von Holstein
06.09.06, 14:21
Aus aktuellem Anlass: Ein Wiki-Ausschnitt über die Geschichte San Marinos.
Sehr interessant und spannend zu lesen.
Ich schließe mich gerne Abraham Lincoln an der über San Marino schrieb: „Obgleich Ihr Staatsgebiet klein ist: Ihr Staat ist einer der meistgeehrten der Geschichte“
http://www.europa.km.ru/small/images/san-marino_wappen.gif
Zitat wiki:
Die Geschichte San Marinos geht bis auf das 4. Jahrhundert zurück; aus den Anfängen sind hauptsächlich Mythen und Sagen übermittelt, die aber heute als authentisch gelten.
Die Anfänge
Um das Jahr 300 soll Marinus, ein Steinhauer aus Rab, einer kroatischen Insel, als Bauarbeiter ins damals aufstrebende Rimini gekommen sein. Noch bevor im Jahr 303 unter Kaiser Diokletian die letzte und wohl auch schlimmste Christenverfolgung in Italien begann, flüchtete Marinus als Christ auf den nahe gelegenen Berg Titano. Nach und nach gesellten sich weitere Verfolgte zu ihm und so bildete sich eine erste christliche Gemeinschaft auf dem Titano. Als offizielles Gründungsdatum wird heute der 3. September 301 angegeben.
Als sich die Lage 311 mit dem Toleranzedikt von Nikomedia beruhigte, wurde Marinus vom Bischof von Rimini, Gaudenzio, zum Diakon ernannt und bekam von einer zum Christentum konvertierten römischen Patrizierin namens Donna Felicissima den Titano geschenkt. Nach dem Tod ihres Namenspatrons im Herbst 366 begründete sich San Marino als Republik auf dessen letzte Worte: „Relinquo vos liberos ab utroque homine“ („Euch, Ihr Freie jedweder anderer Menschen, lass ich zurück“).
Der erste echte Beweis für das Vorhandensein einer Gemeinschaft auf dem Berg Titano stammt von Eugippius, der in seiner um das Jahr 511 vollendeten Vita Sancti Severini auch von einem Mönch auf eben jenem Berg berichtete und das Gebiet schon damals als San Marino bezeichnete. Spätere Dokumente wie das Feretranische Urteil aus dem Jahr 885 zeugen von einem organisierten und stolzen öffentlichen Leben. Schon laut dieses Urteils konnten Nachbarbischöfe keine Ansprüche auf san-marinesisches Land durchsetzen.
Ihre Freiheit genossen sie, und in den ersten Jahrhunderten war der beste Schutz gegen Feinde die Tatsache, dass kaum einer die kleine Gemeinschaft kannte. Trotzdem wurde im 10. Jahrhundert mit dem Bau von Befestigungsanlagen begonnen. Bestätigungen dafür finden sich in einer Urkunde König Berengars II. aus dem Jahr 951 und in einer Bulle Papst Honorius' II. von 1126. 1371 schrieb Kardinal Anglico, dass die Stadt „auf einem sehr hohen Felsblock liegt, auf dessen Gipfel drei riesige Burgen emporragen“. Im Laufe der Zeit wurden diese drei Burgen weiter ausgebaut und die Wasserversorgung autarkisiert, indem riesige Zisternen zum Speichern von Regenwasser in den Stein geschlagen wurden. Unterhalb des Regierungspalastes findet man noch heute Zisternen, die zwischen 1472 und 1478 entstanden sind.
Aufstieg der friedlichen Republik
Um das Jahr 1200 war aufgrund der stetig wachsenden Bevölkerung eine Gebietsvergrößerung nötig. Zwei nahe dem Berg gelegene Schlösser mitsamt Ländereien wurden daher gekauft. San Marino war zu jener Zeit bereits eine Stadtrepublik mit eigenen Gesetzbüchern. Das älteste handgeschriebene Gesetzbuch stammt aus dem Jahr 1295. In den folgenden 300 Jahren wurden die juristischen Regelwerke immer weiter präzisiert; das sechste und letzte Gesetzbuch, das am 21. September 1600 veröffentlicht wurde, zeugt mit seinen 6 Büchern und 314 Rubriken von detaillierter legislativer Tätigkeit. Die Gesetze wurden durch einen Rat der Familienoberhäupter, dem Arengo, in Auftragnahme des Volkes erlassen. So stand auf Mord und Verrat die Todesstrafe. Selbst das im übrigen Europa während des ausgehenden Mittelalters noch übliche Entsorgen von Schmutzwasser und Müll auf öffentlichen Wegen stand unter Strafe. Zum Schutz der Republik gab es schon zu jener Zeit ein perfekt ausgebildetes Heer – jeder Mann zwischen 14 und 60 Jahren konnte zum Kriegsdienst herangezogen werden. 1243 wurden erstmals – in Anlehnung an das altrömische Konsularprinzip – zwei „Capitani Reggenti“ für jeweils sechs Monate als gemeinsames Staatsoberhaupt gewählt. Dies ist so bis heute beibehalten worden.
Kampf um Unabhängigkeit
Die in San Marino eigentlich friedlich zusammenlebenden Ghibellinen und Guelfen wurden durch die in Italien Mitte des 13. Jahrhunderts herrschende Zwietracht zwischen Kirche und Kaiser erstmals gegeneinander aufgehetzt, was dazu führte, dass die kaisertreuen Ghibellinen die Guelfen verbannten. Dass der größere Teil der Bevölkerung Ghibellinen war, lag wohl auch an der Tatsache, dass sich San Marino in den vorangegangenen Jahrhunderten immer und immer wieder gegen die Nachbarbischöfe verteidigen musste, die mal nur Steuern forderten und mal das gesamte Gebiet erobern wollten. Der Konflikt gipfelte in der Exkommunikation der San-Marinesen im Jahr 1247 durch Papst Innozenz IV. Zwei Jahre später wurden sie zwar in Perugia davon wieder losgesprochen, aber der Friede zwischen den Bürgern San Marinos kehrte nicht wieder ein, und in den nächsten 100 Jahren sollten drei weitere Exkommunikationen folgen.
Die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts war für San Marino eine schwere Zeit. Die unter Gewaltherrschaft der Familie Malatesta stehende guelfische Republik Rimini versuchte San Marino einzunehmen, und nur ein Bündnis San Marinos mit dem Ghibellinen Guido von Montefeltro und später seinem Sohn Federico konnte San Marino retten. Die Kämpfe dauerten trotzdem bis 1299. Als ob das noch nicht genug gewesen wäre, gab es in der Folgezeit weitere Versuche, San Marino zu unterwerfen. 1291 versuchte der Kanoniker Teodorico die San-Marinesen dem Papst zu unterwerfen und diesem steuerpflichtig zu machen. Dies konnte nur mit dem Urteil des damals berühmten Rechtsgelehrten Palamede aus Rimini, der in diesem Fall beauftragt war, den Streit zu schlichten, verhindert werden. Nur fünf Jahre später, 1296, versuchten die Stadtvögte Feretrani das Gebiet für sich zu vereinnahmen. Doch auch hier half das Urteil Palamedes, denn dieses wurde auf Anfrage der San-Marinesen bei Papst Bonifatius VIII. nochmals für rechtskräftig erklärt. Er erkannte damit die volle Souveränität und Freiheit San Marinos an. Doch auch in der Folgezeit versuchten es die angrenzenden Regionen immer wieder, San Marino zu erobern – jedes Mal ohne Erfolg. Als im Jahr 1303 einige Botschafter der feretranischen Kirche gefangen genommen wurden, nachdem sie auf san-marinesisches Territorium eingedrungen waren, flammte der Konflikt wieder auf. Die Kämpfe dauerten bis 1320, als San Marino dank seines exzellent ausgebildeten Heeres den Bischof Uberto zum Frieden zwingen konnte.
Die Feinde San Marinos erkannten nun, dass das Territorium kriegerisch nicht einzunehmen war und versuchten es mit Diplomatie. Der Republik wurden kirchliche Vergebung und Steuerfreiheit für Eigentum außerhalb des Territoriums und weitere Rechte wie das Handelsrecht angeboten. Dafür wurde verlangt, einige in San Marino untergekommene Flüchtlinge aus Urbino auszuliefern. Dies wurde abgelehnt, und so gab es weitere Feindseligkeiten vor allem mit der Familie Malatesta bis zum Ende des 14. Jahrhunderts. Als aber eben jene Familie unter Sigismondo Pandolfo Malatesta 100 Jahre später sowohl beim Papst als auch beim König in Ungnade fiel, nutzten die San-Marinesen die Gunst der Stunde, unterzeichneten am 21. September 1461 ein Bündnis mit der Kirche und nahmen den Krieg wieder auf. 1463 endete der Krieg zugunsten der San-Marinesen und Papst Pius II. sprach der Republik die drei Schlösser Fiorentino, Montegiardino und Serravalle zu. Im gleichen Jahr schloss sich auch das Schloss Faetano freiwillig der kleinen Republik an. Dies war der letzte Krieg und auch die letzte Territoriumsvergrößerung San Marinos.
Zwar fiel 1503 Cesare Borgia, der damalige Herzog von Valentino und Sohn von Papst Alexander VI., in die Republik ein und errichtete eine Gewaltherrschaft, diese dauerte jedoch nicht lange, da Borgias Heer während eines gleichzeitigen Aufstandes im Herzogtum Urbino – an dem sich auch San-Marinesen beteiligten – vernichtend geschlagen wurde.
Abstieg und neuer Stolz
Am 8. Oktober 1600 trat eine neu ausgearbeitete Verfassung in Kraft, deren Grundzüge sich noch in der heutigen Verfassung wiederfinden. Auch zu jener Zeit mussten sich die San-Marinesen immer wieder gegen Eroberer zur Wehr setzen. Im Jahre 1602 wurde ein Schutzvertrag mit der Kirche unterzeichnet, der schließlich 1631 in Kraft trat. Trotz dieses Erfolges ging es San Marino in dieser Zeit nicht gut. Berühmte Persönlichkeiten wanderten aus, adlige Familien starben aus und das kulturelle Niveau sank in den folgenden Jahrzehnten.
Erst eine erneute Eroberung des Landes ließ den Nationalstolz der San-Marinesen wieder aufleben. Am 17. Oktober 1739 fiel Kardinal Giulio Alberoni, der damalige päpstliche Legat von Romagna, in die Republik ein. Die San-Marinesen wandten sich auch diesmal an den Papst, der den Kardinal Enrico Enriquez nach San Marino schickte, um über die dortige Lage zu berichten. Aufgrund seiner Aussagen befahl der Papst Kardinal Alberoni den Rückzug aus San Marino, und so war die Republik schon ein halbes Jahr später, am 5. Februar 1740 wieder frei.
Als Napoléon ab 1796 nach und nach die Vorherrschaft über die gesamte italienische Halbinsel erlangte und sich verschiedene Republiken gründeten, schlossen die San-Marinesen sogleich Handelsabkommen mit diesen, um ihre Verbundenheit mit Napoléon zum Ausdruck zu bringen.
Es wird berichtet, dass Napoléon während der italienischen Kampagne seinen Truppen befahl, an den Grenzen zur Republik San Marino halt zu machen und sie nicht zu überschreiten – der Korse war nach eigenem Bekunden ein Bewunderer des Kleinstaates, der niemals jemand anderem untertan gewesen war. In Siegerlaune bot er den San-Marinesen an, sie für ihre historische Unbeugsamkeit mit zwei Kanonen, mehreren Fuhren Getreide und einer territorialen Erweiterung bis zum Meer zu belohnen. Die selbstbewusst-zurückhaltenden San-Marinesen ließen die historische Chance, ihr Land zu vergrößern, die andere, bedeutendere Nationen niemals ausgeschlagen hätten, unbeachtet; wohl wissend, dass sie mit ihren Nachbarn nie wieder in Frieden leben würden. Auch die Kanonen schickten sie wieder zurück. Nur die Getreideladung fand als friedfertiges Geschenk Napoléons ihre Gnade.
Nach der Niederlage des napoleonischen Frankreichs wurde auf dem Wiener Kongress 1815 festgelegt, dass in Italien die vornapoleonische Ordnung wieder hergestellt werden sollte – somit erlangten nicht nur die spanischen Bourbonen den Süden der Halbinsel und die Habsburger den Norden zurück, sondern auch San Marino blieb frei.
Italienische Einigung
Während es in der Phase des Risorgimento in allen italienischen Landesteilen zu Freiheitsbewegungen kam, bot die freie Republik San Marino Flüchtlingen Asyl an. Nach der Niederwerfung der Revolutionen von 1848/49 flüchtete Giuseppe Garibaldi nach San Marino und erhielt 1861 auch die san-marinesische Staatsbürgerschaft.
Nachdem es sowohl in Sizilien als auch in Norditalien Volksabstimmungen gab und sich beide Teile mit überwältigender Mehrheit für einen Anschluss ans Königreich Sardinien-Piemont ausgesprochen hatten und der Kirchenstaat schon von piemontesischen Truppen bis auf die heutige Region Latium eingenommen wurde, wurde am 17. März 1861 schließlich das neue Königreich Italien ausgerufen. San Marino als von jeher freie Republik wollte nie an der Einigung Italiens teilnehmen und blieb daher souverän. Der spätere Ehrenbürger Abraham Lincoln schrieb dazu an die Capitani Reggenti: „Obgleich Ihr Staatsgebiet klein ist: Ihr Staat ist einer der meistgeehrten der Geschichte“. Schon am 22. März 1862 schloss die Republik weitreichende Verträge mit dem Königreich ab, die San Marino und das Königreich Italien als gleichberechtigte Partner festschrieben. Diese Konvention wurde am 27. März 1872 erneuert.
Faschismus und Zweiter Weltkrieg
Bis 1906 wurden die 60 Mitglieder des Parlaments auf Lebenszeit ernannt und in Eigenregie nachbesetzt. Ab diesem Jahr wurden politische Wahlen eingeführt, die die Demokratie eigentlich stärken sollten. Mit dem Wahlrecht verbanden sich aber schon 1923 negative Folgen für die Demokratie. Nachdem bereits am 1. April 1923 die beiden ersten faschistischen Capitani Reggenti ihr Amt antraten, erreichte die faschistische Partei (Partito Fascista Sammarinese) bei den Wahlen am 4. April 1923 die absolute Mehrheit. Die Republik stellte später trotz der Nähe zum italienischen Diktator Benito Mussolini keine Soldaten für das italienische Heer, und da sich die faschistische Regierung San Marinos trotz allem der Neutralität verpflichtet sah, blieb die Republik im Zweiten Weltkrieg offiziell neutral. 1941/42 schafften es oppositionelle Kräfte erstmals wieder, ins Parlament einzuziehen, was dem antifaschistischen Widerstand Auftrieb verlieh. Am 28. Juli 1943 löste sich die san-marinesische faschistische Partei schließlich auf – drei Tage nach Mussolinis Sturz. San Marino nahm in der Folgezeit bis zu 100.000 Flüchtlinge auf. Trotz der Neutralität und der Markierung des Staatsgebietes durch riesige weiße Kreuze warfen britische Bomber am 26. Juni 1944 mehrere hundert Bomben über San Marino ab, wodurch 60 Menschen starben und hunderte verletzt wurden. Später gab die britische Regierung zu, dass dieser Angriff vollkommen ungerechtfertigt war. Im September 1944 kam es nochmals zu Gefechten um San Marino, als deutsche und alliierte Truppen um das Gebiet kämpften. Am 19. September schließlich konnte die 8. US-Armee das Gebiet einnehmen. Die Alliierten blieben bis November 1944 in San Marino, unter anderem, um bei der Rückführung der vielen Flüchtlinge zu unterstützen.
Nachkriegszeit
Da durch den Sturz der faschistischen Regierung sowohl Verfassung als auch Gesetzgebung unangetastet blieben, gab es nach dem Ende des zweiten Weltkrieges nur wenige grundlegende politische Veränderungen in der Republik: So wurde 1960 das aktive und 1973 das passive Wahlrecht für Frauen eingeführt.
Eine oft vergessene Tatsache ist, dass die Republik von 1947 bis 1957 und nochmals von 1978 bis 1986 von einer linken Volksfront unter Einschluss der Kommunisten regiert wurde. Ende der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts mäßigte sich die kommunistische Partei und nannte sich progressiv-demokratische Partei. Sie regiert zusammen mit den führenden Christdemokraten noch heute.
Seit Ende der 1950er Jahre nahm der Tourismus eine immer größere Rolle in San Marino ein. Im Jahr 2005 besuchten über 2 Millionen Touristen den Staat mit seinen gut 30.000 Einwohnern. Die Steuereinnahmen stiegen, sodass seit 1975 die gesamte medizinische Versorgung kostenlos angeboten werden kann. Heute fließen 60 Prozent der Einnahmen der Republik direkt oder indirekt durch den Tourismus ins Land. Die meisten Touristen kommen für Tagesausflüge von den Touristenzentren der nahen Adria, beispielsweise von Rimini und Pesaro. Die Republik – seit 1992 auch Mitglied der Vereinten Nationen – ist vollkommen schuldenfrei.
