hat?!
Zumindest ist es mir bei meinem Japanspiel aufgefallen, daß sich trotz wissenschaftlichem Fortschritt keiner meiner Untertanen zum Kapitalisten aufschwingen mag.

Al. I. Cuza
13.09.10, 05:31
Sehe ich das eigentlich richtig, oder ist es durch den Kapitalistenbug überhaupt gar nicht möglich momentan eine Nation von einer unzivilisierten Nation zu einer Großmacht (oder auch nur den Zwischenstufen) zu machen, da man nie Fabriken bauen kann, selbst wenn man noch soviele Techs erforscht hat?!
Zumindest ist es mir bei meinem Japanspiel aufgefallen, daß sich trotz wissenschaftlichem Fortschritt keiner meiner Untertanen zum Kapitalisten aufschwingen mag.

Was für ein Bug?

Enkidu
13.09.10, 17:41
Den jemand hier vorhin erwähnte. Daß u.U. keine Kapitalisten auftauchen, sondern nur Aristokraten.
Hat denn schon jemand einen nichtzivilisierten Staat zu einer Großmacht gemacht hier?

sato
13.09.10, 19:57
ich hab japan 2 mal zur großmaht gemacht und die haben gebaut wie blöd aber nicht so viel wie zb össiland

Enkidu
13.09.10, 21:59
Sehr eigenartig.
Dann lief bei mir wohl irgendetwas falsch - vielleicht hab ich irgendetwas im Politikbereich nicht richtig gesetzt.

sato
13.09.10, 22:52
Vieleicht ein Bug der nur bei einzelnen Usern vorkommt?

Murchad
13.09.10, 23:38
Sehe ich das eigentlich richtig, oder ist es durch den Kapitalistenbug überhaupt gar nicht möglich momentan eine Nation von einer unzivilisierten Nation zu einer Großmacht (oder auch nur den Zwischenstufen) zu machen, da man nie Fabriken bauen kann, selbst wenn man noch soviele Techs erforscht hat?!
Zumindest ist es mir bei meinem Japanspiel aufgefallen, daß sich trotz wissenschaftlichem Fortschritt keiner meiner Untertanen zum Kapitalisten aufschwingen mag.

Zwar nicht unzivilisiert, aber beinahe. Spiele ja mit Brasilien, das auch keine Fabriken zu Anfang hat. Es ist zwar am Anfang harzig, aber es klappt recht gut mit dem Fabrikenbau. War mit 7 Millionen männlichen Einwohner Grossmacht Nr. 5- Industrie auch 5.
(Meine Industrie ist jedoch zurzeit viel zu aufgebläht...)

elbe1
14.09.10, 00:19
Den jemand hier vorhin erwähnte. Daß u.U. keine Kapitalisten auftauchen, sondern nur Aristokraten.
Hat denn schon jemand einen nichtzivilisierten Staat zu einer Großmacht gemacht hier?

Mann muss ein paar Bedingungen erfüllen zb. Prestige 40 punkte um eine zivilisierten Staat zureichen

gibt auch ein tooltip wen ihr mit der Maus draufgeht

:smoke: