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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Weimar - Die Simulation der Weimarer Republik



Sir H. Dowding
19.10.08, 01:00
Nach ziemlich langer Abwesenheit melde ich mich mit einer kleinen Spieleempfehlung zurück ins Forum.

Immer schon interessiert hat mich die Weimarer Republik und nach der Lektüre vom ZEIT Geschichte Magazin mit eben diesem Thema, begab ich mich im Internet auf die Suche nach mehr Informationen und stieß auf folgende:

Zu allererst einmal eine coole Seite, auf der sämtliche Wahlen und Referenden, die in der Weimarer Republik stattfanden aufgelistet sind.

http://www.gonschior.de/weimar/index.htm

Zweitens fand ich eine Seite, die ein paar Informationen zu einem alten Brettspiel aus den 90er Jahren bereithielt. Dieses Spiel hieß "Weimar - Simulation der Weimarer Republik" (daher auch der Threadtitel :) )

http://www.spielegilde.de/produkte/weimar/weimar.aspx

Es ist ein Spiel für 7 Spieler und jeder übernimmt eine der großen Parteien der Weimarer Republik (einige stehen stellvertretend für mehrere kleine, z.B. die NSDAP für sämtliche rechten radikalen Gruppierung). Folgende gibt es: KPD, SPD, DDP, Zentrum, DVP, DNVP, NSDAP

Die Stärke der Parteien wird durch Wahlen festgestellt (die laut Spielbeschreibung einfach gehandhabt werden) und danach geht's ans Regieren. Also es müssen sich die Spieler absprechen und mehrere zusammen eine Regierung bilden.

Ebenfalls im Spiel integriert sind verschiedene Ämter, die unterschiedliche Wertigkeit und natürlich auch Funktion haben. So gibt es den Reichspräsidenten, der den Reichskanzler ernennt, Finanz- und Aussenminister, etc.
Das Spiel wird aufgrund stärkerer Nachfrage wieder aufgelegt und soll bis Weihnachten fertig werden und übers Internet zu kaufen sein. Auf meine Anfrage hin, wurde mir ein Preis von 19 Euro und 29 Euro (mit Spielsteinen) genannt, also ganz okay.
Derzeit werden die Regeln überarbeitet, sodass das Spiel schlussendlich eine Dauer von 4 Stunden haben soll und nicht 8 wie die erste Version.

Also eine coole Sache, wie ich finde und deshalb wollte ich gleich mal davon berichten. Was haltet Ihr davon?

Montesquieu
19.10.08, 01:47
Ja, ja, Weimar... Meine Arbeit zum MAgister Artium läßt grüßen...

Wahlen, ja, soll es auch gegeben haben... Den Willen zum regieren? Parlamentarismustreue? Hehe...

Wir hatten zwar die SPD... 22 schon aus der Regierungspflicht selbst entlassen... DDP zu schwach um einen Unterschied zu machen... Zentrum, klar, aber zu schwach gegen die Protestantenfront...

Geile Sache von der parlamentarischen Front ein Spiel abzuziehen, aber müssen die Spieler auch ihre antiparlamentarische Spielweise einspielen lassen...

Muss der Montesquieu noch weitertrinken, obwohl er einen seinen besten Freund nach Hause geschickt hat. Alleine im Elternhaus, The Who dröhnen aus den Boxen, Eltern auf einer Geburtstagsfete, Montag Praktikum bei der Aachener Zeitung...

Was hat das alles mit Weimar zu tun? Tja, Super Verfassung (with a few flaws) aber am Ende kommt die Kotze raus!

derblaueClaus
19.10.08, 01:47
Hmm hört sich auf jedenfall interessant an.(Auch wenn das eher in den Brettspielthread passen würde ;) ) Mal schauen vielleicht was für das übernächste Konvent. :)

Sir H. Dowding
19.10.08, 03:13
Wir hatten zwar die SPD... 22 schon aus der Regierungspflicht selbst entlassen... DDP zu schwach um einen Unterschied zu machen... Zentrum, klar, aber zu schwach gegen die Protestantenfront...

Geile Sache von der parlamentarischen Front ein Spiel abzuziehen, aber müssen die Spieler auch ihre antiparlamentarische Spielweise einspielen lassen...



Was ich darüber bisher weiß ist, dass sowohl KPD als auch NSDAP als einzige die Möglichkeiten haben über einen Putsch die MAcht in einzelnen Ländern oder gar in ganz Deutschland an sich zu reissen.
Damit die Spieler schön gegeneinander spielen gibt's Punkte. Stellt man den Reichspräsidenten (z.B.) 5, für die Kanzler 4 und für Minister 1. Für einen geglückten Putsch in einem Land auch und ebenfalls für kleine Chaosfaktoren, die nur die Radikalen machen können (die NSDAP kann etwa Politiker töten oder es versuchen und bekommt dann einen Punkt, wenn sie's schafft).

Überhaupt hat scheinbar jede PArtei einen Politikerpool, mit denen sie ihre Positionen füllen kann. Und die wiederum haben Skills.
Scheinbar gibt es auch einen Spitzenkandidaten, der je nach Charisma zieht oder nicht.
SPD und KPD können als einzige Streiks ausrufen und so, wenn er befolgt wird, eine Regierung in Probleme stürzen.

Es klingt ziemlich kompliziert, aber wahrscheinlich (so hoff ich zumindest) nicht mehr als Monopoly oder Risiko.

Die PArteien sind auch so aufgebaut, dass einem Spieler wenig übrig bleibt, als so zu spielen, wie in Wirklichkeit. Also zum Beispiel wäre es Harakiri für die KPD einer Regierung anzugehören, weil sie dann ihre radikalen Wähler verliert.
Ich hoffe halt auch, dass es mit den richtigen Leuten dann so richitg stimmig wird. Also die bedrängten Parteien der Mitte, die immer mehr schrumpfen und gleichzeitig die Republik am Leben halten.

Jede Spielrunde entspricht einem Jahr beginnend 1920. Jedes JAhr wird eine Ereignisskarte aufgedeckt, die meist ein Problem zusätzlich bringt, um das sich die Reichsregierung zu kümmern hat. Extra wird der Zustand der Wirtschaft und der Bevölkerung (arbeitslosigkeit, Lebensqualität, Inflation, etc) festgehalten und fliesst dann ins Spiel ein. Wie gesagt. So lautete die Beschreibung und gesehen oder gespielt hab ichs noch nicht.
Die Minister, die man durch die Regierungsbildung einsetzt müssen sich dann darum kümmern und je qualifizierter sie sind, desto besser werden diese Wertungen werden.

Die Reichswehr gibts natürlich auch, genauso Polizeieinheiten. In Wahlkämpfen können die Parteien Aufmärsche veranstalten und andere Schlägertrupps einsetzen. Damit das nicht eskaliert, kann die Polizei eingreifen und bei einem Putsch genauso.
Bestimmte Einflusskräfte auf die Wähler sind auch dabei, so zum Beispiel die beiden Kirchen, Hugenberg und seine Presse, die Reichswehr und die Gewerkschaften.

Bin also schon gespannt, wie das wird. Werd mir mal ein neues Buch über Weimar zulegen. Mal die Uni Bibliothek durchforsten.
Gute NAcht noch allerseits

Montesquieu
19.10.08, 03:19
Was ich darüber bisher weiß ist, dass sowohl KPD als auch NSDAP als einzige die Möglichkeiten haben über einen Putsch die MAcht in einzelnen Ländern oder gar in ganz Deutschland an sich zu reissen.


Nicht wirklich, oder? Nun ja, die restliche Erklärungen hören sich allesamt ganz nett an. Aber Putsche wurden erfolgreich im Führungsduo Ebert+Reichswehr niedergemacht. Ruhrgebiet... Sachsen... Bayern... Wenn einer keine Chance hatte, jemals einen Putsch durchzführen, dann war das die KPD. But when you´ll never try, you´ll never lose...

Teradoc
19.10.08, 03:27
Gibt es Bilder vom Spiel selber? Es klingt wirklich arg komplex und es ist die Frage, ob es wirklich als Brettspiel für nur 3.4 Stunden geeignet zu sein scheint. Ich würde mich gerne näher informieren, da es mein Interesse geweckt hat. :)

Sir H. Dowding
19.10.08, 03:34
@Monte: Naja, dass die Putsche nicht funktioniert haben, heißt ja nicht, das es sie nicht gab. Die NSDAP hat ja auch keinen erfolgreichen aufs Parkett gelegt. 1923 kläglich gescheitert und 1933 vom Reichspräsidenten in die Regeirung gelassen. Im SPiel haben die beiden allerdings auch die Möglichkeit zusammen zu arbeiten und gemeinsam zeitgleich an verschiedenen Stellen zu putschen und so die Regierung zu überfordern. Die KPD kann dazu noch einen Streik ausrufen und die NSDAP vesuichspräsidenten zu ermorden. Da hat dann die Weimarer Koalition einiges zu tun :) Die DNVP muss sich entscheiden, ob sie dann nicht doch lieber bei der Republik mitmacht und die Reichswehr schreitet hoffentlich ein und revoltiert nicht auch.

@Tera:
Naja, leider gibt's momentan nur diesen Link: http://www.spielegilde.de/produkte/weimar/weimar.aspx

Es gab mal einen alten Link, wo man auch ein PDF der Spielregeln ansehen konnte, aber das wurde scheinbar aus dem Netz genommen.

EDIT: Nein, hab sie noch gefunden! http://www.wahlkampfspiele.de/spiel_weimar.aspx
EDIT 2: http://www.wahlkampfspiele.de/downloads/Weimarrezension.pdf Da ist der Link zu den alten Spielregeln, damit man mal einen kleinen Einblick erhält. Bei mir hats gewirkt :)

Vernichter
19.10.08, 04:01
Nicht wirklich, oder? Nun ja, die restliche Erklärungen hören sich allesamt ganz nett an. Aber Putsche wurden erfolgreich im Führungsduo Ebert+Reichswehr niedergemacht. Ruhrgebiet... Sachsen... Bayern... Wenn einer keine Chance hatte, jemals einen Putsch durchzführen, dann war das die KPD. But when you´ll never try, you´ll never lose...

Finde die Sache mit den Putschen auch recht sonderbar. Wieso soll es eigentlich Bonuspunkte für kurzfristige Machtübernahmen in einzelnen Provinzen geben? In der Regel ging es bei solchen Sachen ja um "Alles oder Nichts". Entweder gewinnt man die Macht im ganzen Lande oder geht erstmal für eine ganze Weile, wie im Falle des Feldherrenmarsches (zumindest für eine Weile) baden. :D Würde meiner Meinung nach nur im Verbund mit einer Bürgerkriegsoption Sinn ergeben.

Hätte dann noch andere Fragen auf Lager:
-Wie funktionieren Wahlen?
- ist auch eine Portion Würfelglück dabei?
- Kann man das wirtschaftliche Geschick des Landes wirklich gestalten oder läuft es automatisch in Richtung Krise?
- Wie soll Adolf in so einem Spiel jemals an die Macht kommen? Es wird doch kein "konservativer" Spieler ernsthaft mit den eigenen Totengräbern koalieren wollen. :D


Ansonsten hört es sich alles nach einem Spiel für meine Studentenverbindung an. Man braucht ja auch mal Abwechslung zu Axis und Allies.

Muss sich endlich eine gescheite Strategie gegen den verdammten Ami im Pazifik einfallen lassen. :mad: :tongue:

Sir H. Dowding
19.10.08, 04:21
Ich würde diese Fragen ja gerne beantworten, aber leider brennen mir die selber unter den Nägeln. :D
Ich hab nicht mehr Informationen, als diese zwei Links.

Das mit den Putschen (wie lautet bitte der richtige Plural? Okay, sagen wir Pütsche :D) scheint mir ein ausgleich zu sein, dafür dass KPD und NSDAP fast nicht oder gar keine Punkte durch Regierungsbeteiligung kriegen, während die anderen da doch recht gute Chancen haben. Außerdem sind kurzzeitige Machtübernahmen ja ein tolles Mittel zur Destabilisierung der ganzen Republik und dass hilft ja sowohl KPD als auch NSDAP. Von daher wird man ja für eine erfolgreiche Politik für die eigene PArtei belohnt.

Soweit ich den Absatz über den Wirtschaftsminister verstanden habe, hat man sehr wohl einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung des Landes. Wahrscheinlich halt nur in einem gewissem Rahmen. Also wenn die Franzosen das Rheinland besetzen und die Hyperinflation galloppiert, dann wird die Reichsregierung kein Wirtschaftswachstum zustande bringen :)

Naja, aus Sicht des DNVP-Spielers ist die NSDAP ja eine Möglichkeit, sich von den anderen bürgerlichen PArteien zu befreien. Und wenn die NSDAP viel bietet, also Vizekanzler und andere gute Ministerien oder gar den Kanzler, dann ist das allemal verlockender, als sich mit DDP, DVP und Zentrum um die Ämter zu streiten. Aber was passiert, wenn die NSDAP an die Regierung kommt, weiß ich halt leider nicht. Wahrscheinlich wirds erst gefählich für die anderen, wenn sie Innenminister und Reichswehrminister stellen.
Oder man stelle sich vor, DNVP und NSDAP schaffen eine stabile Regierung, die gut arbeitet. Sowas bringt Punkte und wenn bis 1933 die Republik noch besteht, dann gewinnt scheinbar der mit den meisten Punkten (aber das ist nur eien Vermutung von mir).

Montesquieu
19.10.08, 04:27
Das mit den Putschen (wie lautet bitte der richtige Plural?

Coups d´Etat?

Jorrig
21.10.08, 00:34
Njet.


Die Begriffsbedeutungen Putsch und Staatsstreich (franz. coup d'État) sind jedoch nicht völlig identisch. Bei einem Putsch wird der gewaltsame Sturz der Regierung von außen versucht (etwa vom Militär), während an einem Staatsstreich ein oder mehrere Mitglieder der aktuellen Regierung beteiligt sind. Der Begriff Staatsstreich orientiert sich dabei am Staatsstreich des 18. Brumaire VIII, d.h. der Machtübernahme Napoleons I. in Frankreich 1799.

Das Wort kommt offenbar aus dem Schweizerdeutschen.

Hasardeur
21.10.08, 04:58
Hallo,

irgendwie finde ich das putzig, das Brettspiel zur gescheiterten Republik ! Ob das wohl ohne moralisch erhobenen Zeigefinger abgeht ?

Jenseits der schon in der Schule eingeimpften politisch korrekten Betroffenheit, die mich überkommt, wenn ich an das tragische Scheitern der Weimarer Republik denke, stellt sich mir zu nachtschlafender (aber leider einmal mehr schlaflosen) Zeit die Frage, ob Weimar nicht ein Musterbeispiel dafür ist, was passiert, wenn man den Menschen eine Verfassung gibt, für die sie nicht bereit sind bzw. die sie gar nicht wollen. Der Durchschnittsbürger 1919 war mit Sicherheit kein Musterdemokrat, ein Nazischlächter war er aber genauso wenig.

Ausgehend von diesem Gedanken möchte ich ganz off-topic die Frage in den Raum stellen, ob es wirklich weitsichtig ist, dem ein oder anderen frisch eroberten Staat eine demokratische Verfassung zu verpassen.

Jetzt aber wieder on-topic : Wenn ich politische Bildung per Brettspiel geniessen will, dann Spiele ich Junta. Da lerne ich parallel die Bestie noch viel besser kennen ! :)

Ein gutes Nächtle wünsch ich !

Preussenhusar
21.10.08, 10:04
Werter Hasardeur,

Allen oktroyierten Verfassungen haftete das Manko der fehlenden Legitimation an.
So bereits die preußische und die des Norddeutschen Bundes, wobie diese sich noch auf das Recht des Königs "von Gottes Gnaden" berufen konnten.

Allerdings im Gegensatz zum Grundgesetz und erst recht den von den Alliierten wirklich oft mitverfaßten Verfassungen der Bundesländer nach 1945, stand die "Weimarer Verfassung" tatsächlich auf einem gewissen kontinuierlichen Pfad, denn man erinnere sich:
Im Oktober 1918 wurde mittels einiger Federstriche die bisherige Reichsverfassung von 1871 geändert und die im Wesentlichen konstituionelle Monarchie zur parlamentarischen Monarchie, denn der Kaiser verlor das Recht, den Reichskanzler zu ernennen und zu entlassen, das ging an den Reichstag, auch der Bundesrat (!) verlor wichtige Befugnisse, und damit wurde die Vormachtstellung Preußens und dessen spätfeudale Ordnung geschwächt.

Weimar also war keine von den "Siegern" aufgezwungene Verfassung, das hätte man noch von den Oktoberanpassungen sagen können, die wirklich an die Wilsonschen Punkte anschlossen.

Daß diese Verfassung und der durch sie zu regierende Staat keine breite Akzeptanz genoß, lag eher an der "Kriegsschuld" Frage und dem "Diktat", an dem die Mittelmächte nichts - aber auch nichts ändern konnten, wenn auch im Hintergrund dieser Siegfriede schnell ausgehölt und wirksam umgangen wurde (Rapallo, Locarno)

Insofern ist - um beim Thema zu bleiben - das Spiel durchaus nicht politisch "incorrect".
Im Gegenteil - es wäre vielleicht sogar Konventfähig :D

PH

Hasardeur
21.10.08, 10:57
Werter PH,

im Grunde sind wir gar nicht so weit auseinander. Mit meiner Bemerkung war durchaus nicht gemeint, dass die Entente Deutschland die Weimarer Verfassung aufgezwungen hätte, dieser Druck kam, so wie ich es verstanden habe, eher von innen.

Wo ich mir aber sicher bin ist, dass die Büchse der Pandora der Nazibarbarei nicht aus dem Deutschland hätte entstehen können, dessen Regierungssystem eine konstitutionelle Monarchie gewesen wäre.

Insofern war die Ausrufung der Republik durch Scheidemann aus der Sicht der Nachgeborenen vielleicht ein Fehler. Die Frage sollte also nicht nur lauten, warum die Weimarer Republik untergehen musste, daran anschließen müsste die Frage, ob für ein Deutschland des Jahres 1918 eine andere, ebenfalls demokratische Verfassung nicht die bessere Wahl gewesen wäre.

Gruss

Edit PH
Diese Frage kann man im eigenen Thread fortführen, wenn gewünscht.