Sehr interessant und spannend zu lesen.
Ich schließe mich gerne Abraham Lincoln an der über San Marino schrieb: „Obgleich Ihr Staatsgebiet klein ist: Ihr Staat ist einer der meistgeehrten der Geschichte“
http://www.europa.km.ru/small/images/san-marino_wappen.gif
Zitat wiki:
Die Geschichte San Marinos geht bis auf das 4. Jahrhundert zurück; aus den Anfängen sind hauptsächlich Mythen und Sagen übermittelt, die aber heute als authentisch gelten.
Die Anfänge
Um das Jahr 300 soll Marinus, ein Steinhauer aus Rab, einer kroatischen Insel, als Bauarbeiter ins damals aufstrebende Rimini gekommen sein. Noch bevor im Jahr 303 unter Kaiser Diokletian die letzte und wohl auch schlimmste Christenverfolgung in Italien begann, flüchtete Marinus als Christ auf den nahe gelegenen Berg Titano. Nach und nach gesellten sich weitere Verfolgte zu ihm und so bildete sich eine erste christliche Gemeinschaft auf dem Titano. Als offizielles Gründungsdatum wird heute der 3. September 301 angegeben.
Als sich die Lage 311 mit dem Toleranzedikt von Nikomedia beruhigte, wurde Marinus vom Bischof von Rimini, Gaudenzio, zum Diakon ernannt und bekam von einer zum Christentum konvertierten römischen Patrizierin namens Donna Felicissima den Titano geschenkt. Nach dem Tod ihres Namenspatrons im Herbst 366 begründete sich San Marino als Republik auf dessen letzte Worte: „Relinquo vos liberos ab utroque homine“ („Euch, Ihr Freie jedweder anderer Menschen, lass ich zurück“).
Der erste echte Beweis für das Vorhandensein einer Gemeinschaft auf dem Berg Titano stammt von Eugippius, der in seiner um das Jahr 511 vollendeten Vita Sancti Severini auch von einem Mönch auf eben jenem Berg berichtete und das Gebiet schon damals als San Marino bezeichnete. Spätere Dokumente wie das Feretranische Urteil aus dem Jahr 885 zeugen von einem organisierten und stolzen öffentlichen Leben. Schon laut dieses Urteils konnten Nachbarbischöfe keine Ansprüche auf san-marinesisches Land durchsetzen.
Ihre Freiheit genossen sie, und in den ersten Jahrhunderten war der beste Schutz gegen Feinde die Tatsache, dass kaum einer die kleine Gemeinschaft kannte. Trotzdem wurde im 10. Jahrhundert mit dem Bau von Befestigungsanlagen begonnen. Bestätigungen dafür finden sich in einer Urkunde König Berengars II. aus dem Jahr 951 und in einer Bulle Papst Honorius' II. von 1126. 1371 schrieb Kardinal Anglico, dass die Stadt „auf einem sehr hohen Felsblock liegt, auf dessen Gipfel drei riesige Burgen emporragen“. Im Laufe der Zeit wurden diese drei Burgen weiter ausgebaut und die Wasserversorgung autarkisiert, indem riesige Zisternen zum Speichern von Regenwasser in den Stein geschlagen wurden. Unterhalb des Regierungspalastes findet man noch heute Zisternen, die zwischen 1472 und 1478 entstanden sind.
Aufstieg der friedlichen Republik
Um das Jahr 1200 war aufgrund der stetig wachsenden Bevölkerung eine Gebietsvergrößerung nötig. Zwei nahe dem Berg gelegene Schlösser mitsamt Ländereien wurden daher gekauft. San Marino war zu jener Zeit bereits eine Stadtrepublik mit eigenen Gesetzbüchern. Das älteste handgeschriebene Gesetzbuch stammt aus dem Jahr 1295. In den folgenden 300 Jahren wurden die juristischen Regelwerke immer weiter präzisiert; das sechste und letzte Gesetzbuch, das am 21. September 1600 veröffentlicht wurde, zeugt mit seinen 6 Büchern und 314 Rubriken von detaillierter legislativer Tätigkeit. Die Gesetze wurden durch einen Rat der Familienoberhäupter, dem Arengo, in Auftragnahme des Volkes erlassen. So stand auf Mord und Verrat die Todesstrafe. Selbst das im übrigen Europa während des ausgehenden Mittelalters noch übliche Entsorgen von Schmutzwasser und Müll auf öffentlichen Wegen stand unter Strafe. Zum Schutz der Republik gab es schon zu jener Zeit ein perfekt ausgebildetes Heer – jeder Mann zwischen 14 und 60 Jahren konnte zum Kriegsdienst herangezogen werden. 1243 wurden erstmals – in Anlehnung an das altrömische Konsularprinzip – zwei „Capitani Reggenti“ für jeweils sechs Monate als gemeinsames Staatsoberhaupt gewählt. Dies ist so bis heute beibehalten worden.
Kampf um Unabhängigkeit
Die in San Marino eigentlich friedlich zusammenlebenden Ghibellinen und Guelfen wurden durch die in Italien Mitte des 13. Jahrhunderts herrschende Zwietracht zwischen Kirche und Kaiser erstmals gegeneinander aufgehetzt, was dazu führte, dass die kaisertreuen Ghibellinen die Guelfen verbannten. Dass der größere Teil der Bevölkerung Ghibellinen war, lag wohl auch an der Tatsache, dass sich San Marino in den vorangegangenen Jahrhunderten immer und immer wieder gegen die Nachbarbischöfe verteidigen musste, die mal nur Steuern forderten und mal das gesamte Gebiet erobern wollten. Der Konflikt gipfelte in der Exkommunikation der San-Marinesen im Jahr 1247 durch Papst Innozenz IV. Zwei Jahre später wurden sie zwar in Perugia davon wieder losgesprochen, aber der Friede zwischen den Bürgern San Marinos kehrte nicht wieder ein, und in den nächsten 100 Jahren sollten drei weitere Exkommunikationen folgen.
Die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts war für San Marino eine schwere Zeit. Die unter Gewaltherrschaft der Familie Malatesta stehende guelfische Republik Rimini versuchte San Marino einzunehmen, und nur ein Bündnis San Marinos mit dem Ghibellinen Guido von Montefeltro und später seinem Sohn Federico konnte San Marino retten. Die Kämpfe dauerten trotzdem bis 1299. Als ob das noch nicht genug gewesen wäre, gab es in der Folgezeit weitere Versuche, San Marino zu unterwerfen. 1291 versuchte der Kanoniker Teodorico die San-Marinesen dem Papst zu unterwerfen und diesem steuerpflichtig zu machen. Dies konnte nur mit dem Urteil des damals berühmten Rechtsgelehrten Palamede aus Rimini, der in diesem Fall beauftragt war, den Streit zu schlichten, verhindert werden. Nur fünf Jahre später, 1296, versuchten die Stadtvögte Feretrani das Gebiet für sich zu vereinnahmen. Doch auch hier half das Urteil Palamedes, denn dieses wurde auf Anfrage der San-Marinesen bei Papst Bonifatius VIII. nochmals für rechtskräftig erklärt. Er erkannte damit die volle Souveränität und Freiheit San Marinos an. Doch auch in der Folgezeit versuchten es die angrenzenden Regionen immer wieder, San Marino zu erobern – jedes Mal ohne Erfolg. Als im Jahr 1303 einige Botschafter der feretranischen Kirche gefangen genommen wurden, nachdem sie auf san-marinesisches Territorium eingedrungen waren, flammte der Konflikt wieder auf. Die Kämpfe dauerten bis 1320, als San Marino dank seines exzellent ausgebildeten Heeres den Bischof Uberto zum Frieden zwingen konnte.
Die Feinde San Marinos erkannten nun, dass das Territorium kriegerisch nicht einzunehmen war und versuchten es mit Diplomatie. Der Republik wurden kirchliche Vergebung und Steuerfreiheit für Eigentum außerhalb des Territoriums und weitere Rechte wie das Handelsrecht angeboten. Dafür wurde verlangt, einige in San Marino untergekommene Flüchtlinge aus Urbino auszuliefern. Dies wurde abgelehnt, und so gab es weitere Feindseligkeiten vor allem mit der Familie Malatesta bis zum Ende des 14. Jahrhunderts. Als aber eben jene Familie unter Sigismondo Pandolfo Malatesta 100 Jahre später sowohl beim Papst als auch beim König in Ungnade fiel, nutzten die San-Marinesen die Gunst der Stunde, unterzeichneten am 21. September 1461 ein Bündnis mit der Kirche und nahmen den Krieg wieder auf. 1463 endete der Krieg zugunsten der San-Marinesen und Papst Pius II. sprach der Republik die drei Schlösser Fiorentino, Montegiardino und Serravalle zu. Im gleichen Jahr schloss sich auch das Schloss Faetano freiwillig der kleinen Republik an. Dies war der letzte Krieg und auch die letzte Territoriumsvergrößerung San Marinos.
Zwar fiel 1503 Cesare Borgia, der damalige Herzog von Valentino und Sohn von Papst Alexander VI., in die Republik ein und errichtete eine Gewaltherrschaft, diese dauerte jedoch nicht lange, da Borgias Heer während eines gleichzeitigen Aufstandes im Herzogtum Urbino – an dem sich auch San-Marinesen beteiligten – vernichtend geschlagen wurde.
Abstieg und neuer Stolz
Am 8. Oktober 1600 trat eine neu ausgearbeitete Verfassung in Kraft, deren Grundzüge sich noch in der heutigen Verfassung wiederfinden. Auch zu jener Zeit mussten sich die San-Marinesen immer wieder gegen Eroberer zur Wehr setzen. Im Jahre 1602 wurde ein Schutzvertrag mit der Kirche unterzeichnet, der schließlich 1631 in Kraft trat. Trotz dieses Erfolges ging es San Marino in dieser Zeit nicht gut. Berühmte Persönlichkeiten wanderten aus, adlige Familien starben aus und das kulturelle Niveau sank in den folgenden Jahrzehnten.
Erst eine erneute Eroberung des Landes ließ den Nationalstolz der San-Marinesen wieder aufleben. Am 17. Oktober 1739 fiel Kardinal Giulio Alberoni, der damalige päpstliche Legat von Romagna, in die Republik ein. Die San-Marinesen wandten sich auch diesmal an den Papst, der den Kardinal Enrico Enriquez nach San Marino schickte, um über die dortige Lage zu berichten. Aufgrund seiner Aussagen befahl der Papst Kardinal Alberoni den Rückzug aus San Marino, und so war die Republik schon ein halbes Jahr später, am 5. Februar 1740 wieder frei.
Als Napoléon ab 1796 nach und nach die Vorherrschaft über die gesamte italienische Halbinsel erlangte und sich verschiedene Republiken gründeten, schlossen die San-Marinesen sogleich Handelsabkommen mit diesen, um ihre Verbundenheit mit Napoléon zum Ausdruck zu bringen.
Es wird berichtet, dass Napoléon während der italienischen Kampagne seinen Truppen befahl, an den Grenzen zur Republik San Marino halt zu machen und sie nicht zu überschreiten – der Korse war nach eigenem Bekunden ein Bewunderer des Kleinstaates, der niemals jemand anderem untertan gewesen war. In Siegerlaune bot er den San-Marinesen an, sie für ihre historische Unbeugsamkeit mit zwei Kanonen, mehreren Fuhren Getreide und einer territorialen Erweiterung bis zum Meer zu belohnen. Die selbstbewusst-zurückhaltenden San-Marinesen ließen die historische Chance, ihr Land zu vergrößern, die andere, bedeutendere Nationen niemals ausgeschlagen hätten, unbeachtet; wohl wissend, dass sie mit ihren Nachbarn nie wieder in Frieden leben würden. Auch die Kanonen schickten sie wieder zurück. Nur die Getreideladung fand als friedfertiges Geschenk Napoléons ihre Gnade.
Nach der Niederlage des napoleonischen Frankreichs wurde auf dem Wiener Kongress 1815 festgelegt, dass in Italien die vornapoleonische Ordnung wieder hergestellt werden sollte – somit erlangten nicht nur die spanischen Bourbonen den Süden der Halbinsel und die Habsburger den Norden zurück, sondern auch San Marino blieb frei.
Italienische Einigung
Während es in der Phase des Risorgimento in allen italienischen Landesteilen zu Freiheitsbewegungen kam, bot die freie Republik San Marino Flüchtlingen Asyl an. Nach der Niederwerfung der Revolutionen von 1848/49 flüchtete Giuseppe Garibaldi nach San Marino und erhielt 1861 auch die san-marinesische Staatsbürgerschaft.
