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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Wer hat Angst vor Albert Meyer?



Augustus Rex
28.12.02, 21:42
Natürlich hatte ich keine Ahnung, wie so etwas passieren konnte.
Eben noch wälzte ich in Schottlands Bibliotheken alte Folianten und arbeitete mich mühsam in Richtung des frühen 19. Jahrhunderts, da schaute ich auf und sah mich an einem Tisch sitzen, der von elektrischem Licht erhellt war. Als ich aus dem Fenster blickte, sah ich am Horizont schneebedeckte blaue Berge. Ich stand auf, öffnete das Fenster und blickte auf die Stadt. Automobile fuhren auf den Strassen, ich sah auch ein Flugzeug fliegen und Frauen mit Röcken, die gerade bis zum Knie reichten. Gebannt lauschte ich gutgekleideten Herren, die das Haus, in dem ich mich befand, betraten. Sie sprachen abwechselnd Deutsch und Französisch, dann vernahm ich auch italienische Worte und einer von ihnen sprach eine Sprache, die ich noch nie vernommen hatte. Ich musste mich setzen.

Eine Tür öffnete sich und mir wurde von einer jungen Dame erklärt, dass Herr Meyer mich erwarte. Da mich diese Eröffnung nicht weiterbrachte, beschloss ich, ihr zu folgen und sah mich einem Mann gegenüber, den ich zweifellos noch nie gesehen hatte.
"Albert Meyer", stellte er sich vor. Ich jedoch war zu verwirrt, der Höflichkeit Genüge zu tun, was seinem Rededrang aber keinerlei Abbruch tat.
"Lieber junger Freund!", sprach er, "es stimmt mich froh, dass Sie unser Angebot angenommen haben. Die Zeiten sind schwierig und unser Land schwebt in grosser Gefahr. Die Dinge beginnen, mir über den Kopf zu wachsen; deswegen suchte ich eine rechte Hand, die höher reicht als die meine.
Ihre Referenzen, mein Herr, sind vortrefflich und Sie erhalten von mir alle Vollmachten."

Diese kurze Rede genügte, meine angeborene Arroganz über alle anderen Gefühle triumphieren zu lassen. Ich fand, Herr Meyer hatte in allen Punkten Recht. Zwei Fragen hielt ich allerdings für unerlässlich, wenn ich mich einigermassen in meiner neuen Welt orientieren können sollte:
"Wo, bitte, ist mein Arbeitszimmer?", fragte ich also.
"Es ist dieses, mein Herr", sagte Herr Meyer.
Ich blickte mich um und befand es für hinreichend.
"Und wie heisst das nette Land, das meine Dienste benötigt?"
"Verzeihen Sie, ich vergaß", sagte Herr Meyer, "willkommen in der Schweiz."

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Nachdem ich noch erfahren hatte, dass Albert Meyer der Präsident meiner neuen Heimat war, sagte ich ihm, dass ich mich nun wohl ein wenig einarbeiten müsse.
Er versuchte, mir noch einige Hinweise zu geben. Ich hörte nicht weiter auf ihn, zumal ich mit Worten wie "Tutorial", "Manual", "Patch" oder "Forum" nicht viel anzufangen wusste.
"Schon gut, schon gut, Meyer, Sie dürfen gehen", sagte ich stattdessen.
Er blickte noch einmal auf meine Referenzen und zog sich zurück.

Also begann ich, ein wenig zu regieren, und beschloss, alles so zu tun, wie ich es immer getan hatte.
Alle Meldungseinstellungen auf Box+Stop, das Unwichtige würde ich später eliminieren. Spione einstellen, damit ich die ganze Welt sehen konnte. Alle anderen Länder zu Feiglingen erklären. Mir das Leben leicht machen. Die Langsamkeit der Zeit geniessen. Musik verbieten. Kurzum: Routine. Es war wie in der guten alten Zeit.
Albert Meyer, so beschloss ich, sollte Präsident bleiben. Mein Name tat hier nichts zur Sache.

Wir schrieben, so erfuhr ich, den 1. Januar 1936. Ich regierte die Schweiz und ich wollte alles.
Nur keinen Krieg.

Blastwarrior
29.12.02, 00:33
sehr schöne Einleitung in Real wars ja neutral aber wenns ans verteilen geht wollt ihr da nich dabei sein???

Cassius Chaerea
29.12.02, 00:44
:eek: Herr Mayer !

Viel Erfolg wünschen wir. Aber der Achse beitreten ist unfair ;)

Augustus Rex
29.12.02, 01:54
Am 1.9.1939, als Deutschland Polen den Krieg erklärte, lebte das von mir regierte Land friedlich wie eh und je.
Ich hatte versucht, die Wirtschaft zu verstehen. Das war misslungen.
Ich hatte versucht, die Armee auszubauen. Misslungen.
Ich hatte geforscht. Keine Chance.

Herr Meyer sagte mir etwas von der Industriekapazität, die man beachten sollte. Ich ignorierte ihn.

Denn mit einer diplomatischen Meisterleistung war es mir gelungen, Frieden in meinem Land zu bewahren. Ich hatte mit vollem Erfolg so getan, als ob es die Schweiz nicht gäbe. Alle hatten es gefressen. Ich gerissener Hund, ich!

Nur die Deutschen schienen etwas von der Existenz unserer vier Provinzen zu ahnen. Im Süden Deutschlands standen permanent Divisionen bereit, um der eklatanten Gefahr vorzubeugen, in die Deutschland geraten würde, wenn ich meinen Gebirgsjägern das Zeichen zum Sturm geben würde. Nun, noch wartete ich und weidete mich an der Angst meines nördlichen Nachbarn.

Dieser hatte sich der Benelux-Staaten bemächtigt, Frankreich auf Vichy-Größe gebracht und sich hernach die Tschechoslowakei einverleibt. Er brauchte wohl Hinterland, wenn der Sturm aus den Bergen beginnen würde, freute ich mich.
Nur die Luftwaffe der Deutschen flösste mir Respekt ein: Während britische Flugzeuge das Ruhrgebiet in Europa-Universalis-Zeiten zurückbombten, versammelte sich die deutschen Piloten in Böhmen und Mähren, wo sie bis auf Knödel und Bier wenig Feindkontakt hatten. Hatte die deutsche Luftwaffe unsere Strategie geklaut?

Leider wurden die drei Schweizer, die in Berlin nachfragen sollten, alle verhaftet. So blieb ein kleiner Zweifel an meiner Einzigartigkeit.

Ich wandte mich wieder meinen Plänen zu und fragte mich, wie ich einen Konflikt mit Siam vom Zaun brechen könnte. Als ich Herrn Meyer fragte, wo unsere Schiffe vor Anker lägen, lächelte er milde, schaute auf die Uhr und murmelte etwas, das wie "kann doch nicht mehr ewig dauern bis 48" klang.

Keine Ahnung, was er meinte. Ich jedenfalls hatte keine Angst vor ihm, nur weil er noch Präsident war.

Winterfeld
29.12.02, 16:04
Herrlich! :D

Ich sehe schon die Schweiz als die bedeutenste Kolonialmacht in Ostasien.

Hoffe auf baldige Fortsetzung. :)

Cassius Chaerea
29.12.02, 16:09
Wir befürchten das Spiel entwickelt sich zu einem "Hands-off"-Spiel.
:drink:

Bismarck
29.12.02, 18:29
wahrscheinlich versucht er sich vom echten Augustus abzuheben!

Augustus Rex
29.12.02, 23:27
Als man den 1. September 1940 schrieb, hatte ich meine Meinung von Krieg und Frieden etwas geändert.

Frühling und Sommer des Jahres hatte ich genutzt, den europäischen Teil Vichy-Frankreichs zu besetzen. Die Aufgabe war meiner Armee dadurch erleichtert worden, dass die französischen Truppen komplett eine Organisation von Null hatten. Verschiedene Vorurteile wurden bestätigt.

Als weiteren Erfolg konnte ich verbuchen, dass das erste Forschungsprojekt der Schweiz erfolgreich abgeschlossen wurde. Man sagte mir, dass es sich mit Infanterie beschäftigt habe. Mehr Details wollte ich gar nicht hören.

Deutschland hatte Jugoslawien annektiert, die Sowjetunion hatte Finnland geschluckt, beide hatten sich Polen geteilt, sich dabei aber offenbar zerstritten, denn nun führten sie Krieg gegeneinander.

Ich inspizierte unterdessen die Cote d'Azur. Dort hatte ich erstmals das gleiche Gefühl wie der Rest Europas: Herr Meyer war weit weg.