Nachdem es sowohl in Sizilien als auch in Norditalien Volksabstimmungen gab und sich beide Teile mit überwältigender Mehrheit für einen Anschluss ans Königreich Sardinien-Piemont ausgesprochen hatten und der Kirchenstaat schon von piemontesischen Truppen bis auf die heutige Region Latium eingenommen wurde, wurde am 17. März 1861 schließlich das neue Königreich Italien ausgerufen. San Marino als von jeher freie Republik wollte nie an der Einigung Italiens teilnehmen und blieb daher souverän. Der spätere Ehrenbürger Abraham Lincoln schrieb dazu an die Capitani Reggenti: „Obgleich Ihr Staatsgebiet klein ist: Ihr Staat ist einer der meistgeehrten der Geschichte“. Schon am 22. März 1862 schloss die Republik weitreichende Verträge mit dem Königreich ab, die San Marino und das Königreich Italien als gleichberechtigte Partner festschrieben. Diese Konvention wurde am 27. März 1872 erneuert.
Faschismus und Zweiter Weltkrieg
Bis 1906 wurden die 60 Mitglieder des Parlaments auf Lebenszeit ernannt und in Eigenregie nachbesetzt. Ab diesem Jahr wurden politische Wahlen eingeführt, die die Demokratie eigentlich stärken sollten. Mit dem Wahlrecht verbanden sich aber schon 1923 negative Folgen für die Demokratie. Nachdem bereits am 1. April 1923 die beiden ersten faschistischen Capitani Reggenti ihr Amt antraten, erreichte die faschistische Partei (Partito Fascista Sammarinese) bei den Wahlen am 4. April 1923 die absolute Mehrheit. Die Republik stellte später trotz der Nähe zum italienischen Diktator Benito Mussolini keine Soldaten für das italienische Heer, und da sich die faschistische Regierung San Marinos trotz allem der Neutralität verpflichtet sah, blieb die Republik im Zweiten Weltkrieg offiziell neutral. 1941/42 schafften es oppositionelle Kräfte erstmals wieder, ins Parlament einzuziehen, was dem antifaschistischen Widerstand Auftrieb verlieh. Am 28. Juli 1943 löste sich die san-marinesische faschistische Partei schließlich auf – drei Tage nach Mussolinis Sturz. San Marino nahm in der Folgezeit bis zu 100.000 Flüchtlinge auf. Trotz der Neutralität und der Markierung des Staatsgebietes durch riesige weiße Kreuze warfen britische Bomber am 26. Juni 1944 mehrere hundert Bomben über San Marino ab, wodurch 60 Menschen starben und hunderte verletzt wurden. Später gab die britische Regierung zu, dass dieser Angriff vollkommen ungerechtfertigt war. Im September 1944 kam es nochmals zu Gefechten um San Marino, als deutsche und alliierte Truppen um das Gebiet kämpften. Am 19. September schließlich konnte die 8. US-Armee das Gebiet einnehmen. Die Alliierten blieben bis November 1944 in San Marino, unter anderem, um bei der Rückführung der vielen Flüchtlinge zu unterstützen.
Nachkriegszeit
Da durch den Sturz der faschistischen Regierung sowohl Verfassung als auch Gesetzgebung unangetastet blieben, gab es nach dem Ende des zweiten Weltkrieges nur wenige grundlegende politische Veränderungen in der Republik: So wurde 1960 das aktive und 1973 das passive Wahlrecht für Frauen eingeführt.
Eine oft vergessene Tatsache ist, dass die Republik von 1947 bis 1957 und nochmals von 1978 bis 1986 von einer linken Volksfront unter Einschluss der Kommunisten regiert wurde. Ende der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts mäßigte sich die kommunistische Partei und nannte sich progressiv-demokratische Partei. Sie regiert zusammen mit den führenden Christdemokraten noch heute.
Seit Ende der 1950er Jahre nahm der Tourismus eine immer größere Rolle in San Marino ein. Im Jahr 2005 besuchten über 2 Millionen Touristen den Staat mit seinen gut 30.000 Einwohnern. Die Steuereinnahmen stiegen, sodass seit 1975 die gesamte medizinische Versorgung kostenlos angeboten werden kann. Heute fließen 60 Prozent der Einnahmen der Republik direkt oder indirekt durch den Tourismus ins Land. Die meisten Touristen kommen für Tagesausflüge von den Touristenzentren der nahen Adria, beispielsweise von Rimini und Pesaro. Die Republik – seit 1992 auch Mitglied der Vereinten Nationen – ist vollkommen schuldenfrei.